| # taz.de -- Fleischindustrie spart Ökostromabgabe: Millionenrabatte dank Werkv… | |
| > Unternehmen mit besonders hohen Stromkosten zahlen keine Ökostromabgabe. | |
| > Rund 40 Millionen Euro sparen Schlachtbetriebe jährlich – auch wegen der | |
| > Werkverträge | |
| Bild: Ganz schön aasig: Die Fleischindustrie spart Ökosteuer, wenn sie die St… | |
| Hamburg taz | Millionenbeträge sparen deutsche Schlachtbetriebe durch das | |
| Erneuerbare Energie-Gesetz (EEG), weil sie als stromkostenintensive | |
| Unternehmen gelten und von der Ökostromabgabe befreit sind. Bundesweit sind | |
| es 50 Betriebe, darunter 13 in Niedersachsen, vier in Schleswig-Holstein | |
| und einer in Bremen. | |
| Was dabei absurd anmutet: Dass sie so viel Geld sparen, hat nicht allein | |
| damit zu tun, dass sie übermäßig viel Strom verbrauchen – und damit als | |
| förderwürdig gelten – sondern auch damit, dass sie eine große Zahl von | |
| häufig schlecht bezahlten WerkvertragsarbeiterInnen beschäftigen. „Es ist | |
| ein Unding, dass diese Betriebe aus der Ausbeutung ihrer | |
| Werkvertragsarbeiter auch noch doppelten Nutzen ziehen – bei Lohn- und | |
| Energiekosten“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer. | |
| Im vorigen Jahr sparten die Schlachtbetriebe insgesamt 40,1 Millionen Euro | |
| durch die Entlastung bei der EEG-Umlage, dieses Jahr sind es 37,3 Millionen | |
| Euro. Eigentlich waren die Ausgleichsregelungen des EEG dazu gedacht, | |
| stromkostenintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu stärken. | |
| Es zeigt sich aber, dass damit auch Anreize für die Ausweitung von | |
| Werkverträgen geschaffen wurden. „Benachteiligt werden dadurch auch | |
| Schlachtbetriebe, die auf Festeinstellungen setzen“, sagt Pothmer. | |
| Durch das EEG erhalten dieses Jahr mehr als 2.000 Unternehmen Rabatte bei | |
| der Ökostromabgabe oder müssen diese gar nicht zahlen. Derzeit ist | |
| Voraussetzung, dass die Stromkosten der Betriebe mindestens 14 Prozent der | |
| Bruttowertschöpfung ausmachen. Zur Bruttowertschöpfung gehören auch die | |
| Lohnkosten der Stammbelegschaft in der Produktion. | |
| „Da Werkverträge nicht als Lohnkosten, sondern als Sachkosten gelten, | |
| müssen diese wiederum nicht in die Bruttowertschöpfung eingerechnet | |
| werden“, erläutert Matthias Brümmer von der Gewerkschaft | |
| Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Wenn also Schlachtbetriebe ihre | |
| Personalkosten durch niedrige Festanstellungszahlen drücken, sie also mehr | |
| Werkvertragsbeschäftige haben, steigt der Anteil der Stromkosten an der | |
| Bruttowertschöpfung. Geringe Personalkosten steigern damit die Chancen, als | |
| energieintensiv eingestuft zu werden. | |
| „Dieses gesetzliche Schlupfloch muss geschlossen werden“, findet Pothmer. | |
| Der Verband der Fleischwirtschaft jedoch schließt seit Jahren einen | |
| Zusammenhang zwischen Werkverträgen und dem Ökostromrabatt aus. | |
| Rund 110.000 Beschäftigte arbeiten in der Schlachtindustrie. Viele von | |
| ihnen kommen aus Osteuropa und sind über Subunternehmen in den Betrieben | |
| angestellt. Subunternehmen erhalten von den Schlachtbetrieben Aufträge und | |
| bekommen dafür einen festen Betrag. „Ob die Subunternehmen damit den | |
| Beschäftigten ausreichend hohe Löhne zahlen können, interessiert die | |
| Betriebe nicht“, sagt Brümmer. „Sie entziehen sich dadurch auch ihrer | |
| sozialen Verantwortung.“ | |
| Wie hoch genau der Anteil der Werkvertragsbeschäftigten ist, weiß niemand | |
| genau. Nach Angaben des Dachverbandes der Ernährungswirtschaft nahm der | |
| Anteil der Werkverträgler von 2015 auf 2016 ab. „Es gibt allerdings | |
| Betriebe, da liegt der Anteil immer noch bei 80 bis 90 Prozent“, sagt | |
| Brümmer. Der Gewerkschafter kennt sich mit den Schlachtbetrieben gut aus. | |
| Er hat selbst zehn Jahre lang in der Fleischindustrie gearbeitet und kommt | |
| aus Oldenburg. Dort, im Westen Niedersachsens stehen die meisten | |
| Schlachtbetriebe. | |
| Schon 2013 hat die NGG die Parteien im Bundestag aufgefordert, die Kosten | |
| für WerkvertragsarbeiterInnen in die Bruttowertschöpfung einzubeziehen, um | |
| damit die Einsparungen durch das EEG zumindest einzudämmen. „Das haben alle | |
| zuständigen Gremien bekommen“, sagt Brümmer. | |
| Getan hat sich seither wenig. „Die Erfahrung der letzten zehn Jahre zeigt, | |
| dass sich da künftig auch nicht viel ändern wird“, sagt Brümmer. Der Anreiz | |
| für Billiglöhne in den Schlachtbetrieben bliebe damit erhalten. | |
| 7 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
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