# taz.de -- Expertin über Pflegekräftemangel: „Die Patienten sind gefährde… | |
> Die Pflegekräfte in Deutschland sind stark überbelastet, sagt | |
> Verdi-Bundesvorstand Sylvia Bühler. Sie fordert eine Mindestbesetzung in | |
> Krankenhäusern. | |
Bild: Viele Krankenpfleger in Deutschland sind wegen des Personalmangels übera… | |
taz: Frau Bühler, ein Pfleger betreut in Deutschland laut einer Studie | |
durchschnittlich 10,3 Patienten. Ist das genug Pflege? | |
Sylvia Bühler: Ein ganz klares Nein. Deutschland hat die rote Laterne in | |
Europa beim Verhältnis Pflegekraft zu Patient. Wir brauchen rund 70.000 | |
zusätzliche Fachkräfte. Nach internationalen Maßstäben fehlen in deutschen | |
Kliniken alleine in den Nachtschichten 19.500 Vollzeitstellen, um eine | |
sichere Versorgung zu gewährleisten. Der Personalmangel führt zu starken | |
Belastungen beim Personal.Wie äußert sich das? | |
Viele verzweifeln. Sie möchten gerne gut pflegen, aber können ihrem | |
Anspruch kaum gerecht werden. Oft fehlt ihnen die Zeit, um den Patienten | |
genug Aufmerksamkeit zu schenken. Psychische Erkrankungen nehmen zu. Drei | |
Viertel der Beschäftigten in der Pflege glauben nicht, dass sie ihrer | |
Arbeit bis zur Rente nachgehen können. Das ist alarmierend. Durch den | |
Stress werden dann auch die Krankenpflegekräfte häufiger krank. | |
Was bedeutet das für die Patienten? | |
Die Patienten sind durch den Personalmangel unmittelbar gefährdet. Nach | |
einer OP müssen zum Beispiel regelmäßig Vitalzeichen kontrolliert werden. | |
Wenn das wegen zu hoher Arbeitsbelastung nicht zu schaffen ist, kann das | |
böse enden, wenn es eine Komplikation gibt. Unsere Mitglieder berichten von | |
Patienten, die stürzten, weil sie nicht beim Gang zur Toilette begleiten | |
werden konnten. | |
Warum stellen die Krankenhäuser dann nicht mehr Personal ein? | |
Die Länder investieren seit Jahren nicht genug in die Einrichtungen. Sie | |
kommen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nach. Wenn die öffentliche | |
Hand nicht in den notwendigen Ausbau eines Krankenhauses investiert, muss | |
das Geld eben woanders herkommen. Dann sparen die Kliniken am Personal. | |
Gerade private Betreiber von Krankenhäusern suchen nach jeder | |
Stellschraube, um die Gewinne zu erhöhen und das Personal ist ein wichtiger | |
Kostenfaktor. Deshalb gliedert man Bereiche aus oder setzt auf | |
Werkverträge. | |
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) scheint das Problem erkannt | |
zu haben. Er fordert nun Personaluntergrenzen. Problem gelöst? | |
Nein. Wir begrüßen zwar den Vorstoß des Ministers. Denn es ist höchste | |
Zeit, dass der Gesetzgeber aktiv wird. Allerdings spricht der Minister nur | |
von Personalvorgaben für sogenannte pflegesensitive Bereiche wie | |
Nachtdienste und Intensivstation. Wir brauchen aber eine umfassende Lösung | |
für alle Pflegebereiche. Wir fordern ein Sofortprogramm. Eine Pflegekraft | |
sollte nachts nie alleine arbeiten müssen und auch nur eine bestimmte | |
Anzahl von Patienten betreuen. Deshalb muss der Gesetzgeber eine | |
Mindestbesetzung vorschreiben. | |
Nun hat der Minister den Krankenhausbetreibern eingeräumt, bis Mitte 2018 | |
eine gemeinsame Lösung mit den Krankenkassen zu finden. | |
Das zu delegieren finde ich verwunderlich, weil sich die Beteiligten | |
bereits gegen umfassende verbindliche Vorgaben ausgesprochen haben. Wir | |
sehen den Gesetzgeber in der Verantwortung, möglichst schnell klare | |
Regelungen vorzugeben und nicht erst mit Wirkung ab 2019. | |
28 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Jörg Wimalasena | |
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