| # taz.de -- Klinik in Spremberg (Brandenburg): Das Krankenhaus der Mitarbeiter | |
| > Vor 20 Jahren kauften die Mitarbeiter gemeinsam die Klinik Spremberg. | |
| > Heute sind sie zufriedener – und die Patienten auch. | |
| Bild: Krankenpfleger Jörg Liebscher (li.) mag, dass alles entspannter ist | |
| Spremberg taz | Die Sonne meint es am diesem Tag nicht gut mit der „Perle | |
| der Lausitz“. Über Spremberg in Brandenburg hängen graue Wolken, die | |
| Betonfassade des örtlichen Krankenhauses wirkt ausladend. Auf den ersten | |
| Blick ist es ein Krankenhaus wie jedes andere, und doch ist dieses | |
| unscheinbare Spital am östlichen Ende der Republik eine Berühmtheit. Es ist | |
| einzigartig in Deutschland, weil es – zum größten Teil – seinen | |
| Mitarbeitern gehört. 51 Prozent der Betreibergesellschaft sind im Besitz | |
| eines Fördervereins, dessen Mitglieder zu 90 Prozent Mitarbeiter des | |
| Krankenhauses sind. | |
| Am Eingang wartet bereits Kathrin Möbius, die Geschäftsführerin des Hauses. | |
| Auf dem Weg zu ihrem Büro grüßt sie ihre Vorgesetzten: Pfleger, | |
| Kantinenmitarbeiter und Ärzte. 281 der etwa 300 Mitarbeiter sind Mitglieder | |
| des Fördervereins und damit in allen wichtigen Belangen stimmberechtigt. | |
| „Verantwortung an die Basis übertragen“, nennt Möbius das. In ihrem | |
| geräumigen Büro erzählt die 58-Jährige, wie es der Belegschaft vor zwanzig | |
| Jahren gelang, das Krankenhaus zu übernehmen. Die Geschichte beginnt in der | |
| Nachwendezeit, der Osten wird zum Eldorado für Investoren. | |
| Privatisierung ist das Dogma der frühen 90er, und so wird auch das kleine | |
| Krankenhaus in Spremberg 1992 teilprivatisiert. 50 Prozent der Anteile | |
| gehen an zwei Privatinvestoren, zunächst läuft alles gut. Doch die | |
| Investoren machen Schulden und es kommt zu Pfändungen. Die | |
| Betreibergesellschaft des Spitals muss die Anteile der Investoren | |
| einziehen. Es schlägt die Stunde der Mitarbeiter. | |
| ## Übernahme mit Kehrseite | |
| Anstatt ein Engagement des nächsten Anlegers abzuwarten, wollen die | |
| Mitarbeiter mit dem Förderverein 51 Prozent der Anteile und damit das | |
| Krankenhaus übernehmen. In wenigen Monaten steht die Finanzierung. 255 Euro | |
| müssen die Neumitglieder umgerechnet jeweils bezahlen, 158.000 Euro muss | |
| der Verein insgesamt aufbringen. | |
| „Den Privatinvestoren hat man das Krankenhaus damals für einen symbolischen | |
| Euro gegeben“, sagt Möbius spöttisch. Und es gibt einen Haken: Beschlüsse | |
| in der Gesellschaft müssen mit 75-prozentiger Mehrheit gefasst werden. Die | |
| Kommune, die die restlichen Anteile der Gesellschaft hält, hat also ein | |
| faktisches Vetorecht. „Das hätten die keinem privaten Investor in den | |
| Vertrag geschrieben und das hätte auch kein Anleger akzeptiert“, sagt | |
| Möbius. Der Förderverein willigt dennoch ein. | |
| 20 Jahre ist das jetzt her und das Spremberger Modell hat sich gehalten. | |
| Die Mitarbeiter verdienen weniger als in anderen Häusern, dafür ist der | |
| Betreuungsschlüssel höher. Ein Pfleger ist etwa für sechs bis sieben | |
| Patienten zuständig. Im Bundesschnitt sind es laut Verdi 10,3, im | |
| Nachbarland Schweiz gar nur 5,5. Das Spremberger Modell könnte man als | |
| „weniger Stress gegen weniger Geld“ beschreiben. Etwa 100 Euro brutto | |
| verdienen Pflegekräfte nach dem Haustarifvertrag weniger als in anderen | |
| Krankenhäusern. | |
| Krankenpfleger Jörg Liebscher, der auf der Intensivstation gerade einer | |
| Patientin nach einer Hüftoperation Schmerzmittel verabreicht hat, fühlt | |
| sich dennoch wohl. „Hier ist alles ruhiger und entspannter als in größeren | |
| Häusern und der Zugang zur Geschäftsführung ist besser.“ Auch der | |
| Betriebsrat lobt die Mitarbeiterzufriedenheit und der Krankenstand liegt | |
| mit weniger als fünf Prozent unter dem Bundesschnitt der laut AOK 2014 6,1 | |
| Prozent betrug. | |
| ## Hoher Druck von außen | |
| Ein paar Flure weiter teilen sich drei ältere Herren ein Zimmer. Alle haben | |
| eine Hüftoperation hinter sich. „Hier verbringen die Schwestern Zeit mit | |
| ihren Patienten“, schwärmt einer der Männer. „Man kann dann auch mal was | |
| Privates erzählen.“ 98 Prozent der Patienten sind laut einer AOK-Erhebung | |
| mit ihrer Behandlung in Spremberg zufrieden (Bundesschnitt: 82 Prozent). | |
| Das ist der beste Wert unter ostdeutschen Krankenhäusern. | |
| Ausschließlich harmonisch ist das Spremberger Modell dennoch nicht. In der | |
| Vergangenheit lagerte die Geschäftsführung etwa Teilbetriebe, wie die | |
| Krankenhausapotheke oder die Einrichtung zur Physiotherapie aus. Kathrin | |
| Möbius musste für die unpopulären Maßnahmen Lobbyarbeit unter den | |
| Mitarbeitern betreiben – und setzte sich durch. Neben offener Kommunikation | |
| trug auch die Gemeinnützigkeit des Vereins dazu bei, dass sie sich | |
| überzeugen ließen. „Es gibt hier eben niemanden, der sich die Gewinne in | |
| die eigene Tasche steckt“, sagt sie. | |
| Als kleiner Betrieb im ländlichen Raum steht das Spremberger Krankenhaus | |
| aber auch unter besonderem Druck. In Hoyerswerda und Cottbus stehen weit | |
| größere Krankenhäuser. Das Land Brandenburg will komplizierte Behandlungen | |
| auf diese sogenannten Schwerpunkthäuser konzentrieren. | |
| ## Ungewisse Zukunft | |
| Dieser Politik fielen auch Einrichtungen in Spremberg zum Opfer. Seit 2011 | |
| darf das Krankenhaus zum Beispiel keine Knieendoprothetik (künstliche | |
| Kniegelenke) mehr durchführen. Eine halbe Million Euro an jährlichen | |
| Einnahmen brach dadurch weg. „Wenn weitere Leistungen aus unserem Angebot | |
| gestrichen werden, wird’s kritisch“, sagt Möbius. Denn weniger Leistungen, | |
| heißt weniger Patienten. OP-Pfleger und Anästhesisten müssen dennoch | |
| bezahlt werden. Bei einem Haus mit 5.600 stationären Patienten jährlich | |
| kann jede Kürzung die Existenz gefährden. | |
| Ohnehin sei das Spremberger Modell in der Landespolitik nicht unbedingt | |
| beliebt, moniert Möbius. „Anstatt mit einem Träger haben Land und Kommune | |
| es bei uns mit 300 Fördervereinsmitglieder zu tun. Das lässt wenig Raum für | |
| Hinterzimmerabsprachen.“ Alle Versuche das Spremberger Modell in anderen | |
| Häusern zu etablieren, seien von der Landesregierung abgeblockt worden. | |
| Von diesen Konflikten bekommen die Patienten an diesem Nachmittag nichts | |
| mit. Einige von ihnen spazieren durch die Gartenanlage. Nur die dröhnenden | |
| Baugeräusche aus dem Nebenflügel deuten darauf hin, dass im Spremberger | |
| Krankenhaus an der Zukunft gearbeitet wird. Hier soll eine | |
| Schwerpunktpraxis für Krebsbehandlungen entstehen. | |
| 26 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Wimalasena | |
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