# taz.de -- Hindu-Fundamentalismus in Indien: Zehn Jahre Haft für Rindfleischb… | |
> In zwei Bundesstaaten verschärfen radikale Hindus das Schlachtverbot für | |
> Kühe drastisch. Sie fühlen sich vom jüngsten Wahlerfolg ermutigt. | |
Bild: Arbeiter eines geschlossenen Schlachthauses in Lucknow (Uttar Pradesh) | |
DELHI taz | Die „heilige Kuh“ gilt gemeinhin als ausgeleiertes | |
Indien-Klischee. Es hat wenig zu tun mit den Ambitionen der aufstrebenden | |
Wirtschafts- und IT-Macht, als die sich das Land selbst sieht und als | |
dessen Chef-Verkäufer Premierminister Narendra Modi im Ausland gern | |
auftritt. | |
Doch seit seine hindunationalistische Volkspartei (BJP) im März die Wahlen | |
in Indiens größtem Bundesstaat Uttar Pradesh mit einer überraschend | |
komfortablen Mehrheit gewonnen hat, haben die ultrareligiösen Kräfte in | |
seiner Partei Oberwasser – und ziehen massiv gegen das Schlachten von Kühen | |
zu Felde. | |
Die BJP kürte einen religiösen Hardliner, den Mönch Yogi Adityanath, zum | |
Ministerpräsidenten in UP. Er hatte verkündet, er werde nicht eher ruhen, | |
bis er „Indien in einen Hindustaat verwandelt“ habe. | |
Sofort tat Adityanath das, was seine Anhänger von ihm erwartet hatten: Er | |
schloss die Hälfte aller Schlachthäuser in Uttar Pradesh . Dort würden | |
angeblich illegal Kühe getötet. | |
## Gujarat verschärft Rinderschlachtverbot | |
Derart ermutigt, verschärfte am letzten Freitag auch das Parlament in | |
Narendra Modis Heimatstaat Gujarat ein Gesetz gegen das Schlachten von | |
Kühen. Bei Zuwiderhandlung droht nun in dem von der BJP regierten | |
Bundesstaat lebenslänglich Knast. Allein der Besitz von Rindfleisch kann | |
mit zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. | |
Und in Rajasthan griffen am Samstag selbst ernannte Tierschützer eine | |
Gruppe von Muslimen an, die sie verdächtigten, Kühe in ein Schlachthaus zu | |
bringen. Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, starb jetzt eines der | |
muslimischen Opfer. | |
Sollte die BJP auch in anderen Bundesstaaten massiv gegen das Schlachten | |
von Kühen vorgehen, droht der Säkularismus als ein Pfeiler der indischen | |
Demokratie ins Wanken zu geraten. | |
## Trennung von Staat und Religion in Gefahr | |
Die verfassunggebende Versammlung des Landes hatte nach der Unabhängigkeit | |
unter Berufung auf die Trennung von Staat und Religion beschlossen, kein | |
Rindfleischverbot zu verhängen. Dabei hatten Hindunationalisten das schon | |
damals gefordert. | |
Der „Vater der Nation“, Mahatma Gandhi – ein tiefreligiöser Hindu, der d… | |
Schutz von Kühen als einen Grundsatz seines Glauben betrachtete –, schrieb | |
1947: „Wie kann ich jemanden dazu zwingen, keine Kühe zu schlachten, wenn | |
er dies nicht selbst will? Es leben ja nicht nur Hindus in der indischen | |
Union, sondern auch Muslime, Parsen, Christen und andere religiöse | |
Gruppen.“ | |
Besonders hart trifft die neue Politik Muslime, die in Uttar Pradesh rund | |
20 Prozent der Bevölkerung stellen. Nach Auskunft von Sirajuddin Qureshi, | |
Geschäftsführer der Firma Hind Agro Industries in Delhi, beschäftigt | |
Indiens Fleischindustrie 22 Millionen Menschen, davon 15 Millionen in Uttar | |
Pradesh: „Unser Geschäft ist vollkommen legal, wir haben Lizenzen von der | |
Regierung.“ | |
## Büffel- statt Rindfleisch | |
Bis zu 60 Prozent der indischen Fleischexporte kommen aus Uttar Pradesh. | |
Dabei handelt es sich meist gar nicht um Rind-, sondern um Büffelfleisch. | |
Indien ist weltweit der zweitgrößte Exporteur und der fünftgrößte Konsument | |
von Büffelfleisch. | |
Das ficht die Hardliner in der BJP nicht an. Modis Innenminister Rajnaht | |
Singh kündigte an, seine Partei werde mit „aller Macht“ darauf hinarbeiten, | |
dass das Schlachten von Kühen landesweit verboten werde. Sollte die BJP | |
damit durchkommen drohe vor allem in Uttar Pradesh „massive | |
Arbeitslosigkeit“, warnt Qureshi. | |
Premierminister Modi, der 2014 mit dem Versprechen ins Amt kam, Indiens | |
Wirtschaft zu sanieren, hüllt sich dazu in Schweigen. | |
5 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Britta Petersen | |
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