# taz.de -- Debatte Altersvorsorge: Im Rentenwahlkampf | |
> Martin Schulz geißelt die rentenpolitische Enthaltsamkeit der | |
> Bundeskanzlerin. Nur: In seiner Partei sieht es nicht viel besser aus. | |
Bild: Prekäres Dauerthema: Proteste bei einer Demonstration der Gewerkschaften… | |
Mit ihrem Programm zu den Bundestagswahlen haben die SPD und | |
Kanzlerkandidat Martin Schulz beim Parteitag in Dortmund am vergangenen | |
Wochenende auch den Renten-Wahlkampf eingeläutet. Bestätigt wird dabei das | |
bereits bekannte Rentenkonzept mit der doppelten Haltelinie beim | |
derzeitigen Rentenniveau von etwa 48 Prozent, einem Beitragssatz von 22 | |
Prozent und einem steuerlichen Demografiezuschuss. Allerdings gilt dies nur | |
bis 2030, obwohl SPD-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles erst im November | |
mit ihrer Verkündung des weiteren dramatischen Rentenabfalls bis 2045 nicht | |
nur die Partei aufgescheucht hat. | |
Aus der CDU/CSU gibt es bei der Rente wenig Erhellendes. Vielmehr ertönt | |
ein mehrstimmiger Chor, ob ein eigenes Rentenkonzept noch vor den in drei | |
Monaten anstehenden Bundestagswahlen vorgelegt werden soll. | |
Mit besonderer Angriffslust ist Schulz die Bundeskanzlerin ob ihrer | |
rentenpolitischen Enthaltsamkeit angegangen. Bleibt nur zu hoffen, dass | |
seine politische Keule nicht als Bumerang zurückschlägt. Immerhin geht es | |
mit etwa 20 Millionen Rentnern um ein zuverlässiges Wählerpotenzial. | |
## Burgfrieden in der SPD | |
Dabei war die öffentliche Begleitmusik zu den Rentenplänen von Schulz in | |
der SPD zunächst eher vielstimmig. Mit der Verabschiedung des Wahlprogramms | |
auch zur Rente ohne Gegenstimmen sollte zumindest die Befriedung in der | |
Partei erreicht werden. Die kritischen Stimmen wurden geräuschlos | |
niedergebügelt. Dafür soll in einer Arbeitsgruppe mit den betroffenen | |
gesellschaftlichen Gruppen geprüft werden, ob das Rentenniveau nach 2030 | |
angehoben werden kann. Ob die häufige Wiederholung von Schulz, keine | |
weitere Erhöhung des Rentenalters zuzulassen, die Kritik an der von der SPD | |
selbst eingeführten Rente mit 67 abwenden kann, wird sich zeigen. | |
Abzuwarten bleibt ebenso, ob der Renten-Burgfrieden innerhalb der SPD | |
anhält. | |
So notwendig es ist, den freien Fall des Rentenniveaus seit der | |
Riester-Reform 2001 anzuhalten, so lässt sich hierdurch keinesfalls das | |
propagierte Ziel für ein „angemessenes Leben im Alter“ ermöglichen. Dies | |
ist mit einer ausgezahlten Monatsrente von im Schnitt knapp über 1.100 Euro | |
für Männer und 650 Euro für Frauen nicht möglich. | |
Es ist daher für die Herstellung sozialer Gerechtigkeit auch im Alter | |
unabdingbar, die massive Absenkung des Rentenniveaus rückgängig zu machen | |
und die Riester-Treppe wieder nach oben zu gehen. Vor allem müssen | |
Arbeitgeber ihren hälftigen Anteil an den erforderlichen Beiträgen leisten. | |
Zu erhöhen ist auch der Steuerzuschuss, zumindest für die Mütterrente sowie | |
die 63er-Regelung von etwa 10 Milliarden Euro im Jahr. Die derzeitige | |
Finanzierung zulasten der Beitragszahler ist nicht nur sozial ungerecht, | |
sondern gefährdet Vertrauen und damit die Zukunft der gesetzlichen | |
Rentenversicherung. | |
Kernpunkt der Riester-Reform unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder war ja die | |
Entlastung der Arbeitgeber durch Deckelung der paritätischen Beiträge. Die | |
Sicherung des Lebensstandards im Alter gibt es danach nur noch mit dem | |
Mehrsäulenmodell aus gesetzlicher Rente und zusätzlicher kapitalgedeckter | |
Alterssicherung zulasten der Arbeitnehmer. Erforderlich ist mithin die | |
Rückkehr zur Absicherung des Lebensstandards durch die gesetzliche | |
Rentenversicherung. | |
Dass dies auch bei der demografisch bedingten Zunahme des Anteils der | |
Rentner pro Beitragszahler möglich ist, ohne die Wirtschaft und die jüngere | |
Generation zu überfordern, zeigen andere vergleichbare Länder, allen voran | |
das Nachbarland Österreich. Dies gilt auch unter Abstrichen wegen der | |
besonderen Belastungen in Deutschland durch die Renteneinheit zwischen West | |
und Ost sowie die besonders niedrige Geburtenrate. In Österreich sind die | |
durchschnittlichen Rentenleistungen für Männer und Frauen im Schnitt um | |
mehr als 40 Prozent höher als in der Bundesrepublik, werden für 14 Monate | |
gezahlt, und es gilt nach wie vor die Rente mit 65. Finanziert wird dies | |
durch einen Beitrag von 22,8 Prozent mit einem höheren Anteil der | |
Arbeitgeber sowie einem erheblichen Steuerzuschuss. Zudem sind alle | |
Erwerbstätigen in die solidarische Rentenversicherung einbezogen, was auch | |
in Deutschland längst überfällig ist. | |
## Revision der Riester-Reform | |
Wie inzwischen selbst amtliche Berichte feststellen, ist die Riester-Reform | |
gescheitert. Der weit überwiegende Teil der Alterssicherung erfolgt nach | |
wie vor über die gesetzliche Alterssicherung, allerdings mit den inzwischen | |
erfolgten ungerechten „Riester-Kürzungen“, entsprechenden | |
Kaufkraftverlusten der Renten und drohender dramatischer Altersarmut. Nur | |
ein Teil der Betroffenen hat überhaupt eine Riester-Rente abgeschlossen; | |
ihr Zugang stagniert seit Jahren und viele „Riester-Rentner“ haben die | |
Zahlung der Beiträge längst eingestellt. Am geringsten beteiligt beim | |
„Riestern“ sind die Bezieher niedriger Renten, die eine derartige | |
zusätzliche Alterssicherung am dringendsten nötig hätten, sich diese aber | |
am wenigsten leisten können. Zudem werden die Riester-Renten auf die | |
Grundsicherung im Alter angerechnet. | |
Auch ist die Entwicklung auf den Kapitalmärkten seit Jahren eher | |
abschreckend. Dass die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung | |
inzwischen die der kapitalgedeckten Systeme deutlich überschreitet und | |
zudem die Verwaltungskosten erheblich niedriger sind, wird zumeist | |
schamhaft verschwiegen. Die Wiederherstellung der solidarischen Altersrente | |
wäre bei Weitem gerechter als die gerade noch wenige Monate vor den | |
Bundestagswahlen von Bundesarbeitsministerin Nahles eingebrachte und von | |
der Großen Koalition beschlossene Stärkung der Betriebsrenten für mittlere | |
und kleine Betriebe sowie „Riester Plus“ mit weiteren steuerlichen | |
Subventionen. | |
Zu einer gerechten Rente gehören weitere Verbesserungen, insbesondere bei | |
Erwerbsminderung und Altersarmut. Für eine armutsfeste Rente muss der | |
gesetzliche Mindestlohn erheblich angehoben werden. Zudem hat | |
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz den politischen Härtetest auch bei der | |
bereits propagierten Revision der Hartz- und Agenda-Politik noch zu | |
bestehen. | |
1 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Ursula Engelen-Kefer | |
## TAGS | |
Kanzlerkandidatur | |
Mindestlohn | |
SPD | |
Rentenpolitik | |
Altersarmut | |
Hubertus Heil | |
Mütterrente | |
Altersarmut | |
Rentenversicherung | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Schwerpunkt Armut | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Altersarmut | |
Rente | |
Grüne | |
Martin Schulz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Arbeitsminister legt Gesetzesentwurf vor: Heils Rentenpakt | |
Das Versprechen: Stabile Renten und Beiträge, mehr Geld für ältere Mütter | |
mit mindestens drei Kindern, Erwerbsunfähige und Kleinverdiener. | |
Diskriminierung bei der Mütterrente: Mütter zweiter Klasse | |
In Osnabrück wehren sich Adoptivmütter dagegen, dass sie keine Mütterrente | |
bekommen. Ihre Kinder waren schon zu alt, als sie in die Familien kamen. | |
Altersarmut in Deutschland: Mehr Rentner stehen bei Tafeln an | |
Immer mehr Senioren müssen sich bei den Tafeln mit Essen versorgen. Laut | |
Dachverband hat sich die Zahl bedürftiger älterer Menschen innerhalb von | |
zehn Jahren verdoppelt. | |
Sozialgericht zur Rentenversicherung: Kein Beitragsrabatt für Eltern | |
Gleiche Rentenbeiträge für Eltern und Kinderlose sind rechtens. Zu diesem | |
Urteil kam nun das Bundessozialgericht. | |
Schulz legt „Zukunftsplan“ der SPD vor: Mit zehn Punkten gegen Merkel | |
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz stellt einen weiteren Plan vor. Er | |
verspricht Geld für Bildung, Infrastruktur und einen Staat, „der online | |
geht“. | |
Debatte Altersarmut unter Frauen: Altersversorgung Ehemann | |
2030 werden Rentnerinnen oft weniger als als 1.000 Euro im Monat bekommen. | |
Gegen Altersarmut hilft Heiraten mehr als das Rentensystem. | |
Debatte Schulz ohne Chance: Die Rakete ist nur ein Kracher | |
Für Martin Schulz ist Gerechtigkeit Kalkül – an der Verachtung Arbeitsloser | |
und Armer will er nichts ändern. Was für eine Enttäuschung! | |
Kommentar Altersarmut: Manche haben noch weniger | |
Hauptsächlich alleinstehende Frauen sind im Rentenalter armutsgefährdet. | |
Mit einer günstigen Miete und einem Zuverdienst lässt sich das aushalten. | |
SPD legt Rentenkonzept vor: Schulz will vor Altersarmut schützen | |
Der SPD-Kanzlerkandidat plant, mit Steuergeldern ein Absinken des | |
Rentenniveaus zu verhindern. Das Rentenalter will er nicht anheben. | |
Wahlkampfthema Rente: Die Opposition hat da Ideen | |
Linke und Grüne bringen Vorschläge für Mindestrenten in den Bundestag ein. | |
Umgesetzt werden sie aber in dieser Legislaturperiode nicht. | |
Debatte Martin Schulz und Hartz IV: Wie sozial ist er? | |
Kanzlerkandidat Schulz will Teile der Agenda 2010 zurücknehmen. | |
Entscheidend wird, ob ihm ein Kurswechsel gelingt. |