# taz.de -- Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Verlogen und verkorkst | |
> Nicht nur Polen, Ungarn und Tschechien gehören bestraft. Geflüchtete | |
> lassen sich nicht umverteilen wie Bananen und Staubsauger. | |
Bild: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Mai | |
Keine Frage: Wer nicht solidarisch ist, muss bestraft werden. Deshalb ist | |
es richtig, [1][dass die EU-Kommission gegen Ungarn, Polen und Tschechien | |
vorgeht – weil sie sich immer noch weigern, Flüchtlinge aufzunehmen]. | |
EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hat Recht: In der Europäischen | |
Union geht es nicht nur darum, Fördergelder abzukassieren. Es geht auch | |
darum, einander zu helfen und Lasten zu teilen. Das tun diese drei Länder | |
nicht. | |
Allerdings kommt das so genannte Vertragsverletzungsverfahren reichlich | |
spät. Schließlich war die Umverteilung von zunächst 120.000 Asylbewerbern | |
schon im September 2015 beschlossen worden. Fast zwei Jahre lang legte die | |
Kommission die Hände in den Schoß. Gegen die schändlichen Mauern, Zäune und | |
Auffanglager an der ungarischen Grenze hat sie bis heute nichts | |
unternommen. | |
Abschottung sofort, Umverteilung später, heißt die Devise in Brüssel. Dabei | |
weiß natürlich auch Avramopoulos, dass Ungarn, Polen und Tschechien nur die | |
Abschottung wollen – und dass sie dabei nicht allein sind. Auch Kanzlerin | |
Angela Merkel hat die „Sicherung der Außengrenzen“ zur Priorität erhoben, | |
auch sie baut die Festung Europa immer weiter aus. Streng genommen müsste | |
Brüssel deshalb nicht nur die Osteuropäer strafen. | |
Denn die EU-Kommission hat, Hand in Hand mit Merkel, die europäische | |
Flüchtlingspolitik gegen die Wand gefahren. Der Neustart, der auf dem | |
Höhepunkt der Krise 2015 versprochen wurde, ist gescheitert. Auch die | |
Instrumente, die damals konzipiert wurden, haben sich als untauglich | |
erweisen. So waren die Quoten von vornherein keine gute Idee. Denn | |
Flüchtlinge lassen sich nicht „umverteilen“ wie Bananen und Staubsauger. | |
Sie wollten und wollen nicht auf dem Balkan bleiben, sie wollten und wollen | |
nicht nach Osteuropa oder ins Baltikum. Ihr Ziel war und ist vor allem | |
Deutschland, das 2015 zusammen mit Schweden wie ein Magnet wirkte. Dass | |
Deutschland dann auch noch die Grenzen aufmachte, hat die Attraktivität | |
weiter verstärkt. Da dies im Alleingang geschah, hätte die EU-Kommission | |
schon damals protestieren müssen. Hat sie aber nicht, im Gegenteil: | |
Kommissionschef Jean-Claude Juncker pries Merkel als leuchtendes Beispiel | |
an. | |
Dabei hat Deutschland an der gemeinsam beschlossenen Umverteilung auch nie | |
wirklich teilgenommen. Auch Großbritannien und Dänemark haben nicht | |
mitgemacht. Frankreich und Benelux duckten sich ebenfalls weg. | |
Die gesamte Umverteilungspolitik war von Anfang an verkorkst. Strafen | |
machen sie nicht besser. Besser wäre es gewesen, legale Fluchtwege zu | |
schaffen, mit offiziellen, von den EU-Ländern bewilligten Kontingenten. | |
Doch das hat man nicht gemacht. Bis heute gibt es keine legalen Fluchtwege | |
in die EU. Bis heute sind die Routen von Griechenland und Italien nach | |
Mitteleuropa dicht. Auch das ist ein Skandal. | |
14 Jun 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Verteilung-von-Fluechtlingen-in-der-EU/!5420691 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
EU-Flüchtlingspolitik | |
Dublin-System | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Jean-Claude Juncker | |
Dänemark | |
Serbien | |
Schwerpunkt Flucht | |
Polen | |
Dänemark | |
Flüchtlinge | |
Schwerpunkt Flucht | |
Griechenland | |
Religion | |
Italien | |
migControl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dänemarks Reformpläne im Europarat: Kampagne gegen Menschenrechte | |
Das Land übernimmt den Vorsitz des Europarats. Es will die | |
Menschenrechtskonvention aufweichen, um sich gegen Flüchtlinge | |
abzuschotten. | |
taz-Serie Fluchtpunkt Berlin: das Ende: Macht’s gut! | |
Zwei Jahre lang hat die taz zwei Flüchtlingsfamilien in Berlin begleitet. | |
Ein persönlicher Rückblick auf zwei Jahre Flüchtlingskrise – und ein | |
Abschied. | |
EU-Treffen zur Flüchtlingspolitik: Symbolische Hilfe für Italien | |
Mit mehr Geld und ein paar Hundert umgesiedelten Flüchtlingen will | |
Deutschland Italien unterstützen. Dass das zu wenig ist, weiß selbst die | |
Bundesregierung. | |
Kommentar Szydlos Auschwitz-Rede: „Nie wieder“ instrumentalisiert | |
Polens Premierministerin hält eine Skandalrede in Auschwitz. Sie stellt | |
Kriegsflüchtlinge in eine Reihe mit neuen Nazis. | |
Bettelverbot in Dänemark: Zwei Wochen Haft ohne Bewährung | |
Das Gesetz trifft besonders die in Armut lebenden Roma. Von | |
Rechtspopulisten bis Sozialdemokraten stimmten alle Parteien im Parlament | |
dafür. | |
Verteilung von Flüchtlingen in der EU: Brüssel geht gegen Verweigerer vor | |
Polen, Ungarn und Tschechien weigern sich, den EU-Hauptankunftsländern | |
Flüchtlinge abzunehmen. Brüssel eröffnet nun Verfahren gegen die drei | |
Staaten. | |
Aus Le Monde diplomatique: Für ein Dach über dem Kopf | |
Die Verflechtung von Kommerz und humanitärer Hilfe wird immer enger. An | |
Geflüchteten verdienen die Logistik- und Möbelindustrien glänzend. | |
Anspruch auf Familienzusammenführung: Bundesregierung hält Syrer hin | |
Ein Brief des griechischen an den deutschen Innenminister offenbart: | |
Deutschland trickst und stiftet Griechenland zum Lügen an. | |
Evangelischer Kirchentag in Berlin: „Alle müssen gleich behandelt werden“ | |
Christen machen die Unterscheidung in bleibeberechtigte und | |
nicht-berechtigte Flüchtlinge nicht mit, sagt Pfarrer Bernhard Fricke aus | |
Potsdam. | |
Einsätze vor der libyschen Küste: Helfer vor Italiens Behörden | |
Ein Staatsanwalt wirft Seenotrettern vor, Helfershelfer von Schleppern zu | |
sein. Die Gruppen müssen sich einer Anhörung im Parlament stellen. | |
EU-Gelder für afrikanische Staaten: Flüchtlinge aufhalten, um jeden Preis | |
Milliarden fließen nach Afrika, wenn dafür keine Menschen nach Europa | |
kommen. Aber wie viel bezahlt die EU für den Grenzschutz-Service? |