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# taz.de -- Evangelischer Kirchentag in Berlin: „Alle müssen gleich behandel…
> Christen machen die Unterscheidung in bleibeberechtigte und
> nicht-berechtigte Flüchtlinge nicht mit, sagt Pfarrer Bernhard Fricke aus
> Potsdam.
Bild: Vorbereitungen für den evangelischen Kirchentag an der Straße des 17. J…
taz: Herr Fricke, Sie moderieren auf dem Kirchentag eine Veranstaltung zu
Kirchenasyl. Welche Rolle spielt das Thema Flüchtlinge beim Kirchentag?
Bernhard Fricke: Eine sehr wichtige, denke ich. Es gibt ja nicht nur eine
Podienreihe dazu, es wurde auch der „Begegnungsort Willkommenskultur“ ins
Programm genommen.
Was passiert da?
Es gibt Stände von Initiativen, die alle im Bereich Willkommenskultur
unterwegs sind und ihre Projekte vorstellen. Manche Gruppen bringen auch
Geflüchtete mit. Dann wird es ein Café geben, wo Begegnungen möglich sind,
auch mit Geflüchteten. Es werden Syrer da sein, Iraner, die Auskunft geben
werden über ihre Lebenswirklichkeit, vielleicht auch über ihre
Fluchtgeschichte. Dann gibt es einen Parcour, auf dem das Ankommen in
Deutschland erlebbar gemacht wird. Das ist ein Experiment, wir wissen
nicht, wie das klappen wird. In der Mitte des Parcours wird es eine Oase
geben mit einem Brunnen. Der Kirchentag hat ja das Motto „Du siehst mich“,
das kommt von der biblischen Person Hagar – und deshalb heißt dieser
Brunnen „Hagars Brunnen“.
Wer war Hagar?
Sie war die zweite Frau von Abraham, musste für Sarah das Kind gebären.
Hagar trifft am Brunnen einen Engel, und der sagt ihr zum einen was ganz
blödes: „Geh zurück in die Demütigung“. Er sagt aber auch: „Dein Kind …
eine große Nachkommenschaft haben.“ Und dieses Kind, Ismael, ist ja der
Stammvater der Muslime. Der Brunnen in der Oase soll also auch ein Ort für
den interreligiösen Dialog sein.
Seit dem „Sommer der Willkommenskultur“ 2015 engagieren sich tausende
Menschen in Deutschland für Flüchtlinge. Finden Sie, dass sich Christen
dabei besonders hervortun?
Ich kann das nicht bestätigen, kann aber auch nur aus der Potsdamer
Perspektive sprechen. Bei uns gibt zwar viele Christen, die mitmachen –
aber auch sehr viele nicht-religiöse Menschen.
Manche sagen ja, als Christ müsste man für offene Grenzen für alle sein.
Das sehen aber viele anders, vorneweg die christliche Partei Bayerns, die
eine Obergrenze fordert. Was sagen Sie: Wie muss man als Christ zu dieser
Frage stehen?
Wenn man einen fundamentalistischen christlichen Ansatz hätte, müsste man
in der Tat sagen: „Grenzen auf, alle Menschen sind gleich und können sich
überall niederlassen. Menschenrechte gelten universell!“ Das ist auch meine
Herzenshaltung. Gleichzeitig muss man, wenn man politisch aktiv sein und
konkrete Veränderungen erzielen will, ein Stück realistisch sein. Da gibt
es gesellschaftliche Rahmenbedingungen, und die sehen im Moment anders aus.
Das bedeutet, wir können im Moment in der Willkommenskultur nur dies tun:
den Flüchtlingsschutz Ernst nehmen.
Das heißt?
Im Moment reden ja viele Leute über Integration, vor allem in den
Arbeitsmarkt. Aber darüber, sagen wir als Christen, darf der Schutz der
Flüchtlinge nicht verloren gehen. Das ist auch die Brücke zum Kirchenasyl.
Wir machen diese Unterscheidung in bleibeberechtigte Flüchtlinge und
nicht-bleibeberechtigte nicht mit!
Sie meinen die Tatsache, dass Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive mehr
Rechte haben?
Genau. Wir sagen, alle müssen gleich behandelt werden, gleiche
Möglichkeiten haben von Anfang an, etwa bei Sprachkursen,
Wohnungsanmietung, Arbeit. Und wenn es im Härte- und Einzelfall ersichtlich
ist, dass den Menschen eine Gefahr droht, wenn sie abgeschoben werden,
müssen wir sie schützen.
Damit sind wir beim Kirchenasyl.
Ja. Vorher aber nochmal ganz grundsätzlich: Willkommenskultur ist was sehr
schönes. Aber sie muss zwei Dinge berücksichtigen: Dass sie nun langsam zur
Integrationskultur werden muss – und die betrifft nicht nur die
Geflüchteten, sondern auch die deutsche Gesellschaft. Der andere Aspekt:
Willkommenskultur darf nicht den Flüchtlingsschutz vergessen, auch nicht
von Menschen aus Afghanistan oder Tschetschenien, die nach Polen
zurückgeschoben werden.
Das sieht die Politik oft anders. In Bayern geht die Justiz immer wieder
gegen Geistliche vor, die Kirchenaysl gewähren, in Rheinland-Pfalz wurde
vor wenigen Tagen ein Asyl polizeilich geräumt. Kennen Sie solche Probleme
aus der Region Berlin-Brandenburg?
Zum Glück nicht. Wir haben den Eindruck, dass die Ausländerbehörden das
Kirchenasyl respektieren. Dabei hilft aber auch, dass wir immer wieder mit
den Zuständigen im Gespräch sind, sowohl in Berlin mit dem Senat, als auch
in Brandenburg mit der Innenbehörde.
Sie erklären denen, was das für Fälle im Einzelnen sind?
Genau, wir müssen im Einzelfall gut begründen, warum hier die
Kirchengemeinde einen Schutz ausspricht. Letztlich machen wir ja nichts
anderes als die Behörden darum zu bitten, den Fall wie wir als Härtefall zu
sehen und die Verantwortung zu übernehmen.
Wie oft klappt das?
Es klappt, aber statistisch kann ich dazu nichts sagen.
Wie hat sich das Kirchenasyl hier in der Region entwickelt, was für Fälle
sind es heute?
Die meisten sind heute Dublin-III-Fälle, also Geflüchtete, die in ein
anderes EU-Land zurückgeschoben werden sollen, weil dies formal für sie
zuständig ist. Die Hauptherkunftsländer sind weiterhin Syrien, Afghanistan,
Eritrea und sie sollen etwa nach Kroatien, Ungarn oder Italien abgeschoben
werden. Man muss dann genau gucken, was die Leute dort erlebt haben, in
welchem gesundheitlichen Zustand, physisch und psychisch, sie sind, ob sie
vor Ort behandelt werden können. Das sind immer Abwägungen im Einzelfall.
Es gibt also Fälle, wo jemand Kirchenasyl erbittet und Sie nein sagen?
Das müssen wir leider zum Teil machen, weil gar wir nicht so viele
Gemeinden haben wie Menschen, die um Kirchenasyl bitten. Das ist sehr
schwer, aber wir müssen manchmal Menschen sagen, dass wir bei ihnen keinen
Härtefall sehen und es vielleicht andere Möglichkeiten für sie gibt.
In Berlin gibt es zur Zeit 23 Kirchenasyle, in Brandenburg 38. Wie oft pro
Jahr kommt es vor, dass sie jemanden ablehnen?
So etwa jeder dritte Fall. Aber wir sagen nicht nur „nein“, wir suchen dann
nach Alternativen, gucken, ob es andere Möglichkeiten gibt, eine ärztliche
Behandlung vielleicht oder eine Klage. Kirchenasyl ist die allerletzte
Möglichkeit eine Abschiebung zu verhindern.
Gibt es eigentlich auch Moschee-Asyl?
Nein. Das liegt auch daran, dass die Kirchen von ihrer Verfasstheit als
öffentlich-rechtliche Institutionen einen Status haben, wo sie mit den
Behörden anders in Kontakt treten können. Rein theoretisch wäre das aber
möglich. Wir berufen uns ja alle darauf, dass es Asylorte gibt. Die
mittelalterliche Tradition ist eben, Asyl an heiligen Orten zu geben – und
auch eine Moschee, eine Synagoge ist ein heiliger Ort.
23 May 2017
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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Religion
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