# taz.de -- Christen gegen Kirchasyl für Flüchtlinge: CDU setzt Kirchen unter… | |
> Unionspolitiker wollen das Kirchenasyl für Flüchtlinge einschränken. | |
> Begründung: Die Kirchen weiteten das Asyl immer mehr aus und | |
> missbrauchten es. | |
Bild: Lampedusa-Flüchtlinge 2013 in der St. Pauli-Kirche | |
HAMBURG taz | Der Kieler Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) legt die | |
Axt an den Schutzraum Kirche und provoziert damit einen Koalitionsstreit. | |
Weil die Zahl der Fälle von Kirchenasyl in Schleswig-Holstein rapide | |
zunimmt, kritisierte Grote die Kirchen und setzte das Thema auf die | |
Tagesordnung der am Donnerstag in Leipzig stattfindenden | |
Innenministerkonferenz. Dort steht es nun weit oben auf der Liste – als | |
viertes von 39 zu behandelnden Themen. | |
„Um die gesellschaftliche Akzeptanz für das einmalige Verfahren des | |
Kirchenasyls zu erhalten, haben sich die Kirchen mit dem Bundesamt für | |
Migration und Flüchtlinge auf einen besonders sensiblen Umgang mit diesem | |
Instrument verständigt“, sagte Grote am Wochenanfang: „Die derzeitige | |
Praxis aber erweckt den Eindruck, dass dies nicht von allen Gemeinden | |
verinnerlicht wurde.“ | |
In der Tat suchen immer mehr abgelehnte Flüchtlinge Schutz vor Abschiebung | |
bei den Kirchen. Nach Informationen der Deutschen Presseagentur stieg die | |
Zahl der Kirchenasyle von 14 im Jahr 2014 auf 66 im Jahr 2016 und sogar 103 | |
Fälle im laufenden Jahr. Gut ein Drittel davon sind sogenannte | |
„Dublin-Fälle“ von Asylbewerbern, die über ein anderes Land in die EU | |
eingereist sind und nach derzeitiger Rechtslage auch dort ihren Asylantrag | |
stellen müssen. | |
„In diesen Fällen sollen die Menschen zurück in die Obhut desjenigen | |
Mitgliedsstaates gegeben werden, in dem sie erstmals die Europäische | |
Gemeinschaft betreten haben“, fordert Grote. „Eine anstehende Überstellung | |
kann keinen Anlass für ein Kirchenasyl bieten.“ Grote kann darauf | |
verweisen, dass die Kirchen traditionell Flüchtlingen Asyl gewährt haben, | |
denen nach ihrer Auffassung durch Abschiebung Gefahr für Leib und Leben | |
drohte. Darum aber gehe es bei den Dublin-Fällen eben gerade nicht, so | |
Grote. | |
## „Schutz vor staatlichen Zugriff missbraucht“ | |
Grote steht mit dieser Haltung nicht allein. In fast allen Bundesländern | |
sind in den vergangen Jahren die Fälle von Kirchenasyl stark angestiegen. | |
Bundesweit registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) | |
in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres bundesweit 1.126 | |
Kirchenasyle. Im vergangenen Jahr waren es zwischen Mai und Dezember 630 | |
Fälle. | |
So springt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, | |
Günter Krings, Grote bei. „Das Kirchenasyl hebelt europäische | |
rechtsstaatliche Verfahren zunehmend aus“, klagt er. „In den vergangenen | |
Jahren ist der Schutz vor staatlichem Zugriff durch viele Kirchen | |
missbraucht worden.“ | |
Die CDU-Offensive gegen das Kirchenasyl stößt auf heftigen Widerstand – bei | |
den Kirchen. Dietlind Jochims, die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche | |
und Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der | |
Kirche“ (BAG), betont, keine Kirchengemeinde treffe eine Entscheidung für | |
ein Kirchenasyl leichtfertig. | |
## „Kirchenasyl unter großem Druck“ | |
Sie spricht von Einzelfällen; derzeit seien es 25 in Schleswig-Holstein. | |
„Wir sehen das Kirchenasyl unter großem Druck“, sagt Jochims. In | |
Einzelfällen komme es bereits zu Strafanzeigen oder angedrohten Räumungen. | |
Das Klima für Kirchenasyle sei derzeit rau: „Politisch nehmen die Stimmen | |
zu, die sagen: Für Kirchenasyl gibt es im Rechtsstaat keinen Platz.“ | |
Jochims rechtfertigt die gestiegene Zahl der Kirchenasyle mit der | |
„restriktiver werdenden Asylpolitik“ und „eklatanten Mängeln“ im Umgan… | |
Flüchtlingen. Zu Unrecht werde der Kirche Missbrauch des Asylrechts | |
vorgeworfen, schrieb sie an die Innenministerkonferenz. Dass sie über das | |
Thema Kirchenasyl sprechen wollen, hält die Flüchtlingsbeauftragte bei der | |
derzeitigen Stimmungslage für „kein gutes Zeichen“. | |
„Die Zahl der Kirchenasyl-Fälle hat sich proportional zu den Ankunftszahlen | |
entwickelt, deshalb ist die Steigerung der Fälle nicht verwunderlich“, | |
erklärt Jochims’Amtsvorgängerin, die Preetzer Pastorin Fanny Dethloff. | |
5 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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