# taz.de -- Hilfsprogramme für Afrika: Ein Kontinent wird neu entdeckt | |
> Die deutsche Regierung verkündet den „Compact mit Afrika“, den | |
> „Marshallplan mit Afrika“ und die „Initiative Pro! Afrika“. Was ist d… | |
Bild: Tunesische Arbeiterinnen fertigen Kabelbäume für Autos | |
KAMPALA/BERLIN taz | 2017 hat die Bundesregierung zum „Afrikajahr“ | |
ausgerufen. Gleichzeitig hält sie den Vorsitz in der Gruppe der 20 (G 20) | |
Staaten und Regionen. Ihr großes Ziel: „Verantwortung übernehmen – | |
besonders für Afrika“, so heißt es im deutschen | |
G-20-Präsidentschaftsprogramm. | |
Wie das geschehen soll, haben gleich drei Bundesministerien mit je einem | |
eigenen Konzept erklärt. Dabei stehen fast immer Investitionen deutscher | |
Firmen vor Ort im Mittelpunkt. | |
Am weitesten gediehen ist ein Wirtschaftsförderungsprogramm aus dem Hause | |
von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): der „Compact mit Afrika“. | |
Zu seinem Start hat Schäuble für Montag und Dienstag zur | |
„G-20-Afrika-Partnerschaftskonferenz“ in das Gasometer in Berlin geladen. | |
Erwartet werden dazu afrikanische Präsidenten und Finanzminister, Vertreter | |
der Weltbank, die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Christine | |
Lagarde, und Geschäftsleute. | |
Die Teilnehmer sollen, so verkündet das Bundesfinanzministerium, eine | |
„Investitionspartnerschaft auf Augenhöhe“ vereinbaren. Anders als bei | |
anderen Afrika-Programmen geht es weniger darum, Hilfsgelder zu verteilen. | |
Stattdessen sollen G 20, Weltbank, IWF und die Afrikanische | |
Entwicklungsbank dafür sorgen, dass wirtschaftsfreundliche Reformen | |
eingeleitet werden. | |
Ganz Afrika soll eingeladen gewesen sein, bei dem Programm mitzumachen. | |
Fünf Staaten sind bereits dabei: die Elfenbeinküste, Marokko, Ruanda, | |
Senegal und Tunesien. Ghana und Äthiopien stoßen demnächst dazu. | |
## Bessere Bedingungen für Investoren | |
Die afrikanischen Regierungen, die teilnehmen wollen, müssen zuvor unter | |
anderem mit Vertretern des IWF darüber verhandeln, welche Hürden sie im | |
eigenen Land abbauen wollen, um bessere Bedingungen für Investoren zu | |
schaffen. | |
Beim G-20-Finanzministertreffen in Baden-Baden im März dieses Jahres wurden | |
länderspezifische Schwerpunkte der „Compacts“ bestimmt – wie zum Beispiel | |
der Energiesektor, die Landwirtschaft, der Tourismus sowie | |
staatlich-private Partnerschaften in der Infrastruktur. Dafür werden nun | |
Anleger gesucht, auch schon auf der Konferenz in Berlin. „Sie können Ihren | |
Investoren sagen: Wir sind bereit“, sagte Ruandas Finanzminister Claver | |
Gatete. | |
„Wenn die Welt stabiler werden soll, müssen wir das Gefälle zwischen den | |
Reichsten und den Ärmsten verringern“, sagte Schäuble im Vorfeld des | |
Baden-Badener Gipfels. Das Flüchtlingsproblem lasse sich nur bewältigen, | |
wenn den Menschen in ihren Heimatländern ein menschenwürdiges Leben geboten | |
werde – und dazu bedürfe es einer funktionierenden Wirtschaft. Schäuble | |
verwies darauf, dass derzeit international viel Kapital vorhanden sei, das | |
Anlagemöglichkeiten suche. | |
Wie nützlich ist dieses Wirtschaftsförderungsprogramm? Das ist umstritten: | |
Vor allem die Anleger aus Industrienationen dürften davon profitieren, | |
kritisiert etwa die Initiative [1][erlassjahr.de], ein Bündnis aus | |
zahlreichen entwicklungspolitischen und kirchlichen Gruppen in Deutschland. | |
Die Sorge der Kritiker: Bei den Kapitalflüssen aus G-20-Ländern in die | |
afrikanischen Staaten handele es sich nicht nur um Direktinvestitionen. | |
Und statt zinsgünstiger Kredite mit langen Laufzeiten von mehr als 50 | |
Jahren, wie sie in der Entwicklungshilfe üblich sind, sollen Kredite zu | |
Marktkonditionen vergeben werden, mit kurzen Laufzeiten und Zinssätzen | |
zwischen 5 und 15 Prozent. Für die Empfängerländer könnte das „steigende | |
Schulden und im Extremfall Staatspleiten“ bedeuten, warnt Jürgen Kaiser von | |
erlassjahr.de. Sein Fazit: „Beim Compact mit Africa geht es vor allem | |
darum, lukrative Anlagemöglichkeiten für westliche Pensionsfonds zu | |
erschließen.“ Das sei notwendig, da in den reichen Ländern momentan so gut | |
wie keine Zinsen zu erzielen sind. | |
## Sensibel fürs Potenzial | |
Das zweite Programm der deutschen Regierung kommt aus dem Haus von | |
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) unter der Überschrift: | |
„Marshallplan mit Afrika“. Im Mittelpunkt stehen Konzepte zum Kampf gegen | |
die Armut und für den Klimaschutz, aber auch die Förderung von Wirtschaft, | |
Handel und neuen Jobs. Einen „Zukunftspakt für Afrikas Jugend“ nennt Müll… | |
den Plan. Über 20 Millionen Arbeitsplätze seien pro Jahr auf dem Kontinent | |
notwendig – auch zur „Fluchtursachenbekämpfung“. | |
Der ohne eigenen Etat angelegte Marshallplan soll einen Neustart der | |
deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika markieren. Dabei wird das | |
bisherige Programm aber weitgehend beibehalten, es spielt bei den | |
G-20-Verhandlungen jetzt keine Rolle. | |
Bislang kaum beachtet ist die 100 Millionen Euro schwere Initiative Pro! | |
Afrika, die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) auf dem | |
Deutsch-Afrikanischen Business-Gipfel im Februar in Nairobi vorgestellt | |
hat. Afrika sei ein „Markt, der gerade erst dabei ist, sein volles | |
Potenzial zu entfalten“, sagte Zypries. Die deutschen | |
Wirtschaftsbeziehungen nannte sie „ausbaufähig“. Das Handelsvolumen mit | |
Subsahara-Afrika beträgt 26 Milliarden Euro – etwa so viel wie mit der | |
Slowakischen Republik. | |
Zypries will deshalb den Eintritt deutscher Unternehmen in die alternativen | |
Energiemärkte Afrikas fördern, ebenso Afrika-Reisen der deutschen | |
Auslandshandelskammer. Duale Ausbildungsprogramme sollen afrikanische | |
Jugendliche an deutschen Hightech-Maschinen trainieren, um sie als | |
Arbeitskräfte für deutsche Unternehmen zu qualifizieren. | |
Auch im afrikanischen Gesundheitssektor, bislang eher ein Fall für die | |
Entwicklungshilfe, sollen deutsche Privatunternehmen mitmischen: Sie sollen | |
für die Marktpotenziale „sensibilisiert“ werden. Afrikanische Mediziner an | |
lokalen Hochschulen sollen „an deutsche Produkte und Dienstleistungen | |
herangeführt werden“, so Zypries. | |
12 Jun 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://erlassjahr.de/ | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
Christian Jakob | |
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