# taz.de -- Hauptdarsteller über TV-Serie „4 Blocks“: „Ich bin so ein de… | |
> Die Serie „4 Blocks“ ist auch ein Sozialdrama über die Folgen der | |
> Ghettoisierung in Bezirken wie Neukölln, sagt Kida Ramadan. | |
Bild: Der deutsche Spießer als arabischer Clanchef: Kida Ramadan (sitzend, Mit… | |
taz: Herr Ramadan, Sie spielen die Hauptrolle in einer neuen Serie „4 | |
Blocks“, die in Neukölln beheimatet ist. Sagt man eigentlich „vier Blocks�… | |
oder englisch „four blocks“? | |
Kida Ramadan: Kann man beides sagen. Vom Format her passt wohl das „four | |
blocks“, aber weil ich Berliner bin, sage ich „vier Blocks“. | |
Kann man sagen, es geht um eine echte Neuköllner Kriminellengeschichte? | |
Würde ich nicht sagen. Es geht um einen Familienvater, der aus einem | |
kriminellen Umfeld kommt, sich wegen seiner Tochter und seiner Frau aber | |
daraus zurückgezogen hat und nun wieder zurück in die Kriminalität muss, | |
weil der Bruder Scheiße gebaut hat. Das kann in jedem Land passieren, auch | |
in Schweden, in Burkina Faso oder Neuseeland. Es geht um eine Familie. | |
Aber die Geschichte spielt doch nicht rein zufällig in Neukölln. | |
Man hat Neukölln genommen, weil die Geschichte einer arabischen Familie | |
erzählt wird und in Neukölln viele Araber wohnen. Man hat so etwas aber | |
noch nie aus der Sicht einer Familie erzählt. Sonst sind das immer | |
Geschichten aus Sicht der Polizei. Das aber wollten die Produzenten von „4 | |
Blocks“ nicht, sie wollten die Menschen zeigen: Warum ticken die so, wieso | |
werden sie immer in eine Ecke gedrängt? Es war darum sehr interessant, dass | |
wir das in Neukölln gemacht haben. Neukölln rockt, das ist das | |
Lebenszeichen von Berlin! | |
Also kein Krimi, sondern ein Sozial-, ein Familiendrama? | |
Na ja, wir haben ja keine Dokumentation gemacht, sondern Fiktion. Und wir | |
haben sie so authentisch gemacht, dass sich jeder da reinspiegeln kann. Es | |
wurde gut recherchiert, wir haben gute Arbeit geleistet im Vorfeld. | |
Neukölln ist halt bunt, Neukölln macht Spaß, Neukölln ist ambivalent | |
geworden. Aber trotzdem ist es auch ein Sozialdrama – auf jeden Fall! Aber | |
das bezieht sich nicht nur auf Neukölln, sondern auf ganz Berlin: auf | |
alles, was damals in der Politik Falsches passiert ist. | |
Es geht also auch um falsche Integrationspolitik? | |
Ich glaube, dass man damals in Neukölln, Kreuzberg, Wedding und anderen | |
Bezirken, die ein bisschen mehr Ausländeranteil hatten, die Leute von | |
vornherein in ein Ghetto gesteckt hat und gesagt hat, lass die mal alleine. | |
Und jetzt merken sie, oh Scheiße, was haben wir da für einen Fehler | |
gemacht! Wenn man im Vorfeld anders gearbeitet hätte, denke ich, wäre das | |
gar nicht so aus dem Ruder gelaufen. Denn der Austausch mit der deutschen | |
Kultur ist für mich sehr wichtig. Deswegen wollte ich auch, dass meine | |
Kinder mit deutschen Kindern in die Schule kommen. Damit sie die Kultur, | |
die Tradition der Deutschen kennen. Ich war damals mit 17 Ausländern in | |
einer Klasse. | |
In Neukölln? | |
In Kreuzberg. | |
Das heißt, Ihre Kinder schicken Sie jetzt nicht in Kreuzberg zur Schule? | |
Das habe ich nicht gesagt. Aber wir sind umgezogen und meine Kinder sind | |
auf der Montessori-Schule. Ich wollte, das sie eine gute Schulausbildung | |
haben. Und ich glaube, das System von Montessori entspricht meinen Kindern. | |
Ich bin sehr stolz darauf, dass ich meinen Kindern eine gute Schulbildung | |
geben kann. Ich bin ein bisschen spießig geworden, so ein deutscher Spießer | |
eigentlich. | |
Und dann ist Nordneukölln zu laut, zu dreckig? | |
Ja. Nein. Nicht dreckig. Ich habe vieles erlebt in meiner Kindheit, sehr, | |
sehr Positives. Aber ich bin auch ein Kämpfer. Und ich will das meinen | |
Kindern nicht antun, dass sie diese Probleme haben. Ich will ihnen ein | |
schönes, leichtes Leben gönnen. Ich habe mir das aufgebaut, kann mir ein | |
bisschen was leisten und ihnen deshalb etwas bieten. | |
Etwas Bürgerliches. | |
Das hört sich jetzt arrogant an, aber ich habe mein Leben lang gestrampelt. | |
Und was ich nicht für mich machen konnte, mache ich gerne für meine Kinder. | |
Meine Eltern haben alles gemacht für uns, mit ganz wenig – ich bin ihnen | |
dafür sehr dankbar! Hätte ich von klein an sehr viel gehabt, wäre ich nicht | |
das, was ich bin. Nicht der Kämpfer, der dafür gekämpft hat, sich Kunst zu | |
erobern, sich im Leben durchzusetzen und selbstbewusst zu sein. Das hat mir | |
sehr geholfen. Meine Kinder haben das hoffentlich von mir geerbt – oder von | |
meiner Frau, die auch sehr selbstbewusst ist. Aber gute Frage, die Sie | |
gestellt haben – nur mag ich dieses Wort „Nordneukölln“ nicht. Sehr | |
schrecklich. Neukölln ist Neukölln. Ich liebe diese ganzen Kneipen an der | |
Ecke, in Rixdorf. Ich sag Rixdorf, ich bin Berliner Junge. Aber | |
interessante Frage, warum nicht eine Schule in Neukölln oder Kreuzberg. | |
Ja, warum? | |
Weil das Schulsystem dort falsch ist. Es ist zwar mittlerweile etwas besser | |
geworden, aber man hat immer noch wenig Austausch mit deutschen Kindern | |
dort. Für mich ist das wichtig. Ich bin als Libanese in Kreuzberg in die | |
Schule gekommen und bin mit einer perfekten Kenntnis des Türkischen wieder | |
herausgekommen. | |
Deutsch nicht so? | |
Doch, auch, nebenbei mit den Lehrern und zwei, drei Kumpels. Ich habe von | |
klein auf – ich war ein Fuchs, ein Schakal – etwas lernen wollen. Ich habe | |
Zeitungen auf dem Boden gefunden und gelesen. Ich bin extra zum Arzt | |
gegangen, um im Wartezimmer Zeitung zu lesen. Ich wollte mich verbal | |
ausdrücken können. | |
Also hat es Ihnen nicht geschadet, in Kreuzberg groß zu werden? | |
Nö, weil ich ein ganz spezielles Kind war. Ich war in der siebten Klasse | |
und habe zu den Lehrern gesagt: „Hey, ich brauche keinen Abschluss von | |
euch. Ich mache das nur, weil das deutsche System sagt, ich muss in die | |
Schule.'„Heute bereue ich diesen Satz. Es ist für mich so wichtig, dass | |
meine Kinder gut in der Schule sind und respektvoll zu den Lehrern! | |
Deutscher Spießer halt. Aber als kleines Kind war ich sehr selbstbewusst. | |
Habe Mitschülern 50 Pfennig gegeben, damit sie mich zum Klassensprecher | |
wählen. Im Fußballverein 50 Pfennig, damit ich zum Kapitän gewählt wurde. | |
Tsssstsss. Da war ja die kriminelle Karriere eigentlich vorgezeichnet. | |
Ich wollte ganz oben sein wie Bayern München. Immer ganz oben. Wenn du | |
nicht groß denkst, bleibst du ganz klein. | |
Hat ja gut geklappt! Ich habe gelesen, dass Sie zur Vorbereitung auf „4 | |
Blocks“ die Produzenten in Neukölln eingeführt und Bekannten aus dem Milieu | |
vorgestellt haben. Stimmt das? | |
Ich habe keine Bekannten aus dem Milieu, ich habe Freunde, die Leute aus | |
dem Milieu kennen. Das ist was ganz anderes. Nicht dass es noch heißt, ich | |
hätte kriminelle Bekannte. Aber ich bin da groß geworden, ich kann in | |
Neukölln in jede Tür rein. Die kennen mich, die feiern mich, sind stolz auf | |
mich wegen meinen Filmen. Ich bin für sie, nicht ein Idol, aber einer aus | |
der hood. Ich finde, der Patriotismus in diesem Kiez ist so schön! Die | |
Leute gönnen dir was. | |
Inzwischen hat ja Neukölln zwei ziemlich extrem auseinanderfallende Seiten | |
… | |
… Neukölln ist nicht mehr extrem. Neukölln wurde umgegraben, von Hipstern, | |
von Spaniern, Italienern. Du musst im Restaurant auf Spanisch bestellen | |
oder auf Englisch. Hipster-Kneipen ab 17 Uhr geöffnet, aber wo ist das | |
frische Brot morgens um drei? Aber Latte macchiato, laktosefrei mit | |
Reismilch … | |
War es besser, als noch mehr Arabisch geredet wurde? | |
… Ingwer-Karotten-Suppe. Früher gab’s Tomatensuppe, oder Kaffee schwarz mit | |
Milch. Kondensmilch. | |
Es geht bergab? | |
Ist kaputt! | |
Aber die Vielfalt? | |
Ist okay. Man kann nichts dazu sagen, das Land gehört uns nicht. Jeder soll | |
kommen. Ich finde es inzwischen interessant. Früher habe ich mich aufgeregt | |
über die Hipster, aber man darf sich nicht aufregen. | |
Bringt ja auch nix. Aber apropos jeder soll kommen: Ihre Familie kommt ja | |
aus dem Libanon. Nun gibt es in Neukölln viele Familien von dort oder aus | |
Palästina, die leben seit Jahrzehnten nur mit einer Duldung in Deutschland, | |
oft ohne Arbeitserlaubnis. Ich habe gehört, dass es da so manchen Unmut | |
gibt, weil nun die Syrer gekommen sind und sehr schnell Asyl samt | |
Arbeitserlaubnis bekommen. | |
Das ist halt das Gesetz. Die haben gerade Probleme in ihrem Land! Wenn es | |
in Syrien hoffentlich bald wieder besser geht, werden die schon | |
zurückgehen. Meinen Sie, die wollen hier ihr Leben lang leben? Die hatten | |
dort ein gutes Leben. Aber ja, ich habe auch Freunde, die sind immer noch | |
auf Duldung. Die sind hier geboren! Aber das heißt doch nicht, dass man auf | |
Leute aus einem anderen Land neidisch sein oder Hass zeigen muss. | |
Wie war das bei Ihrer Familie? | |
Wir waren auch als Asylanten hier, lebten auch im Flüchtlingsheim. Aber | |
damals waren die Gesetze anders, wir haben Asyl bekommen, mein Vater hat | |
sich irgendwann selbstständig gemacht. Und ich bedanke mich bei ihm dafür, | |
dass er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat. Ich hätte das mit | |
der Bürokratie nicht geschafft. Wäre mir zu anstrengend, hier eine | |
Unterschrift, da ein Autogramm. | |
Sie haben den deutschen Pass dann automatisch bekommen? | |
So sieht’s aus. | |
Zurück zum Film. Nervt Sie das nicht, dass Sie als Schauspieler immer für | |
Gangster- und Araberrollen gecastet werden? | |
Ja, aber es ist besser geworden, inzwischen habe ich mich damit abgefunden, | |
ich finde es gut, sollen sie machen. Wenn sie Klischee wollen, kriegen sie | |
jedes Mal richtig Klischee. Aber ich mache es sympathisch! Und ich spiele | |
jede Rolle anders. Ich bin viele, ein ambivalent arbeitender Mensch. Ich | |
kann dir zehn Mal den Gangster spielen und zehn Mal sagst du: „Krass!“ | |
Aber wäre es nicht gut, wenn sich das mal ändert? Viele nicht deutsch | |
aussehende Schauspieler haben ja dieses Problem mit dem Nischen-Casting. | |
Ja, aber das ist nicht das Problem der Migranten, sondern weil zu wenige | |
von uns Schauspieler sind. Und wenn mir der Beruf nicht mehr gefällt, mache | |
ich eben was anderes. Kann sowieso jeden Tag vorbei sein, in dem Beruf weiß | |
man nie, was kommt. | |
Haben Sie einen Plan B, wenn der Erfolg ausbleibt? | |
Habe ich. Vielleicht gebe ich dann Schauspiel-Kurse, habe mir ja einen | |
Namen gemacht. Zusammen mit Frederik Lau vielleicht, haben wir schon mal | |
überlegt. Wir wären sehr billig und gute Coaches: Ghetto-Acting! | |
22 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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