# taz.de -- Berliner TV-Serie „4 Blocks“: Gangs of New Kölln | |
> Arabische Kriminelle in Berlin sind die Antihelden der fulminanten Serie | |
> „4 Blocks“. Verantwortlich ist wieder einmal der Bezahlsender TNT Serie. | |
Bild: Gangster, ganz nah, in Neukölln: Ali „Toni“ Hamady (Kida Khodr Ramad… | |
Eigentlich konnte die Sache nur scheitern: Drei deutsche Drehbuchautoren | |
und ein österreichischer Regisseur erzählen in der sechsteiligen Serie „4 | |
Blocks“ auf dem Pay-TV-Kanal TNT Serie von einem kriminellen arabischen | |
Clan in Berlin-Neukölln. Was wird das wohl? Ein peinliches | |
Klischeefeuerwerk? Rassistisches AfD-Fernsehen? Stumpfsinnige | |
Gangster-Verherrlichung? Nach Sichtung der ersten beiden Folgen lässt sich | |
sagen: Nichts davon, sondern eine der stärksten deutschen Serien der | |
vergangenen Jahre. Ein modern inszeniertes Mafia-Epos mit vielschichtigen | |
Figuren. Hart und angemessen brutal. | |
Erstaunlich, dass der kleine Sender TNT Serie nach seinen | |
Grimmepreis-Serien [1][„Add a friend“] und [2][„Weinberg“] nun auch mit | |
seiner dritten Eigenproduktion Maßstäbe setzt. | |
Die Story: Der Clan-Chef Ali „Toni“ Hamady (Kida Khodr Ramadan) ist des | |
Verbrechens überdrüssig und will auch seiner Frau Kalila (Maryam Zaree) | |
zuliebe aussteigen. Mehr noch: Der „deutscheste Deutsche“ will er werden, | |
inklusive eines Passes mit Adler. Weil Tonis Bruder und Nachfolger | |
fragwürdige Entscheidungen trifft, verzögert sich aber sein Ausstieg. Für | |
Unruhe sorgt Tonis alter deutscher Kumpel Vince (Frederick Lau). Obwohl der | |
nicht zur Familie gehört, will Toni den früher gefürchteten Straßenkämpfer | |
in die Geschäfte einbinden. | |
Es wäre sicher einfacher gewesen, „4 Blocks“ von außen, etwa aus Sicht | |
einer Polizeieinheit zu erzählen, aber die Serie setzt auf die Perspektive | |
der Clan-Mitglieder. Dafür gingen Regisseur Marvin Kren, der auch am | |
Drehbuch beteiligt war, sowie die Autoren Hanno Hackfort, Bob Konrad und | |
Richard Kropf bei der Recherche ungewöhnliche Wege. „Unser Hauptdarsteller | |
Kida Khodr Ramadan war die Eintrittskarte in diese Parallelwelt“, sagt | |
Marvin Kren. „Er ist libanesischer Kurde und kennt in Neukölln viele Leute | |
aus dem Milieu, mit denen er mich bekannt gemacht hat. Ich war überrascht, | |
wie bereitwillig sie aus ihrem Leben erzählt haben. Als hätten sie darauf | |
gewartet, dass sie endlich mal jemand fragt.“ | |
Kren verbrachte deshalb auch viel Zeit vor Ort: „Ich wollte mich für die | |
Serie nicht von großen Mafiafilmen inspirieren lassen, sondern direkt von | |
den Jungs aus Berlin. Wir haben lange in Shisha-Bars und Restaurants | |
gesessen, sind mit dicken Autos herumgefahren. Dabei habe ich überzeugte | |
Verbrecher kennengelernt, aber auch solche, die ihr Handeln kritisch | |
betrachten und lieber etwas anderes machen würden.“ Eines war und ist ihm | |
besonders wichtig: „Wir erzählen differenziert, warum diese Leute Gangster | |
geworden sind. Kurz gesagt, halte ich das für ein Ergebnis aus der | |
Ablehnung und der Benachteiligung, die sie in Deutschland erfahren haben | |
kombiniert mit den Ehrvorstellungen vieler Araber sowie den starken | |
Familienstrukturen. Aber es hat sie niemand gezwungen, kriminell zu werden. | |
Das ist eine freie Entscheidung.“ | |
## Starke Laien, starker Profi | |
Manche seiner Gesprächspartner sind als Komparsen dabei, auch in größeren | |
Rollen setzt Kren auf Laien. Eine Entdeckung ist der Rapper Veysel Gelin, | |
der im wirklichen Leben eine dreijährige Haftstrafe wegen Körperverletzung | |
mit Todesfolge verbüßte. Er spielt Tonis skrupellosen Bruder mit | |
furchteinflößender Präsenz. Am eindrucksvollsten ist aber die | |
Schauspielkunst von Kida Khodr Ramadan. Sein Toni Hamadi ist ein komplexer | |
Protagonist, wie es ihn im deutschen Fernsehen selten zu sehen gibt. | |
Zuhause ein liebevoller Familienvater, bei der Arbeit tödlich brutal. Bei | |
allem, was er tut, geht von ihm eine melancholische Bocklosigkeit aus, die | |
geradezu liebenswert ist. | |
Das Verhalten vieler Figuren ist oft abstoßend, aber der Drahtseilakt | |
gelingt: Die Serie ist von Verallgemeinerungen genauso weit entfernt wie | |
von Verharmlosungen. Zusätzlich verhandelt sie weitere Themen wie die Rolle | |
der Frau und die Gentrifizierung. Kren, der auch schon beim „Tatort“ Regie | |
führte, hatte dabei freie Hand: „Die Ansage von Senderseite war: Wir machen | |
Pay-TV, deshalb sind bei Gewaltdarstellungen, Erotik und Sprache auch | |
krasse Sachen erlaubt.“ Für den Regisseur ist das ein „Glücksfall“. Ein | |
Glücksfall mit Fortsetzung: Denn die Dreharbeiten für Staffel zwei beginnen | |
Ende dieses Jahres. | |
8 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
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