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# taz.de -- DrehbuchautorInnen wehren sich: Machtkampf um die Urheberschaft
> Mit ihrer Einladungspolitik haben die Stifter des Deutschen
> Fernsehpreises den Protest der Autoren provoziert – und der ist laut.
Bild: Immer nur diese beiden Promis einladen? Nö, sagen die Drehbuchautorinnen
Die Freude über die Nominierung zum Deutschen Fernsehpreis währt bei
Kristin Derfler nur kurz. Dann stellt sie fest, dass sie als Autorin ihres
über drei Jahre entwickelten ARD-Zweiteilers „Brüder“ über einen deutsch…
Studenten, der sich einer Gruppe Salafisten anschließt, nicht zur
Preisverleihung nach Köln eingeladen ist. Im Gegensatz zu Regisseur,
Produzentin, zuständigem Redakteur und den Schauspielern.
Als sie auf Nachfrage erfährt, dass alle Autoren außerhalb der
Drehbuchkategorien „aus Platzmangel“ nicht eingeladen wurden, verfasst sie
ein kämpferisches Posting, das innerhalb weniger Stunden über 560-mal in
sozialen Netzwerken geteilt wird. Darin prangert sie die langjährige
Ignoranz und Verlogenheit der Branche an, wenn es um den Status der
Drehbuchautoren geht, deren Urheberschaft die Grundlage für die gefeierten
Erfolge darstelle. „Mein Posting hat eine Art Dammbruch ausgelöst“, so
Derfler. „Das Feedback, die Solidarität und Unterstützung meiner Kollegen
und Kolleginnen war überwältigend. Offenbar hat sich auch bei ihnen im
Laufe der Jahre ein erheblicher Frust angestaut.“
Der Verband der Drehbuchautoren (VDD) nimmt ihre Kritik auf und reagiert
mit einem offenen Brief an die Stifter des Preises: Geschäftsführer und
Intendanten von RTL, ZDF, WDR und Sat.1. „Bei den Einladungen wurde mit
zweierlei Maß gemessen“, erläutert Sebastian Andrae, nominiert für die
RTL-Sitcom „Magda macht das schon!“ und VDD-Vorstandsmitglied die Kritik.
„Für alle nominierten Fiction-Formate wurden Produzenten, Regisseure und
Redakteure eingeladen, die damit fälschlich zu alleinigen
Hauptverantwortlichen für das künstlerische Gelingen von Filmen und Serien
erklärt wurden.“
## Nichts gegen Glamour
Dabei geht es den Autoren nicht darum, den Glamourfaktor der
Preisverleihung zu kritisieren, wie Richard Kropf hervorhebt, mit seinen
Kollegen Bob Konrad und Hanno Hackfort Autor der Neuköllner Gangsterserie
„4 Blocks“, die ebenfalls nominiert ist: „Es ist vollkommen in Ordnung,
dass so ein Preis mediale Aufmerksamkeit generieren will, indem
Schauspieler und Influencer eingeladen werden, die mit den jahresaktuellen
Produktionen möglicherweise überhaupt nichts zu tun haben. Aber in dem
Moment, wo für die Schöpfer der Werke, die ausgezeichnet werden sollen,
kein Platz mehr ist, wird das Missverhältnis klar – und dass es anscheinend
nicht in ausreichendem Maße um die Werke und die Leistungen geht.“
Seit Jahren kämpfen deutsche Drehbuchautoren um angemessene Anerkennung in
der Branche, wie sie ihre Kollegen in den USA, Großbritannien oder
Skandinavien genießen.
Stefan Stuckmann, langjähriger Autor für die „heute-show“ und Erfinder der
ZDFneo-Politcomedy „Eichwald, MdB“ kennt es nicht anders: „Vor zehn Jahren
hat die zweite Staffel ‚Switch Reloaded‘ den Deutschen Fernsehpreis
gewonnen, und in der Begründung der Jury für die Preisvergabe wurde
explizit die Hitler-Stromberg-Parodie genannt, die ich geschrieben hatte.
Nicht nur wurde kein Autor eingeladen, die Produktionsfirma hat uns noch
nicht mal erzählt, dass wir überhaupt nominiert waren. Und später sieht man
dann auf den Fotos, dass die Produzenten sogar ihre Freundinnen mitbringen
durften.“
## Druck wirkt
Der Protest bleibt nicht wirkungslos. Nachdem die Autoren immer mehr
öffentliche Aufmerksamkeit und Zuspruch von prominenten Filmschaffenden
erhalten, beugen sich die Stifter schließlich dem Druck und laden alle
Autoren nachträglich doch ein.
Ein Etappensieg, wie „4 Blocks“-Autor Hanno Hackfort feststellt: „Das
Symptom bleibt bestehen. Auch wenn sie jetzt eingelenkt haben, wischt es
das Problem ja nicht vom Tisch.“
Auch Sebastian Andrae sieht noch viel Arbeit vor sich: „Tatsächlich liegt
bei der öffentlichen Würdigung von Drehbuchautoren immer noch vieles im
Argen – der VDD kämpft weiter zum Beispiel für Einladungen zu
Filmfestivals, auch der Berlinale, für Erwähnung in deren Katalogen, auch
beim Münchner Filmfest. Intern weiß die ganze Branche, dass der
wirtschaftliche und künstlerische Prozess auf guten Drehbüchern aufbaut.
Sie sagt es aber nicht allzu oft laut; es könnte ja die eigene Leistung
schmälern.“
Annette Hess, Erfinderin von vielfach ausgezeichneten Serien wie
„Weissensee“ und „Ku’damm ’56“, sieht die Branche in Bewegung: „W…
werden immer mehr als die Erzähler und Schöpfer wahrgenommen. Aber es gibt
natürlich auch Widerstand vonseiten der anderen Gewerke wie Regie oder
Produktion“, bestätigt sie. „Ich habe gerade von einem erfolgreichen
Kollegen gehört, dass ein Produzent allerorts fälschlich behauptet, die
Idee zu einer Serie sei von ihm. Und gleichzeitig hat er dem Autoren
geraten, keine Interviews zu geben. Mit sehr fadenscheinigen Begründungen.
Es ist ein Machtkampf um die Urheberschaft, da darf man sich nichts
vormachen.“ Doch es gebe auch „immer mehr Produzenten und Redakteure, die
begriffen haben, wie die Formate zu höchster Qualität gelangen können: wenn
die Erfinder erzählerischen und gestalterischen Einfluss bis zur Premiere
behalten“, so Hess.
Für Kristin Derfler ist das Ergebnis ihres Einspruchs eine Bestätigung: „
‚Kein Drehbuch – Kein Film‘: 2008 war das unsere erste große
Pressekampagne, aber damals verpuffte unser Protest ungehört, es passierte
nichts“, erinnert sie sich. „Die Zeit für eine geschlossene Urheberrevolte
war längst überfällig: Die Einladung und Nachnominierung sämtlicher
AutorInnen zum Filmpreis kann ein Signal für eine Begegnung auf Augenhöhe
sein.“
26 Jan 2018
## AUTOREN
Jens Mayer
## TAGS
Deutscher Film
Drehbuch
Eichwald, MdB
Deutscher Fernsehpreis
Lars Eidinger
Studio Babelsberg
Gleichstellung
TNT Serie
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