# taz.de -- Begegnungs-Reihe auf Arte: Durch die Nacht mit rechts | |
> Oskar Roehler und Lars Eidinger trinken in „Durch die Nacht mit …“ | |
> rekordverdächtig viel. Und Roehler gibt den antiliberalen Zündler. | |
Bild: Oskar Roehler (l.) und Lars Eidinger sehen in den Kulissen irgendwas Lust… | |
Treffen sich zwei Exzentriker vor dem Herrn, die sie sein wollen, in … ja, | |
wo anders als in Berlin? Oskar Roehler: der Loner unter den bekanntesten | |
Regisseuren des Landes, keiner Schule zugehörig, an keiner Filmakademie | |
ausgebildet, die erstaunlichsten, polarisierendsten Filme von allen drehend | |
(„Die Unberührbare“, „Agnes und seine Brüder“); Lars Eidinger: Poster… | |
Nummer eins des Berliner Kulturbetriebs, immer ausverkaufter | |
Schaubühnen-„Hamlet“ seit zehn Jahren und vermutlich bis in alle Ewigkeit, | |
bevorzugte Filmrollen: das wohlstandsverwahrloste Weichei („Alle anderen“) | |
oder der maliziöse Dandy („SS-GB“). | |
Zwei Obsessive und Connaisseure der kalkulierten Provokation, die einander | |
gefunden haben – Liebe auf den ersten Blick beim Casting zu Roehlers neuem | |
Fassbinder-Filmprojekt. Könnte interessant werden, diese nun schon 28. in | |
der deutschen Hauptstadt durchgemachte Nacht (gegenüber, nur zum Beispiel, | |
14 Nächten in Paris). | |
Zu den liebevollen Details der Reihe gehört die Wahl der mehr oder weniger | |
luxuriösen Limousine, in der die Nachtschwärmer mit Programmauftrag von | |
meist unsichtbarer Hand chauffiert werden. Der alte Mercedes dieser Folge | |
steht ihnen gut, Roehler trinkt Champagner, noch, Eidinger Bier aus der | |
Flasche. Es geht in die Neue Berliner Straße, jene allzu sehr nach | |
Filmkulisse aussehende Filmkulisse aus „Babylon Berlin“ – Eidinger hat da | |
eine Figur gegeben, die sogar beides war: wohlstandsverwahrlostes Weichei | |
und maliziöser Dandy. | |
Gerade werden gelbe Telefonzellen für einen neuen Film installiert. Roehler | |
langweilt sich ganz furchtbar und sagt das auch. Er will lieber essen, eine | |
doppelte Portion Rostbratwürste im Diener Tattersall. Eidinger bestellt | |
Sülze. Danach besuchen sie den Künstler John Bock, der keinen Schaumwein | |
hat. Sie sprechen über Lieblingsfilme – Eidingers Verehrung von Godards „Le | |
Mépris“ will Roehler nicht gelten lassen. Sein Hausgott heißt David Lynch, | |
was nicht weiter überrascht – Roehlers „Lulu & Jimi“ war ein bonbonbuntes | |
bundesdeutsches Remake von Lynchs „Wild at Heart“. | |
Rückblende: Während der Mercedes-Fahrt zu Würsten und Sülze fängt Roehler | |
plötzlich davon an, dass er politisch ja eher rechts sei. Und mehr als | |
darüber wundert man sich über Eidingers Verwunderung. Hat doch Roehler | |
bereits in mehreren Werken, Filmen wie autofiktionalen Romanen, mit seinen | |
Eltern aus dem linksintellektuellen Nachkriegs-Milieu (Gisela Elsner und | |
Klaus Roehler) zunehmend hasserfüllt abgerechnet. | |
Hat sich Roehler doch mit „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ schon an dem | |
nazistischsten, verbotensten, unbekanntesten deutschen Film überhaupt | |
abgearbeitet. Hat er doch im vergangenen Jahr die Filmadaption von „Subs“ | |
abgedreht, einem Buch des selbst ernannten Gedankenverbrechers und | |
AfD-Werbers Thor Kunkel. Hat er doch seinem jüngsten Streich, dem | |
„Selbstverfickung“ getauften Roman, folgende zwei, kursiv gedruckte Sätze | |
vorangestellt: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen | |
erwachte, stellte er fest, dass er nicht mehr linksliberal war. Und das war | |
in dieser Gesellschaft schlimmer, als sich in ein ungeheures Ungeziefer | |
verwandelt zu haben.“ | |
## Kameradenouting | |
Gewiss ist Gregor Samsa nicht Oskar Roehler und Oskar Roehler nicht Franz | |
Kafka – aber inwieweit ist Oskar Roehler Oskar Roehler? Wie ernst meint er | |
das jetzt mit seinem Rechtssein? Und wie viel davon ist Koketterie, Pose, | |
Provokation? | |
In Zeiten, in denen die mögliche Rechtslastigkeit von Christian Kracht oder | |
Simon Strauß Feuilletondebatten auszulösen vermag? Das ist die Frage, der | |
man gerne nachginge. Roehler weiß das natürlich. Die Homo-Ehe, okay. Aber | |
hat er jetzt wirklich AfD gewählt? Sagt er natürlich nicht. Macht sich | |
lieber einen Spaß, den Schauspieler Oliver Masucci als rechten | |
Gesinnungsgenossen zu outen. Ausgerechnet den Hitler-Darsteller aus „Er ist | |
wieder da“. Haha. Sie treffen ihn zum Kneipenbillard, und Masucci ist | |
Roehlers Outing ein bisschen unangenehm. Sie bechern fleißig weiter (es | |
müsste einmal einer eine Liste machen: In welcher Folge „Durch die Nacht | |
mit …“ wurde eigentlich am meisten getrunken? – es könnte diese sein) und | |
kommen dann noch auf das verkorkste Verhalten heutiger Deutscher gegenüber | |
Juden. Tabu und Heuchelei, Roehler auf seinem Terrain. | |
Eine neue Debatte – „MeToo“ oder so –, wie rechts die deutsche Filmbran… | |
wirklich ist, sich das aber nicht zu sagen traut, die würde er nur zu gerne | |
anstoßen. | |
29 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
## TAGS | |
Lars Eidinger | |
Oskar Roehler | |
Arte | |
Lars Eidinger | |
Deutscher Film | |
Simon Strauß | |
Tatort | |
Deutscher Film | |
Dieter Wedel | |
Kroatien | |
Kika | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Spielfilm „All My Loving“: Ans alte Leben geklammert | |
Edward Bergers Episoden-Spielfilm „All My Loving“ erzählt von drei | |
Geschwistern um die 40, für die sich plötzlich vieles ändert. | |
Oskar Roehlers Film „Herrliche Zeiten“: Gewalt als letzte Lösung | |
Die schwarze Gesellschaftssatire von Oskar Roehler will vor allem eines: | |
provozieren. Offen bleibt, wie er selbst zum Plot seines Films steht. | |
Lesung von Simon Strauß in Cambridge: Deutsche Debatte auf Auslandsreise | |
Hat Simon Strauß in „Sieben Nächte“ die Agenda der Rechten bedient? Bei | |
einer Lesung in Cambridge versucht er, sich zu erklären. | |
Qualität von ARD-Krimis: Dem MDR laufen die Kommissare weg | |
In den letzten drei Jahren sind vier Darsteller und ein Autor aus „Tatort“ | |
und „Polizeiruf“ in Sachsen und Thüringen ausgestiegen. Wieso? | |
DrehbuchautorInnen wehren sich: Machtkampf um die Urheberschaft | |
Mit ihrer Einladungspolitik haben die Stifter des Deutschen Fernsehpreises | |
den Protest der Autoren provoziert – und der ist laut. | |
Missbrauchsvorwürfe gegen Dieter Wedel: Bisschen spät geschaltet | |
Vorwürfe gegen den Regisseur lagen dem Saarländischen Rundfunk seit den | |
Achtzigern vor. Was nun? | |
Kroatien-Krimireihe in der ARD: So geht Exjugoslawien | |
Spannend, toll gespielt und nah dran am echten Kroatien: In der ARD jagt | |
die Mordkommission Split Verbrecher an der blauen Adria. | |
Neue Kika-Doku „Nicht zu stoppen“: Sport mit Behinderung | |
Eine Doku-Reihe begleitet behinderte jugendliche Sportler*innen beim | |
Training für die Paralympics. Ganz ohne Pathos und Emotionalität. |