# taz.de -- Lesung von Simon Strauß in Cambridge: Deutsche Debatte auf Ausland… | |
> Hat Simon Strauß in „Sieben Nächte“ die Agenda der Rechten bedient? Bei | |
> einer Lesung in Cambridge versucht er, sich zu erklären. | |
Bild: Der in Deutschland umstrittene Schriftsteller Simon Strauß war zu Besuch… | |
London taz | Eine keine Gruppe Student*innen, knapp zwanzig sind es, sitzt | |
am vergangenen Samstagabend in einem modern ausstaffierten Raum des Clare | |
Memorial Courts der Cambridge Universität. Es sind hauptsächlich Deutsche, | |
die sich hier versammelt haben. Alle wollen den deutschen Alumnus dieser | |
Uni hören, der mit einem einzigen Buch [1][zum Gesprächsthema der | |
deutschsprachigen Literaturszene] geworden ist: Simon Strauß. | |
Für den Autor, leger in schwarz gekleidet, mag es hier nach den | |
Besuchermassen in Deutschland ein ungewohnt kleiner Rahmen sein. Und doch | |
ist er extra auf Einladung der German Society der Cambridge Universität | |
angereist, um an dem Wochenende, an dem hier die „German Societies“ von | |
Oxford und Cambridge zu ihrem jährlichen Treffen zusammenkommen, aus seinem | |
Buch zu lesen. Gleich nach der Lesung folgt, mitten im hundskalten März, | |
ein „Oktoberfest“ bis in die frühen Morgenstunden. So kommt es auch, dass | |
die Präsidentin der German Society, Ran Huo, ihren Gast charmant im feschen | |
Dirndl vorstellt. | |
[2][“Sieben Nächte“] wäre der „notwendige Ausgleich“ gegen die „Zw�… | |
journalistischen Schreibens“ gewesen, sagt Strauß. Und liest dann aus dem | |
Prolog des Buches, das sich mit der Situation beschäftigt, in der sich | |
viele der Anwesenden bald oder bereits befinden: jenem Moment zwischen dem | |
Ende des Studiums und dem Beginn einer Karriere, der Angst vor der | |
ungewissen Zukunft und der sich den Klischees beugen zu müssen. | |
Alle hören gebannt zu, während Strauß bis auf den letzten Satz nicht ein | |
einziges Mal in die Menge blickt, voll vom Text konsumiert wird, das Buch | |
gebannt in den Händen haltend. Es fühlt sich an, als spräche er über sich | |
selber. Fast eine halbe Stunde liest er, bevor er mit einem ganz kurzen | |
Lächeln endet und dann auf Fragen wartet. | |
Ein junger Mann im blauen Jackett aus der letzten Reihe meldet sich und | |
fragt nach der Einordnung des Buches „als Werk dieser Generation.“ Strauß | |
wehrt sich gegen dieses Label und kritisiert die deutsche Literatur, die | |
seit Werther immer auf der Suche nach „dem“ Buch der Generation sei. „Es | |
ist nicht meine Generation, die sich mit meinem Buch angesprochen fühlt“, | |
meint Strauß, „sondern eher die Eltern dieser Generation, weil sie darin | |
vielleicht ihre Kinder glauben verstehen zu können.“ | |
## Der Kern der Kontroversen | |
Andere Fragen kommen, es geht um Geschichte und Gegenwart, um das | |
Religiöse. Es ist Zeit für ein weiteres Kapitel. „Wollt ihr Habgier oder | |
Wollust?,“ fragt Strauß die Anwesenden, die entscheiden sich für Wollust. | |
Strauß liest daraufhin Passagen über Erfahrungen des Nachtlebens. Applaus | |
folgt und der Abend scheint viel zu schnell vorbei zu sein. Vorsichtshalber | |
will Strauß noch einmal wissen, ob noch jemand was fragen will. Als sich | |
niemand meldet, ergreift die Präsidentin der German Society, sie sitzt die | |
ganz vorne, unvermittelt das Wort. „Sie sind doch auch [3][ins politische | |
Schussfeuer] geraten?“ | |
Also doch noch nicht das Ende. Strauß Antworten erscheint überlegt aber | |
auch nicht einstudiert, ein Versuch verstanden zu werden, vielleicht | |
endlich einmal, gerade hier in Cambridge, an seiner alten Uni. „Kunst muss | |
nicht immer dem Guten dienen. Das hatten wir doch schon im | |
Nationalsozialismus und im Sozialismus der DDR.“ Aber es existiere da eine | |
Übermoral unter manchen, die glaube, dass sie so das Böse beseitigen | |
könnten. Die Beseitigung des sexistischen Bildes bei einem der letzten | |
Vorträge wird angesprochen. Berlins Theater seien doch voll mit Sexismus, | |
kontert er. Man müsste, wenn man konsequent sei, dann [4][95-98 Prozent der | |
Kunst abschaffen,] sagt Strauss. | |
Strauß ist der Meinung, dass seine Position als Journalist in der Sache | |
nicht unbedingt helfe, die künstlerische Distanz halten zu können und dies | |
letztendlich zur Debatte über ihn beigetragen hätte, da journalistische | |
Texte stärker der Polemik ausgesetzt seien. Rückblickend hätte ihn die | |
Reaktion mancher Leute geärgert. Eigentlich habe er als politisch denkender | |
Mensch nur anmerken wollen, dass man manche Dinge nicht einfach so weg | |
denken könne, besonders nicht den Rechtspopulismus. Da ist er also: der | |
Kern der Kontroversen der letzten Monate. | |
Es mag an der Luft in Cambridge im [5][Brexit-Zeitalter] liegen, dass | |
Strauß fordert: „Man muss ihre eigenen Fakten anfassen und überwinden“, u… | |
meint damit die eben jener Rechten. Cambridge schaffe da eine andere | |
Perspektive. Es sei ein Glück, dass man permanent miteinander in Europa | |
zusammen sein könne. „Unsere Generation darf sich das nicht von alten, | |
grauen Männern kaputt machen lassen, ja wir müssen uns dagegen wehren, und | |
es nicht den populistischen Mächten überlassen!“ | |
Und dann, nach ein paar wenigen kritischen Eingeständnissen zu Europa, aus | |
beispielsweise italienischer oder spanischer Sicht, folgt eine | |
Schlussbemerkung, die sich mit alledem, was Strauß über die letzten Monate | |
vorgeworfen wurde, abrechnet: „Ich verstehe mich überhaupt nicht als | |
konservativ oder rechts.“ | |
So selbst verortet endet der intellektuelle Teil des Abends. Ob man darüber | |
beim Oktoberfest später noch anstieß, weiß nur die die Dame im Dirndl. | |
5 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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