# taz.de -- Qualität von ARD-Krimis: Dem MDR laufen die Kommissare weg | |
> In den letzten drei Jahren sind vier Darsteller und ein Autor aus | |
> „Tatort“ und „Polizeiruf“ in Sachsen und Thüringen ausgestiegen. Wie… | |
Bild: Jürgen Vogel als Gejagter im letzten „Tatort“ aus Weimar. Beim MDR h… | |
Schnabel ist kein Chauvi mehr, Schnabel ist jetzt emotional. Ein Junge | |
verschwindet, wird tot in der Elbe gefunden und Kommissar Peter Schnabel | |
(Martin Brambach) kann das kaum ertragen. Weil es ihn an „Zwanzigführzehn“ | |
erinnert. Als er schon mal einen vermissten Jungen nicht finden konnte. Als | |
er versagt hat. So beginnt der Tatort aus Dresden, den die ARD am Sonntag | |
zeigt. „Déjà vu“ heißt er und setzt sich deutlich von den bisherigen | |
Dresdner Fällen ab. | |
Das Ermittlerteam Schnabel, Sieland (Alwara Höfels), Gorniak (Karin | |
Hanczewski) war im März 2016 mit dem Anspruch angetreten, einen etwas | |
anderen Tatort zu geben: lustiger, leichter, selbstironischer. Mit Ralf | |
Husmann hatte man einen Autor engagiert, der mit der Comedy-Serie | |
„Stromberg“ berühmt wurde. Diesen Sound sollte auch der Dresdner Tatort | |
bekommen, mit Kommissar Schnabel als Stromberg-Verschnitt: bisschen Sexist, | |
bissches Rassist, aber einer, über den man lachen können soll. Im Dezember | |
2017 verkündete Husmann sein Tatort-Ende. An „Déjà Vu“ war er nicht mehr | |
beteiligt. | |
Das war Ausstieg Nummer fünf beim MDR in drei Jahren. Kurz zuvor hatte | |
Alwara Höfels hingeworfen, Anfang 2015 schon Friedrich Mücke und Alina | |
Levshin, die in Erfurt ermittelt hatten. Wegen miserabler Quoten. Ein | |
halbes Jahr später Sylvester Groth vom Magdeburger „Polizeiruf“ – er sei | |
mit den Drehbüchern nicht einverstanden gewesen. | |
„Ich hatte den Eindruck, dass es inzwischen in Richtung eines ganz | |
konventionellen Krimis geht“, sagte Husmann der dpa. Höfels bemängelt | |
„unterschiedliche Auffassungen zum Arbeitsprozess und ein fehlender | |
künstlerischer Konsens“. Offenbar ist auch das Publikum unzufrieden: So | |
wenige Zuschauer wie der letzte Weimar-„Tatort“ („Der wüste Gobi“) hat… | |
seit 2010 kein anderer. Das Dresdner Ermittler-Trio rangiert [1][im | |
hinteren Mittelfeld]. | |
Bis vor einigen Jahren hatte der MDR mit das beständigste Krimipersonal im | |
deutschen Fernsehen. Peter Sodann und Bernd Michael Lade als Kain und | |
Ehrlicher ermittelten in Leipzig von 1991 bis 2007, Herbert Schmücke und | |
Herbert Schneider als Schwarz und Winkler im „Polizeiruf“ Magdeburg von | |
1996 bis 2013. | |
## Der Versuch mit der Ausschreibung | |
Um zu verstehen, was passiert ist, muss man in der Geschichte des MDR ein | |
paar Jahre zurückschauen, in eine Zeit aus Filz und Korruption. 2010 fliegt | |
ein Kinderkanal-Mitarbeiter auf, der den Sender über Jahre mit | |
Scheinrechnungen betrogen hatte. Auch der Unterhaltungschef des MDR soll | |
jahrelang Gelder hinterzogen haben. Dazu kommen wiederkehrende Vorwürfe an | |
die gesamte ARD, [2][sie vergebe Aufträge bevorzugt an eigene | |
Tochtergesellschaften]. | |
Um dieses Image abzuschütteln, beschloss der MDR, die Produktion eines | |
Krimis auszuschreiben. Rund 100 Konzepte gingen ein, den Zuschlag erhielt | |
Thomas Bohn, der die Hamburg-„Tatorte“ mit Robert Atzorn geschrieben hatte. | |
Selten bekam ein neuer „Tatort“ so schlechte Kritiken wie dieser Erfurter. | |
Levshin und Mücke stiegen aus, der MDR stellte Erfurt ein – und startete | |
Weimar. | |
Als Sodann und Lade ihre Rollen in Dresden aufgaben, wurde Leipzig zum | |
sächsischen „Tatort“, mit Simone Thomalla und Martin Wuttke. 2014 gab der | |
MDR überraschend bekannt: Schluss in Leipzig. In einer Sitzung des | |
Fernsehratausschusses bemängelte ein Mitglied, die Leipziger Filme seien | |
„weder glaubwürdig noch authentisch“ gewesen. So steht es im Protokoll. | |
Wieder schrieb der MDR die Entwicklung eines neuen „Tatort“ aus. Den | |
Zuschlag erhielt das Produzentenduo Wiedemann & Berg (die Oscargewinner für | |
„Das Leben der Anderen“) mit Autor Ralf Husman und der Idee vom humorigen | |
„Tatort“. Nur gefiel das offenbar der Redaktion und den Schauspielerinnen | |
immer weniger. | |
## Die Vision fehlt | |
MDR-Fernsehchefin Jana Brandt sieht das anders. „Beim Dresden-,Tatort' | |
zeigen wir einerseits Privates aus dem Leben der Ermittlerinnen und ihrem | |
Chef und das durchaus mit Humor, andererseits wollen wir eine spannende | |
Kriminalstory um ein Kapitalverbrechen erzählen“, antwortet sie schriftlich | |
auf taz-Anfrage. „Damit bewegen wir uns näher am Markenkern der Reihe.“ | |
Auch sei das Feld insgesamt mehr in Bewegung. „Wenn man sich in der | |
Tatort-Familie der ARD die Drehbücher anschaut, wird deutlich, dass eine | |
durchgängige Autorenschaft wirklich selten ist.“ | |
Spricht man mit Leuten, die an diesen Filmen beteiligt waren, heißt es, es | |
fehle die „klare künstlerische Vision“. Das zeigt auch ein Blick auf die | |
„Tatort“-Folgen, die in den vergangenen Jahren für Debatten sorgten: | |
Darunter waren Produktionen des Hessischen und des Bayerischen Rundfunks, | |
selten des MDR. | |
Der MDR weist diese Kritik von sich. Dass Alwara Höfels und indirekt auch | |
Ralf Husmann einen fehlenden künstlerischen Konsens bemängeln, will eine | |
Sprecherin nicht kommentieren. | |
Und so ist es am Ende wohl eine Mischung aus allem: die ursprünglich gute | |
Idee der Ausschreibung, ein kaum krimiversierter Sender, und die Flut an | |
(besseren) „Tatort“-Teams. Kommissar Schnabel wäre darüber mittlerweile | |
wohl sehr traurig. | |
26 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://meedia.de/2018/01/12/tatort-ermittler-ranking-ballauf-und-schenk-spr… | |
[2] /Marktmissbrauch-von-ARD-und-ZDF/!5226610 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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