# taz.de -- Oskar Roehlers Film „Herrliche Zeiten“: Gewalt als letzte Lösu… | |
> Die schwarze Gesellschaftssatire von Oskar Roehler will vor allem eines: | |
> provozieren. Offen bleibt, wie er selbst zum Plot seines Films steht. | |
Bild: Wirken neongrell überzeichnet: die Figuren im Film „Herrliche Zeiten“ | |
Eine schwarze Komödie. Eine ätzende Gesellschaftssatire. Ein schwieriger | |
Film. [1][Oskar Roehlers] „Herrliche Zeiten“ hat schon vor dem Kinostart | |
für heftige Reaktionen gesorgt. Und die Frage ins Spiel gebracht, ob der | |
Regisseur politisch rechts einzusortieren ist. Doch der Reihe nach. | |
Evi ist Architektin. Sie lebt in einer großzügigen Villa mit ihrem Mann, | |
dem Schönheitschirurgen Claus Müller-Todt. Im Moment hängt sie aber schlapp | |
zu Hause in den Seilen, sie ist depressiv. Claus fällt derweil nicht viel | |
mehr ein, als ihr mit Fußmassagen schützend zur Seite zu stehen. Dann | |
kündigt auch noch die Haushaltshilfe. | |
Was Claus zum Anlass nimmt, in angeheitertem Zustand eine Anzeige ins Netz | |
zu stellen: „Sklave/in gesucht“. Einige Anhänger der BDSM-Szene verstehen | |
das wörtlich und klingeln tags darauf, in Leder- und Latexmontur | |
versammelt, an der Haustür der Müller-Todts. Den Zuschlag bekommt ein | |
diskreter Herr Bartos, der die Annonce korrekt als Ironie gedeutet hat. | |
Und den Begriff „Sklave“ will er so verstanden wissen, dass es sich dabei | |
um ein Arbeitsverhältnis handelt, das in erster Linie auf Vertrauen fußt | |
und weniger auf Geldverdienen. Außer Kost und Logis will Bartos keinen | |
Lohn. Man einigt sich auf eine Probewoche. | |
Katja Riemann gibt ihren Part als Evi mit forcierter | |
Waschlappenschlaffheit, während Oliver Masuccis Claus sich in schönstem | |
rheinländischen Akzent aufplustert als Herr der Lage, der seine | |
Weltmännischkeit vor allem zu dem Zweck zu simulieren scheint, die eigene | |
Überfordertheit zu kaschieren. Und Samuel Finzi ist als Bartos so | |
formvollendet höflich, dass man dahinter andere Absichten vermutet. | |
## Rechts? Kein Problem. | |
„Herrliche Zeiten“ basiert auf dem Roman „Subs“ von [2][Thor Kunkel], d… | |
umstrittenen Schriftsteller und PR-Berater. In letzterer Funktion beriet er | |
im vergangenen Jahr unter anderem die AfD für ihre Wahlkampagne. Roehler, | |
der Kunkel als einen Rechten einschätzt, wie er vergangenes Jahr in einem | |
FAS-Interview sagte, sieht darin kein Problem. Ein Problem hat man dafür | |
als Journalist, weil Roehler nicht erkennen lässt, wie er selbst zum Plot | |
seines Films steht. | |
In „Herrliche Zeiten“ sind die Müller-Todts zu beobachten, wie sie das | |
Angebot, die „Herren“ von Bartos zu sein, dankbar annehmen und von ihrem | |
Sklaven noch befeuert werden, eine passend „herrische“ Haltung zu | |
kultivieren. Bald schon rücken Schwarzarbeiter aus Bulgarien an, um im | |
Garten die Grube für einen Pool auszuheben, für 2,50 Euro die Stunde. | |
Und dann ist da noch der Nachbar der Müller-Todts, Mohammed Al Thani (Yasin | |
El Harrouk), Sohn eines Ölscheichs, der aus seinem Land fliehen musste, in | |
seinem Anwesen von einer kleinen Privatarmee bewacht wird und | |
ausschweifende Partys feiert. Um seine Ziele zu erreichen, kennt er kaum | |
moralische Skrupel. Er findet, sein Freund Claus könne sich davon ruhig | |
eine Scheibe abschneiden. | |
Auf der einen Seite gibt es hier die Mittelschicht, die mit | |
Verlustängsten lebt – Claus hat in der Klinik nur noch wenige Patienten | |
–, auf der anderen die „unten“, die Sklaven im Haus oder die Arbeiter im | |
Garten, die nur dem Namen nach keine Sklaven sind. Jede Figur ist so | |
neongrell überzeichnet, dass sie einerseits komisch wirkt, andererseits | |
ausschließlich für eine These steht, echte Menschen sind das nicht. Was | |
auch für den „alternativen“ Lebensentwurf von Mohammed gilt, der Gewalt als | |
legitimes Mittel betrachtet. | |
## Gewalt als Konfliktlösung | |
Dass Roehler diese Gewalt, die irgendwann die Müller-Todts errreicht, sich | |
als Strategie für Konfliktlösungen zu eigen macht, darf allerdings | |
bezweifelt werden, ebenso die Hierarchie von oben und unten, die der Film | |
durchbuchstabiert. Das fratzenhafte Bild einer verlogenen | |
Wohlstandsschicht, der die Felle langsam davonzuschwimmen drohen, lässt | |
jedoch offen, ob Roehler lediglich kritisieren will oder dahinter noch | |
andere Gesellschaftsentwürfe schlummern. | |
Dass der Film einen damit allein lässt, macht ihn so verstörend. Man fühlt | |
sich ungut unterhalten bei den flott gesetzten Pointen, dem overacting der | |
Hauptfiguren und der dräuenden Stimmung, die Roehler mit misstönenden | |
Streichern und artifiziellem Rotlicht in den Film bringt. | |
Die hemmungslose Konsequenz, mit der er vorgeht, verfehlt zwar nicht ihre | |
Wirkung. Am Ende fragt man sich bloß, wohin diese Konsequenz führt. Unklar | |
bleibt, ob Roehler möchte, dass man ihm irgendwohin folgt – wo auch immer | |
das sein soll. Man kann diese Ambivalenz aushalten – oder die Sache bleiben | |
lassen. | |
2 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Selbstverfickung-von-Oskar-Roehler/!5458128 | |
[2] http://www.deutschlandfunkkultur.de/schriftsteller-thor-kunkel-buergerschre… | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
## TAGS | |
Deutscher Film | |
Oskar Roehler | |
Romanverfilmung | |
Rainer Werner Fassbinder | |
Lars Eidinger | |
Erotik | |
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2022 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fassbinder-Film „Enfant Terrible“: Wirklichkeit ist kälter als Fiktion | |
Oskar Roehler inszeniert das Leben des streitbaren Regisseurs Rainer Werner | |
Fassbinder. „Enfant Terrible“ ist spartanisch und bewusst künstlich. | |
Begegnungs-Reihe auf Arte: Durch die Nacht mit rechts | |
Oskar Roehler und Lars Eidinger trinken in „Durch die Nacht mit …“ | |
rekordverdächtig viel. Und Roehler gibt den antiliberalen Zündler. | |
„Selbstverfickung“ von Oskar Roehler: Narzisstischer Selbsthass | |
Oskar Roehler lässt Ressentiments freien Lauf und schlägt in seinem dritten | |
Roman mit dem Hammer um sich. Ob das zurzeit besonders schlau ist? | |
Rechte Verlage auf der Buchmesse: Erstmal ein freundliches „Hallo“ | |
Rechte Verlage bei der Frankfurter Bücherschau? Ja sicher – die | |
Veranstalter setzen auf Auseinandersetzung. Ein Besuch bei der „Jungen | |
Freiheit“. | |
Roman "Schaumschwestern": Wünsche älterer Männer | |
In den "Schaumschwestern" von Thor Kunkel muss ein Geheimagent in ferner | |
Zukunft eine Sexpuppenfirma ausspionieren. Der Roman ist komprimiert und | |
zurückhaltend. |