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# taz.de -- Rechte Verlage auf der Buchmesse: Erstmal ein freundliches „Hallo…
> Rechte Verlage bei der Frankfurter Bücherschau? Ja sicher – die
> Veranstalter setzen auf Auseinandersetzung. Ein Besuch bei der „Jungen
> Freiheit“.
Bild: Stand der rechten Zeitung „Junge Freiheit“ auf der Leipziger Buchmesse
Anlaufstelle für den rechtskonservativen Konsumenten und die AfD-Wählerin
ist bei der Frankfurter Buchmesse der Stand der Jungen Freiheit. Dort
stehen am Mittwoch, dem ersten Messetag, auch die Papiertüten mit Zeitungen
und Werbematerial, das die Besucher so lieben: Es schlendern zwei
herausgeputzte Damen vorbei, zögern kurz und nehmen eine Tasche mit. Ob sie
wissen, was sie da nach Hause tragen, ist nicht ausgemacht. Noch ist nicht
viel los in Gang A, Halle 4.1
Im Buch- und Zeitschriftenmarkt tut sich in diesen Zeiten ein lukratives
Segment auf: Die Alternative für Deutschland feiert Wahlerfolge und wähnt
sich schon im Bundestag. Ihr Mix aus Zukunftsangst, Konservatismus,
Neoliberalismus und mal passiver, mal lautstark vorgetragener Aggressivität
ist bei Wahlen erfolgreich.
Kulturelle und ökonomische Verlustängste, die Auseinandersetzung mit realen
oder auch nur empfundenen Krisensymptomen – genauso wie allerlei
Manifestationen eines Extremismus der Mitte – werden in Büchern aus großen
deutschen Verlagshäusern reflektiert und aufgenommen.
Die Deutsche Verlagsanstalt hatte die Angebotslücke schon erkannt, bevor
die AfD in deutsche Parlamente einzog. Sie veröffentlichte im Sommer 2010
Thilo Sarrazins Pamphlet „Deutschland schafft sich ab“. Es war eines der
erfolgreichsten Buchprojekte in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland. Wie aber steht’s mit dezidiert rechten Verlagen?
## Topautor Udo Ulfkotte bleibt Zuhause
Der Kopp Verlag aus Rottenburg am Neckar hat sich auf Verschwörungstheorien
für Aluhelmträger und Bücher für „Reichsbürger“ und Pegidisten
spezialisiert. Topautor ist der ehemalige Journalist Udo Ulfkotte, seine
Titel heißen „Die Asyl-Industrie. Wie Politiker, Journalisten und
Sozialverbände von der Flüchtlingswelle profitieren“ (2015) oder
„Grenzenlos Kriminell – Was Politik und Massenmedien über die Straftaten
von Migranten verschweigen“ (2016). Ulfkottes Abrechnung mit „gekauften
Journalisten“ kam in die Spiegel-Bestsellerliste. Andere folgten.
Doch der Kopp Verlag ist auf der Frankfurter Buchmesse nicht vertreten,
genauso wenig wie der Manuscriptum Verlag oder die Zeitschrift Compact, die
eine „Querfront“ zu den Linken propagiert, Angela Merkel nicht mag, aber
Wladimir Putin für einen großen Mann hält, der das Abendland gegen
Gendermainstreaming und allgemeine Verschwulung verteidige.
Anders als in Frankfurt war das in Leipzig erscheinende Compact-Magazin auf
der Leipziger Buchmesse von 2006 bis 2008 und dann wieder seit 2013
vertreten. Auch für 2017 hat man sich dort angemeldet.
## Die „Junge Freiheit“ grüßt herzlich
Wer in Frankfurt den Stand der Jungen Freiheit in Halle 4 aufsucht, wird
herzlich begrüßt – ob trotz oder wegen des Umstands, dass der Besucher
schon als „Kollege von der taz“ identifiziert wurde und angesprochen wird,
bleibt offen. Die Regale des Stands sind bereits ordentlich mit
Publikationen gefüllt, unter anderem mit den „Erträgen“, einer Essayreihe
der „Bibliothek des Konservatismus“, die von der „Förderstiftung
Konservative Forschung und Bildung“ herausgegeben wird.
Die Stiftung wiederum wird maßgeblich von der Jungen Freiheit betrieben,
sagen Experten. Sie hat ihren Sitz in der so gediegenen und bürgerlichen
wie teuren Fasanenstraße in Berlin. Dort befindet sich auch die „Bibliothek
des Konservatismus“, deren Kernbestand aus dem Nachlass von Caspar von
Schrenck-Notzing stammt, einem Vordenker der Neuen Rechten. Im Jahr 2012
wurde sie eröffnet, seither finden dort Veranstaltungen statt, bei denen
auch Politiker von CDU und AfD auftreten.
Band 4 der „Erträge“, vor nicht allzu langer Zeit erschienen, widmet sich
Ernst Jüngers „Waldgang“. Das schmale Buch entstand 1951, Jünger
entwickelte darin die Figur des „Anarchen“ zu der des „Waldgängers“ we…
der im Rückzug auf das eigene Selbst und das „Numinose“, Heilige und die
höhere Ordnung einsam einer totalitären Welt trotzt.
Jünger schrieb noch unter dem Eindruck des Nationalsozialismus. Aber Jünger
wäre nicht Jünger und die Rechte nicht die Rechte, wenn sich am Ende die
Demokratie nicht als noch perfider totalitär herausstellen würde als die
Herrschaft der „Lemuren“ (das sind die Nazis), die in ihren
„Schinderhütten“ (das sind die Vernichtungslager, klingt aber irgendwie
märchenhafter) Massenmord betrieben.
## Patriotische Europäer spazieren gern
Der Essay über Jünger, „Schaum der Zeit“ betitelt, stammt von Parviz
Amoghli, das Vorwort hat Thor Kunkel geschrieben. Darin kann auch noch so
viel Gemurmel und Getöse die Abwesenheit eines Gedankens nicht verbergen.
Dann stellt sich ein komischer Effekt ein. Kunkel erklärt etwa, Amoghlis
Essay erscheine zu einer Zeit, in der sich ein „neuer Totalitarismus“ in
Deutschland breitgemacht habe. Es sei aber verständlich, dass sich Amoghli
bei der Annäherung an das „Kernproblem“ auf Jünger, nicht auf Hannah
Arendts Studie „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ beziehe. Warum?
Weil Arendts Buch „viel zitiert und daher arg strapaziert“ sei.
Dass Texte so arg strapaziert werden können, bis sie nicht mehr brauchbar
sind, ist eine interessante These. Bis dahin hatte sich noch keiner Theorie
als Äquivalent eines Fahrradschlauchs vorgestellt.
Mit Rekurs auf Jünger klärt uns Amoghli darüber auf, dass die Berliner
Republik von einem Macht-„Gewölk“ regiert werde, das Zug um Zug die
Freiheit des Einzelnen einem Konsum- und Gesinnungsterror opfere. Die
Pointe: „Obwohl es sich bei den Patriotischen Europäern um keine Wald-,
sondern eher um Spaziergänger handelt, hat deren Gesprächsverweigerung den
Neuen Menschen ins Mark getroffen. Mit allem hat er gerechnet, auf alles
war und ist er vorbereitet, nur auf das Schweigen nicht.“ Was am lauten,
gern auch mal rassistischen Diskurs der Pegidisten Schweigen sein soll,
bleibt des Autors Geheimnis.
Die Bücher dieser Reihe der Bibliothek des Konservatismus richten sich an
eine sich als widerständig stilisierende rechte Intelligenz.
Die von Umerziehung bedrohten Hirne junger Deutscher will hingegen
Karlheinz Weißmanns „Deutsche Geschichte für junge Leser“ retten. Das Buc…
das den Jungen „die Geschichte Deines Volkes“ erzählen will, ist in der �…
Edition“ erschienen.
## Die Westalliierten sind böse Sieger
Der Verlag hat es sich etwas kosten lassen. Es ist auf teurem, schwerem
Papier gedruckt und in dicken Karton gebunden. Die Kapitel über Hitler und
die Nazis unterscheiden sich im Großen und Ganzen kaum von anderen knappen
Darstellungen der Zeit, wobei einige Auslassungen über das Schicksal der
sowjetischen Zivilbevölkerung und ihren Kriegsgefangenen schon zeigen,
woher der Wind weht.
Dann aber tritt ein ideologischer Blick auf die Geschichte mal mehr, mal
weniger deutlich hervor. Kurz: Die Westalliierten sind schlechte und böse
Sieger. Alles was sie mit Deutschland und den Deutschen anstellten, beruhte
auf der utilitaristischen Überlegung, dass die Deutschen eine Front gegen
den Kommunismus bilden sollten.
Die „Deutsche Geschichte für junge Leser“ ist offensichtlich ein
Prestigeobjekt für die Zeitschrift, am Stand der JF wird sie mit einem
großen Pappaufsteller aus der Feder des Illustrators Sascha Lunyakov
beworben.
Die Frankfurter Messe setzt offenkundig auf inhaltliche Auseinandersetzung
mit radikalen und extremistischen Positionen. Die Mitarbeiter der Jungen
Freiheit blicken auf der Messe tagein, tagaus auf den geräumigen Stand der
Amadeu Antonio Stiftung. Dort leuchten große gelbe Poster mit dem Slogan
„Kein Ort für Nazis“.
Die Junge-Freiheit-Leute schauen auch auf die Panels des Comics „Drei
Steine“ des Dortmunders Nils Oskamp, das die Stiftung nun mit einem
didaktischen Teil versehen in einer neuen Fassung herausgebracht hat. Darin
schildert der Ich-Erzähler Oskamps Gewalterfahrungen in den achtziger
Jahren: „Ich sagte meine Meinung gegen Nazis, das hätte mich fast
umgebracht.“
Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut.
20 Oct 2016
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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