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# taz.de -- Die Wahrheit: Dylan mit Käse
> Jieper-Preis 2016: „Fällt Frau Antje in die Gracht, treibt ein Käse durch
> die Nacht.“ Die Sieger im Wahrheit-Unterbringwettbewerb stehen fest.
Bild: Wenn Frau Antje nicht in die heimische Gracht fällt, rollt sie ihren Kä…
Die Jury hat getagt, die Sieger stehen fest, auch 2016 gibt es wieder einen
würdigen Gewinner im alljährlichen Wahrheit-Unterbringwettbewerb. Dabei
muss jedes Jahr ein neuer Nonsenssatz passend zum Gastland der Buchmesse in
einem publizistischen Medium untergebracht werden, sei es in einer Zeitung
oder Zeitschrift, in einem Radio-, Fernseh- oder Internetbeitrag oder was
auch immer als Transportmittel des höheren Nonsens taugt. Diesmal lautete
die holländisch-flämische Aufgabe: „Fällt Frau Antje in die Gracht, treibt
ein Käse durch die Nacht.“
Eine bedeutende Auszeichnung wie der Jieper-Preis lebt von seiner
Tradition. Seit dem Jahr 2001 schreibt die Wahrheit den Wettbewerb für
Journalisten immer zur Frankfurter Buchmesse aus. Der Name geht zurück auf
den ersten Unterbringsatz: „Wer Jieper hat, muss schmackofatzen.“ Souverän
gewann seinerzeit die FAZ den ersten Preis, um im Jahr 2004 noch einmal
zuzuschlagen.
Viele illustre Namen verzeichnet die Liste der Preisträger: Die Zeit, die
2010 mit einem irrwitzigen Beitrag im Ressort „Wissen“ gewann. Der Autor
behauptete, dass der argentinische Satz „Der Tango macht den Gaucho heiß,
wie jedes Rind der Pampa weiß“ auf einem Zettel an Bord eines im Atlantik
gesunkenen Schiffes gefunden worden sei. Im Jahr 2011 gewann die ARD-Serie
„Lindenstraße“ mit dem isländischen Satz „Wer auf Island zischt ein Bie…
wird zur Elfe im Geysir“, der in einer Szene der Folge 1.348 von einem
Fernsehnachrichtensprecher angesagt wird. Und das ARD-Boulevardmagazin
„Brisant“ brachte den brasilianischen Satz „Von Rio bis zum Orinoco tanzt
den Samba jede Gamba“ gleich zweimal in einer Sendung unter. Um nur drei
Beispiele zu nennen. Man gibt sich in den großen Medienhäusern inzwischen
einige Mühe, den Jieper-Preis zu gewinnen.
## Die Kleinen sind mit Eifer und Spaß dabei
Die Seele des Unterbringwettbewerbs aber sind die kleinen Zeitungen und
Magazine, die auch diesmal mit enormem Eifer und Spaß dabei waren. Und
allein deshalb würdigen wir sie an dieser Stelle gern ausführlich, auch
damit sie wenigstens einmal im Jahr einem breiteren Publikum bekannt
gemacht werden. Oder würden Sie, liebe Wahrheit-Leser, sonst beispielsweise
den Weschnitz-Blitz kennen? Die Weschnitz ist ein Nebenfluss des Rheins im
Süden Hessens und Norden Baden-Württembergs und der Weschnitz-Blitz das
Kulturprogramm-Magazin für das Weschnitztal. Dort hat man den Antje-Satz in
einem Artikel über ein französisches Musiktrio untergebracht, das partout
nicht zum Quartett werden wollte.
Jedes Jahr mit Feuer und Flamme dabei ist das Bad Herrenalb Magazin, ein
Spitzenblatt, das die gleichnamige württembergische Kurstadt mit allem
Wissenswerten beliefert und diesmal Frau Antje und ihren Käse in einem
historischen Gedicht auftauchen lässt, das im Nachlass eines örtlichen
Bürgers gefunden wurde. Es stammt „von Wilhelm Hauff aus der Zeit der
Flößerei“ und dichtet „Das kalte Herz“ fort: „Der eine nun den Käse …
der andere die Frau Antje küsst“, rumpelt es durchs Versgebälk.
Die Emsdettener Volks-Zeitung hat einen Bericht über das „12.
Detten-Rockt-Festival am Alten Klärwerk“ klar wie Kloßbrühe dazu genutzt,
Frau Antje in die Gracht fallen zu lassen, und erklärt so, wie schwer es
ist, einen „Moshpit“ genannten sinnlosen Tanzkreis vor der Bühne zu
erklären – wenn wir es richtig verstanden haben …
Die Elbe-Jeetzel-Zeitung für Lüchow-Dannenberg, das Wendland und die
Elbtalaue wiederum betextet mit dem Antje-Satz das Bild eines Fahrrads, das
in einem Bach zum „Unterwasserfahrzeug“ wird. Die Assoziationskette
Gracht-Holland-Rad ist in den Auen der Elbe eng geknüpft.
Die Redaktion der Deutschen Apotheker-Zeitung hat es vermutlich gewurmt,
dass die Wahrheit immer wieder die Apotheken Umschau erwähnt, die wir stets
liebevoll Apo nennen. Deshalb hat man einen Beitrag eingereicht, auf dem
das Foto eines Gondoliere mit dem Antje-Satz untermalt wird: „Dieses alte
italienische Sprichwort bringt die Situation der Apotheken auf den Punkt.“
Eine doch sehr apothekengerechte Punktlandung.
Das Coburger Tageblatt hat eine seiner sogenannten Lokalspitzen namens
„CoKeriki“ Frau Antjes tiefem Fall gewidmet und reimt nun alles durch auf
„-acht“, auch wenn in der Aufregung der Vers nicht wortgetreu übernommen
wurde. Der Käse „schwimmt“ original doch nicht! Das Nonsenstreiben muss in
Coburg offenbar noch geübt werden.
Besonders aufgeregt aber war in diesem Jahr die Redaktion des Magazins
Spessart, denn der Redaktionsschluss kollidierte mit dem Einsendeschluss.
Immerhin ist die „Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft Spessart“ aus
Aschaffenburg das nach eigener Aussage „älteste Organ, das jemals an diesem
Wettbewerb teilgenommen hat“. Es erscheint bereits im 110. Jahrgang!
Verschärfend kam hinzu, dass der Chefredakteur sich auf einer
Journalistenreise im Iran befand und deshalb den Beitrag nicht absegnen
konnte. Aus diesem Grund rief eine Mitarbeiterin mehrmals in der Wahrheit
an und brachte uns schließlich sogar dazu, den Unterbringschluss um eine
Woche zu verschieben! Als dann auf einem komplizierten
kommunikationstechnischen Weg der Chefredakteur im Iran erreicht und der
Antje-Satz von ihm freigegeben wurde, konnte er endlich in Druck gehen und
zum Wettbewerb eingereicht werden, so dass Frau Antje nun in einem Artikel
über die alte Spessartschenke „Zum Engländer“ erscheint. Angeblich habe
sich dort ein reisender Poet, dessen „Selbstbildnis“ als Zeichnung
beigefügt ist, im Gästebuch mit den „rätselhaften Worten“ verewigt. Brav…
das nennen wir Sportsgeist, Spessart!
Und doch war es trotz der großen Mühe letztlich leider nicht genug, um den
weltberühmten Jieper-Preis zu erlangen. Denn die Auszeichnung erhält in
diesem Jahr das Nordwestradio von Radio Bremen. Der Kultursender reichte
einen Beitrag ein aus der Sendung „Die Welt mit Moritz“ vom 14. Oktober
2016. Thema war der Literaturnobelpreis für Bob Dylan.
In ihrem gut fünfminütigen Gespräch erörterten der Moderator Tom Grote und
der Leiter des Literaturhauses Hamburg, Rainer Moritz, die Frage, ob Bob
Dylans Verse Poesie seien, wenn etwa 26 Mal das Wort „Knock“ im Stück
„Knocking on Heavens Door“ auftaucht. Schließlich kommen beide
Literaturexperten auf „die schönsten Sätze, die nicht von Bob Dylan
stammen, die er aber ganz prima hätte gesungen haben können“. Und da fällt
beiden selbstverständlich nur ein Satz ein: „Fällt Frau Antje in die
Gracht, treibt ein Käse durch die Nacht.“
## Der berühmteste Nuschler der Welt
Vielleicht, folgern Grote und Moritz dann, habe „der berühmteste Nuschler
der Welt“ diese Worte ja „bei einem holländischen Konzert in Amsterdam oder
Rotterdam“ bereits von sich gegeben. Und von diesem Himalaja-Gipfel der
Erkenntnis steigern sich die Teilzeit-Dylanologen in immer neue
Antje-Varianten hinein, die Dylan auf seiner Tour durch die Welt hätte
vortragen können. In den USA: „Fällt Frau Antje in den Rio Grande, gibt’s
statt Gouda Steak im ganzen Lande“. Oder in Frankreich: „Fällt Frau Antje
in die Rhone, klopft sie bald am Himmelsthrone.“
Für diese besondere Leistung geht der Jieper-Preis 2016 an Tom Grote und
Rainer Moritz im Nordwestradio von Radio Bremen. Die Begründung der
Wahrheit-Jury lautet: „In bester Tradition eines Heino Jaeger führten die
beiden Gesprächspartner einen nobelpreisverdächtigen Nonsensdialog von
poetischer Wucht, der aller Wahrheit-Ehren wert ist.“
Der Preis – eine Flasche edler Brandy der Marke Gran Duque d’Alba, genannt
„die große Ente“ – wird am kommenden Samstag, dem 22. Oktober 2016, um 14
Uhr beim Wahrheitklubtreffen auf der Frankfurter Buchmesse am taz-Stand
(Halle 4.1, D28) überreicht. Die Wahrheit gratuliert ganz herzlich Tom
Grote und Rainer Moritz und wünscht allen Teilnehmern am diesjährigen
Jieper-Preis eine nonsensige Zeit bis zum nächsten
Wahrheit-Unterbringwettbewerb 2017.
18 Oct 2016
## AUTOREN
Michael Ringel
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