| # taz.de -- Kommentar Europäische Solidarität: Gemeinsam die Kurve kriegen | |
| > Auf dem G-7-Gipfel wird am Montag das ganze Panorama aktueller Weltkrisen | |
| > diskutiert. Spannender wird aber das gleichzeitige Treffen der | |
| > Südeuropäer. | |
| Bild: Es geht um's liebe Geld: Die europäischen Südstaaten wollen Solidaritä… | |
| Gleich zwei hochkarätige internationale Gipfel stehen heute an. Im | |
| italienischen Lucca treffen sich die Außenminister der G7-Staaten. Und zur | |
| gleichen Zeit werden, auf Einladung des spanischen Ministerpräsidenten | |
| Mariano Rajoy, in Madrid die Regierungschefs der Südstaaten der EU | |
| zusammenkommen. | |
| Auf dem G7-Gipfel wird das ganze Panorama der aktuellen Weltkrisen | |
| diskutiert werden, von Syrien und der US-Raketenattacke auf das | |
| Assad-Regime über den Kampf gegen den IS, die Ukraine, Nordkorea, Libyen | |
| samt Mittelmeermigration. Im Mittelpunkt dürfte das schwierige Verhältnis | |
| des Westens zu Russland, das schwierige Verhältnis aber auch der | |
| europäischen Staaten zur Trump-Administration stehen. | |
| Kaum eine Vormeldung gab es dagegen für den zweiten Gipfel, und weit | |
| bündiger liest sich die Agenda des Südeuropa-Treffens in Madrid, auf dem | |
| Frankreich, Griechenland, Italien, Zypern, Malta, Spanien und Portugal | |
| vertreten sein werden. Über den Brexit solle verhandelt werden, heißt es im | |
| Vorfeld. Doch die Agenturen melden auch, die Gipfelteilnehmer wollten auf | |
| die Suche nach „einer neuen Vision für den Kontinent“ gehen. | |
| Nach einer Vision, dies wenigstens ist sicher, die mit der Berliner Sicht | |
| der europäischen Dinge in entscheidenden Punkten über Kreuz liegt. Denn | |
| nach sechs Jahren der Eurokrise ist die gute Nachricht zwar, dass es die | |
| Gemeinschaftswährung immer noch gibt – das war im Jahr 2011 alles andere | |
| als selbstverständlich, und ohne Marion Draghis Ansage aus dem Sommer 2012, | |
| die EZB werde alles tun („whatever it takes“), um den Euro am Leben zu | |
| erhalten, wäre der Zerfall wohl schon eingetreten. | |
| ## Solidarität statt Solidität | |
| Die schlechte Nachricht allerdings ist, dass die grundlegenden Konflikte in | |
| der Eurozone alles andere als überwunden sind. Recht besehen nämlich ist | |
| das gemeinsame Geld gar keine Gemeinschaftswährung, sondern bloß ein | |
| gemeinsames Zahlungsmittel. | |
| Ein Geld ohne hinter ihm stehenden Staat, auf der anderen Seite Staaten, | |
| die über kein eigenes Geld verfügen, die – jeder für sich – ihre | |
| Kreditwürdigkeit in einer ihrer Disposition entzogenen Währung verteidigen | |
| müssen: Dies ist der bleibende Widerspruch der Eurozone. | |
| Deutschland hat ein einfaches Rezept für dieses Problem: „Solidität“. Wenn | |
| jedes der Mitglieder des Clubs bloß solide wirtschafte, so diese Logik, | |
| dann habe auch keiner Schwierigkeiten, in der Eurozone zu prosperieren. Wo | |
| es keine gemeinsame Regierung gebe, da müssten eben gemeinsame Regeln dafür | |
| sorgen, dass keiner über die Stränge schlage. Die Eurokrise wird so zum | |
| Stahlbad stilisiert, aus dem die Südstaaten nach einer harten, aber am Ende | |
| reinigenden Krise nur gestärkt hervorgehen können. | |
| Ganz anders ist die Sicht des europäischen Südens. Nicht Solidität, sondern | |
| Solidarität gilt dort als erste Voraussetzung dafür, dass die Eurostaaten | |
| gemeinsam die Kurve kriegen, die Kurve hin zum Kernversprechen der EU an | |
| ihre Bürger, zu Prosperität, Wachstum, wachsendem Wohlstand auch. Mit | |
| anderen Worten: Nur als Gemeinschafts-, nicht bloß als gemeinsame Währung, | |
| so diese „neue Vision für Europa“ habe der Euro eine Überlebenschance. | |
| ## Echte Währungsgemeinschaft | |
| Gemeinschaftswährung: Das heißt perspektivisch auch Vergemeinschaftung der | |
| Risiken, der Risiken bei den Staatsschulden genauso wie im Bankensektor. Im | |
| harten Kern der Eurozone, in Deutschland, den Niederlanden, Finnland etwa, | |
| gelten solche Forderungen als unanständig, wird schon das Wort | |
| „Vergemeinschaftung“ als nachgerade unanständig empfunden. | |
| Mit einem Nachbarn, der sein Geld in Alkohol und Frauen investiere, so vor | |
| einigen Tagen der Eurogruppen-Chef, der Niederländer Jeroen Dijsselbloem, | |
| und der dann um Hilfe bitte, gebe es ja auch keine Solidarität. | |
| Zielführend sind solche Äußerungen nicht. Die Südstaaten sind ja mitnichten | |
| Bordelle, in denen der Schnaps in Strömen fließt. Gegenseitige | |
| Schuldzuweisungen in der Eurozone werden nie und nimmer aus der Krise | |
| führen, und auch Deutschland wird früher oder später einsehen müssen, dass | |
| nur eine echte Währungsgemeinschaft den Euro am Leben erhalten kann. | |
| An Solidarität – sprich an einer Vision, die wirtschaftliche Erfolge nicht | |
| bloß an den Exportüberschüssen , dem Wachstum, den Arbeitsmarktdaten in | |
| Deutschland bemisst, sondern den Blick auf die gesamte Eurozone öffnet – | |
| führt einfach kein Weg vorbei. Sonst werden wir bald die D-Mark, den Franc, | |
| die Lira wiederhaben. | |
| 10 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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