Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Arbeitsmarktpolitik von Martin Schulz: Ringen um die Agenda 2010
> Wirtschaftswissenschaftler warnen davor, Schröders Reformen zu
> revidieren. Auch SPD-Ministerpräsident Stephan Weil stimmt ein.
Bild: Wirtschaftsnahe Kreise würden bei Martin Schulz gerne ein wenig Luft abl…
Berlin taz Der Preis für die hysterischste Reaktion gebührt der
arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. In einer
ganzseitigen, bestimmt sündhaft teuren Anzeige in einer überregionalen
Tageszeitung ließ die Initiative texten: „Lieber Martin, erinnerst Du Dich
noch? 5,3 Millionen Arbeitslose. Glaubst Du wirklich, mit Deiner Rolle
rückwärts wird es besser?“
Mit der Anzeige – vergangene Woche geschaltet – wollten die Arbeitgeber den
SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz davor warnen, die Agenda 2010 zu
revidieren. Einer der Miterfinder der Agenda 2010, der ehemalige
sozialdemokratische Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, hat am Montag
Schulz ebenfalls vor dem „teilweisen Zurückdrehen der Reformen“ gewarnt.
„Die von Schulz gewünschte längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes hätte
nur einen Effekt: Sie würde den vorzeitigen Übergang in die Frührente
beflügeln“, schrieb Clement, der nach seinem Austritt aus der SPD die FDP
unterstützt hat, im Handelsblatt. Clement war unter Kanzler Schröder von
2002 bis 2005 Minister für Wirtschaft und Arbeit. Schröder verkündete die
Reformagenda 2003.
Auch der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Henning
Vöpel, hat Schulz vor einer teilweisen Rücknahme der Agenda 2010 gewarnt.
Man müsse im Gegenteil die Reform „weiterentwickeln angesichts der
Herausforderungen der Zukunft“, schreibt Vöpel in einem am Montag
veröffentlichten Standpunktepapier des Instituts. Statische
Umverteilungspolitik aber würde die Wachstums- und Innovationskräfte
lähmen, schrieb er.
## Weil will nur Korrekturen vornehmen
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) relativierte die
Debatte. Die wichtigsten Säulen des Konzepts seien „völlig unstrittig“. D…
Agenda 2010 habe einen großen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland vom
„kranken Mann Europas“ zu einem Vorbild für Europa geworden sei. Man müsse
jetzt schauen, wo im Detail Korrekturen notwendig seien, so Weil. So sei es
nicht fair, wenn man lange Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt
habe und dann im Fall des Jobverlustes schon nach kurzer Zeit nur noch
Hartz-IV-Leistungen bekomme.
Vor der Agenda 2010 konnten langjährig Berufstätige, die ihren Job
verloren, bis zu 32 Monate lang Arbeitslosengeld bekommen – und dann bis
zur Rente die immer noch lohnabhängige Arbeitslosenhilfe. Die
Arbeitslosenhilfe wurde mit Beginn 2005 durch die Agenda 2010 mit der
Sozialhilfe zu einer Leistung zusammengelegt: nämlich Hartz IV mit festen
Regelsätzen. Ältere Arbeitslose aber können das Arbeitslosengeld seit 2008
wieder bis zu 24 Monate lang bekommen.
Im Zuge der Agenda 2010 wurden einige Deregulierungen gemacht. Unter
anderem wurde es Zeitarbeitsfirmen ermöglicht, ihren Beschäftigten sofort
zu kündigen, wenn ein Auftrag beendet war. Die sachgrundlose Befristung von
Arbeitsverträgen gab es hingegen schon vor der Agenda 2010. Auch das
Stoppen der Frühverrentungen hatte schon unter Sozialminister Norbert Blüm
(CDU) begonnen.
Schulz hat bisher noch nicht konkret angekündigt, ob und für welche
Altersgruppen er das Arbeitslosengeld I verlängern will. Konkret forderte
er, die sachgrundlose Befristung bei Arbeitsverträgen abzuschaffen.
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wurde beauftragt, ein Konzept für
mögliche Sozialreformen zu entwickeln.
27 Feb 2017
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Arbeitsmarkt
Wolfgang Clement
Stephan Weil
Martin Schulz
Agenda 2010
Kolumne Flimmern und Rauschen
Arbeitslosengeld
Arbeitslosengeld
Hartz IV
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Hartz IV
Sozialgericht
Bündnis 90/Die Grünen
Martin Schulz
Kanzlerkandidatur
Kanzlerkandidatur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wolfgang Clement: Das Lebenswerk des Medienmannes
Wolfgang Clement wollte ganz NRW zum Medienstandort machen. Dabei vergaß
er, dass Oberhausen nicht London ist.
Kommentar „Arbeitslosengeld Q“: Da läuft was schief
Das eigentliche Problem, das Alter der Arbeitslosen, löst Schulz' Vorschlag
nicht. Und er ist gegenüber Beziehern von Hartz IV nicht fair.
Änderungen der Agenda 2010: Q wie Qualifizierung
Die SPD beschließt die Forderung nach Verbesserungen beim Arbeitslosengeld
I. Weiterbildungen sollen früher und länger möglich sein.
Martin Schulz will Agenda 2010 justieren: Gegenwind für die Reform der Reform
Kanzlerkandidat Martin Schulz will eine „Bundesagentur für Arbeit und
Qualifizierung“. Die CDU ist entsetzt, Arbeitgeber ebenso.
Linke im Bundestagswahlkampf: Wagenknecht an der Spitze in NRW
Die Landtagswahl kommt zwar zuerst, doch Piraten und Linke beschäftigten
sich schon mit der Bundestagswahl. In NRW haben sie ihr Spitzenpersonal
gekürt.
Kommentar Grünen-Arbeitsmarktpolitik: Mutlos in der Gerechtigkeitsfrage
Soziale Gerechtigkeit steht bei den Grünen nach wie vor nicht hoch im Kurs.
Einen Bruch mit der Agenda 2010 wagt die Partei nicht.
Kolumne German Angst: Hartz IV, die namenlose Hölle
SPD-Kandidat Schulz will ALG I ein bisschen reformieren. Der wahre Skandal
ist aber weiterhin das ALG II, auch „Hartz IV“ genannt.
8-Punkte-Plan zur Arbeitspolitik: Auch Grüne jetzt sozial
Nach SPD-Mann Martin Schulz fordern nun auch die Grünen eine Reform der
Arbeitspolitik. Differenzen zur SPD zeigen sich im Bereich der Agenda 2010.
Debatte Martin Schulz und Hartz IV: Wie sozial ist er?
Kanzlerkandidat Schulz will Teile der Agenda 2010 zurücknehmen.
Entscheidend wird, ob ihm ein Kurswechsel gelingt.
Agenda 2010 im Wahlkampf: Sie sind wieder da
Martin Schulz will ein paar Änderungen an der Agenda 2010. Und schon stehen
wieder die alten Gegner linker SPD-Politik auf der Matte.
Kommentar Schulz und seine Ziele: Sozialpolitik ist nicht nur Wellness
Der SPD-Kanzlerkandidat konkretisiert nur vorsichtig seine Ziele zu Agenda
2010, Renten und Rollenvielfalt. Die heiklen Themen spart er weiterhin aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.