# taz.de -- Agenda 2010 im Wahlkampf: Sie sind wieder da | |
> Martin Schulz will ein paar Änderungen an der Agenda 2010. Und schon | |
> stehen wieder die alten Gegner linker SPD-Politik auf der Matte. | |
Bild: Alte Gegner linker SPD-Politik haben sich bisher im Hintergrund gehalten,… | |
Am Tag nach Schulz’ Rede waren sie wieder alle da. „Die zehn Millionen | |
Wähler, die die SPD zwischen 1998 und 2009 verloren hat, wird Schulz durch | |
eine Abkehr von der Agenda 2010 nicht zurückgewinnen können“, verkündete | |
Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, im | |
Handelsblatt. Die Mehrheit der Deutschen halte die Reformen für richtig. | |
„Die SPD war immer dann erfolgreich, wenn sie wie unter Willy Brandt und | |
Gerhard Schröder eine Zukunftsperspektive entwickelt hat.“ Außer bei der | |
Wahl 2005, als die Agenda erstmals zur Wahl stand und Rot-Grün seine | |
Mehrheit verlor, hätte Güllner hinzufügen können, unterließ es aber. | |
Güllner gilt unter Sozialdemokraten schon lange als Sympathisant des | |
rechten Parteflügels – als einer, der seine These, dass nur eine | |
wirtschaftsfreundliche SPD eine erfolgreiche SPD sein könne, notfalls immer | |
mit passenden Umfragedaten untermauern kann. 2008 etwa, kurz bevor | |
Parteichef Kurt Beck einem innerparteilichen Putsch zum Opfer fiel, waren | |
die SPD-Umfragedaten bei Forsa deutlich niedriger als bei Emnid und der | |
Forschungsgruppe Wahlen. Beck hatte erste Korrekturen an der Agenda 2010 | |
vorgenommen. | |
Ein längeres Arbeitslosengeld I, weniger befristete Arbeitsverträge, eine | |
Stabilisierung des Rentenniveaus – die Änderungen, die SPD-Kanzlerkandidat | |
Martin Schulz nun verkündete, sind eher bescheiden. Und dennoch sind die | |
Konfliktkonstellationen danach fast wieder dieselben wie zu rot-grünen | |
Zeiten: Wirtschaftslobby, rechte Sozialdemokraten, Nutznießer der Agenda | |
2010 und wirtschaftsliberale Medien positionieren sich gegen mehr | |
Umverteilung. Zum Teil dasselbe Personal, zum Teil in neuen, zum Teil in | |
alten Rollen. | |
In der Bild kommentiert Rolf Kleine: „Die Agenda 2010 führte die SPD ins | |
Langzeitkoma. Aber Millionen Arbeitslose fanden wieder einen Job. Schulz | |
muss der Versuchung widerstehen, mit einer Rolle rückwärts auf Wählerjagd | |
zu gehen. Dazu ist die Agenda – immer noch – zu wertvoll.“ Kleine war sch… | |
zu Schröder-Zeiten als Leiter des Hauptstadtbüros bei Bild. Später | |
wechselte er zur Deutschen Annington, einem der größten Profiteure der | |
Wohnraumprivatisierungswelle. Peer Steinbrück holte ihn inmitten seiner | |
missratenen Kanzlerkandidatur als Sprecher, dann wechselte Kleine wieder | |
zur Bild zurück. | |
## Schulz ist kein linker Sozialdemokrat aus Überzeugung | |
Selbstverständlich fehlen auch der BDA, der frühere SPD-Wirtschaftsminister | |
Wolfgang Clement und der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), | |
Michael Hüther, mit Einsprüchen gegen Schulz nicht: Eine Verlängerung des | |
Arbeitslosengeldes I führe „nicht zu höherer Wiederbeschäftigung“, sonde… | |
„wäre reine Alimentierung“, sagte Hüther. | |
Der Wind, der Schulz entgegenbläst, lässt erahnen, wie groß der Widerstand | |
sein würde, falls die SPD oder Rot-Rot-Grün sich an grundlegende Reformen | |
wagen würden: die Bürgerversicherung etwa oder eine Rekommunalisierung des | |
Wohnungsbaus in großem Stil. Die Frage ist, ob die SPD darauf vorbereitet | |
ist. | |
Schulz ist – im Gegensatz etwa zu Labour-Chef Jeremy Corbyn, der eine | |
monatelange Kampagne von Teilen des Guardian gegen ihn dank einer | |
Basismobilisierung überstanden hat – kein linker Sozialdemokrat aus | |
Überzeugung. Der „Nürnberger Mitte“, die SPD-Strömung, die Schulz währe… | |
Rot-Grün betrieb, gehörten Clement und Arbeitsminister Walter Riester an. | |
Immerhin sind die Zeiten, in denen die AfD mit ihren Provokationen noch die | |
Republik vor sich hertreiben konnte, vorbei. Es geht wieder um Inhalte. | |
Wenn die SPD es jetzt noch schafft, Manfred Güllner und Bild zu ignorieren, | |
wäre schon viel gewonnen. | |
21 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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