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# taz.de -- Änderungen der Agenda 2010: Q wie Qualifizierung
> Die SPD beschließt die Forderung nach Verbesserungen beim
> Arbeitslosengeld I. Weiterbildungen sollen früher und länger möglich
> sein.
Bild: Jetzt wird alles besser
Berlin taz Die SPD konkretisiert nun die von Martin Schulz angekündigten
Änderungen an der Agenda 2010. Arbeitsministerin Andrea Nahles stellt am
Montag in Berlin ein Konzept zur Erweiterung des Arbeitslosengeldes vor.
Die Zielrichtung der drei Vorschläge ist klar: Arbeitslose sollen sich
früher und länger weiterbilden können, ohne deshalb, wie derzeit, mit
kürzerer Zahlung des Arbeitslosengeldes bestraft zu werden. Viel Fördern,
ein bisschen Fordern, so kann man den SPD-Plan skizzieren, den Nahles „als
Weiterentwicklung der Agenda 2010“ bezeichnete.
Ein Kernpunkt der SPD ist das Arbeitslosengeld Q. Arbeitslose, die sich
weiterbilden, sollen künftig nicht weniger Anspruch auf den Bezug von
Arbeitslosengeld haben. Derzeit gilt: Wer ein halbes Jahr eine
Weiterbildung macht, bekommt drei Monate weniger Arbeitslosengeld, was in
der Regel 60 Prozent des letzten Nettoverdienstes sind. Nach dem
SPD-Vorschlag soll es künftig möglich sein, dass Ältere in Extremfällen bis
zu vier Jahre Arbeitslosengeld beziehen – erst zwei Jahre ALG Q, dann ALG
1.
[1][Die Union lehnt Nahles’ Arbeitslosengeld Q schroff ab]. Der
CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs sprach von einem „gigantischen
Frühverrentungsprogramm, das sehr teuer“ werde. Die Arbeitgeberverbände
klingen ähnlich. Eine Befürchtung lautet: Weil Ältere bis zu vier Jahre
Arbeitslosengeld beziehen könnten – zwei Jahre Arbeitslosengeld Q, dann
Arbeitlosengeld I –, könnte es Firmen leicht gemacht werden, ältere
Arbeitnehmer vor die Tür zu setzen. Nahles kündigt indes an: „Wir wollen
damit keine Brücke in die Rente bauen“. Die Kritik sei „Gerede aus den 90er
Jahren“. Damals habe Massenarbeitslosigkeit geherrscht, heute habe man
Facharbeitermangel. Deshalb brauchen, so Nahles, „auch 60-Jährige
Qualifizierung“.
Dass ausgerechnet die Arbeitgeber, die die Rente mit 67 am liebsten noch
ausweiten würden, sich gegen die Weiterbildung von Älteren sperren, sei
inkonsequent: „Man kann doch von den Leuten nicht verlangen, dass sie
länger arbeiten, aber ihnen die Qualifizierung bei Arbeitslosigkeit
verwehren.“ Auch Zweifeln an der Praxistauglichkeit widersprach Nahles. Die
Idee, dass über 60-Jährige, falls die SPD ihre Pläne umsetzen kann, „eine
grundsätzliche Umschulung“ bekämen, sei unrealistisch. Die Kosten für das
Arbeitslosengeld Q beziffert Nahles auf 600 Million Euro im Jahr. Das sei
aber nur eine „grobe Schätzung“.
## SPD im Offensivmodus
Zudem will die SPD die Hürde für Arbeitslosengeld senken. Wer in den
letzten drei Jahren 10 Monate beschäftigt war, soll Arbeitslosengeld
bekommen – derzeit muss man dafür in den letzten zwei Jahren ein Jahr
gearbeitet haben. Geschätzte Kosten: 400 Millionen Euro. Laut
SPD-Kalkulation würden von dieser Neureglung etwa 100.000 Arbeitslose
profitieren. Diese Lockerung soll, so die Begründung, besonders
Arbeiternehmern in Kultur- und Medienberufen helfen und die „Übergänge
zwischen Erwerbstätigkeit und Phasen der Arbeitslosigkeit“ abfedern. Das
sei nötig, weil es in der digitalen Ökonomie immer mehr flexible
Beschäftigungsverhältnisse gebe.
Drittens strebt die SPD ein Recht auf Weiterbildung nach dreimonatiger
Arbeitslosigkeit an. Bisher kann die Bundesagentur Arbeitslosen
Qualifizierungsmaßnahmen anbieten, laut SPD-Plänen wäre sie in der Zukunft
dazu verpflichtet. Außerdem soll das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger
auf bis zu 18.000 Euro steigen.
Die SPD ist, seit der Nominierung von Martin Schulz, im Offensivmodus. So
versucht sie die Union bei der Begrenzung der Managergehälter und der Ehe
für alle, der völligen Gleichstellung homosexueller Paare, vor sich
herzutreiben. Mit Erfolg. Denn bei beiden Themen ist die Union selbst
zerstritten. Beim „Arbeitslosengeld Q“ sieht das anders aus. Die Union
lehnt Nahles’ Konzept unisono ab, wenn auch mit verschiedenen Begründungen.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warf der SPD vor, die
Bundesrepublik „zum kranken Mann Europas zu machen“. Pragmatischer klingt
die Kritik von Peter Weiß, Chef der Arbeitnehmergruppe in der
Unionsfraktion. Schon derzeit würden die Fördermittel der Bundesagentur für
Arbeit zu wenig abgerufen – will sagen: Für mehr Weiterbildung gebe es gar
keine Nachfrage.
Differenzierte Kritik kommt von den Grünen. Brigitte Pothmer,
Arbeitsmarktexpertin der grünen Bundestagsfraktion, hält es für „richtig,
mehr als bisher in Arbeitslose und ihre Qualifikationen zu investieren“.
Allerdings würde davon nur eine Minderheit der Arbeitslosen profitieren –
nämlich jene, die noch das ALG l beziehen. „Damit werden“ so Pothmer, „a…
Arbeitslosengeld-II-Bezieher und damit fast zwei Drittel der Arbeitslosen
ausgeschlossen. Sie passen offenbar nicht ins SPD-Schema vom „hart
arbeitenden Menschen“.
6 Mar 2017
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[1] /Martin-Schulz-will-Agenda-2010-justieren/!5389294
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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