# taz.de -- Elektromobilität in Deutschland: Batterie voll, Tank leer | |
> Die Umstellung von Benzin- auf Elektroautos kostet viele Arbeitsplätze. | |
> Sie ist aber notwendig und bietet Chancen für den Klimaschutz. | |
Bild: Es gibt noch viel zu tun für die Automobilindustrie auf dem Weg zur Elek… | |
BERLIN taz | Öffnen Sie mal die Motorhaube Ihres Autos. Schauen Sie nach, | |
was in Ihrem Fahrzeug nicht mehr gebraucht würde, wäre es ein E-Auto: der | |
ganze Verbrennungsmotor mit Zylindern, Kolben und Einspritzsystem, dazu | |
Getriebe, Gangschaltung, Auspuff, Abgasreinigungsanlage, Tank. All diese | |
Teile braucht ein Elektroauto nicht. Und wenn es dereinst keine Fahrzeuge | |
mit Verbrennungsmotoren mehr gibt, braucht auch niemand mehr Fabriken und | |
Arbeitskräfte, die diese Teile herstellen. | |
Die Automobilindustrie steht vor einem Umbruch. Wie viele Jobs in der | |
Branche, eine Stütze des Wohlstands in Deutschland, wegfallen werden, weiß | |
niemand. Denn noch ist unklar, wie schnell der Umbruch stattfindet. Derzeit | |
gibt es gerade mal 26.000 reine E-Autos in Deutschland, während rund 45 | |
Millionen Autos von Verbrennungsmotoren angetrieben werden. | |
Fakt ist aber: Der Antriebsstrang eines Verbrenner-Autos ist komplexer und | |
in der Herstellung arbeitsintensiver als der eines E-Autos. Die verbauten | |
Teile im Motor sind keine einfachen Lego-Klötzchen, sondern Ergebnis | |
jahrzehntelanger Forschung und Herstellungsoptimierung – sie müssen hohen | |
Druck, Temperaturen und Geschwindigkeiten aushalten. Verschwinden die | |
Teile, verschwindet auch Know-how. | |
Einbußen wird es auch beim Drumherum geben, das zum Betrieb eines Benzin- | |
oder Dieselautos notwendig ist: von der Entwicklung der | |
Motorsteuerungssoftware bis zu den Werkstätten, von den Raffinerien bis zu | |
den Tankstellen. Das bedeutet: Ohne Verbrenner wird die Branche langfristig | |
wohl weniger Menschen beschäftigen – selbst wenn auch E-Autos Karosserien, | |
Achsen, Bremsen, Räder, Reifen, Sitze, Scheiben und Beleuchtung brauchen. | |
## Zulieferer bedroht | |
„Wenn das Auto mit Verbrennungsmotor durch das Elektroauto ersetzt wird, | |
fällt ein Großteil der Wertschöpfung weg“, sagt Stefan Bratzel, Autoexperte | |
an der Fachhochschule Bergisch Gladbach gegenüber der taz. 30 bis 40 | |
Prozent der Wertschöpfung beim Verbrenner mache der Antriebsstrang aus. Ein | |
Verbrennungsmotor bestehe aus 1.000 Teilen, bei einem E-Motor seien es nur | |
50. „Das macht Herstellung und Montage eines Elektromotors wesentlich | |
einfacher.“ | |
Sollten die traditionellen Autos komplett durch E-Autos ersetzt werden, | |
würden 20 bis 25 Prozent der Arbeitsplätze in der Autoindustrie wegfallen, | |
schätzt Bratzel. Ob sie durch die Batterieproduktion ersetzt werden, ist | |
fraglich. Manche Hersteller haben schlicht nicht vor, in diese Sparte zu | |
investieren. Und selbst wenn die Fertigung der Batteriezellen in | |
Deutschland angesiedelt wird, werden trotz hoher Wertschöpfung dafür wenige | |
Arbeitskräfte benötigt. Bratzel: „Die Batteriefertigung ist | |
hochautomatisiert.“ Dennoch sei es sinnvoll, Batterien auch in Deutschland | |
herzustellen, schon um die Abhängigkeit von den Produzenten in Fernost oder | |
den USA zu verringern. | |
„Die Transformation der Industrie wird aber nicht von heute auf morgen | |
stattfinden“, ist sich Bratzel sicher. Mitte der zwanziger Jahre werde es | |
wohl einen Umschwung geben, wenn wegen der Nachfrage nach Elektroautos das | |
absolute Volumen bei den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren abnehme. Dann | |
könnten auch Zulieferer Probleme bei der Finanzierung von Innovationen | |
bekommen. Die Zulieferer müssten sich bis dahin nach neuen Branchen | |
umschauen oder in der E-Mobilität Fuß fassen. | |
Das sehen die Insolvenzverwalter ähnlich. Allein in der Zulieferindustrie | |
könnten 100.000 Arbeitsplätze verloren gehen, sagt Insolvenzanwalt Martin | |
Prager. Gerade hoch spezialisierte Zulieferer stünden vor existenziellen | |
Herausforderungen. „Viele werden die Anpassung nicht schaffen.“ | |
## Nur noch das Blechgehäuse? | |
Auch die IG Metall warnt. Mehr als jeder vierte Arbeitnehmer in der | |
Autoindustrie und bei den Zulieferern in Deutschland sei in der Fertigung | |
von Motoren und Getrieben tätig: 250.000 von rund 880.000 Menschen. Sie | |
bräuchten langfristig eine Perspektive. Ein Verbot von Autos mit | |
Verbrennungsmotoren lehnt die Gewerkschaft jedoch ab. „Durch Verbote | |
bekommen wir den klimafreundlichen Umstieg nicht hin, sondern gefährden nur | |
Arbeitsplätze.“ | |
Für Manfred Schoch, Arbeitnehmervertreter bei BMW, ist denn auch klar. | |
„Arbeitsplätze, die wir in der Fertigung von Verbrennungsmotoren verlieren, | |
müssen wir anderswo schaffen.“ Sonst bleibe „uns nur noch das Blechgehäus… | |
und dann Gnade uns Gott.“ | |
Allerdings: Wo Schatten ist, da muss auch Licht sein. Denn die E-Autos | |
erfordern nicht nur Investitionen in die Batterietechnik, | |
Fahrzeugelektronik und -vernetzung, sondern es werden auch neue | |
Herstellungsverfahren und Materialien benötigt. Wer da die Nase vor hat, | |
kann in Zukunft gute Geschäfte machen. | |
Der Lackieranlagenspezialist Dürr beispielsweise sieht viele | |
Wachstumschancen durch E-Autos. „Es gibt viele Projekte von neuen | |
Herstellern, die mit uns sprechen über neue Fabriken“, sagte Dürr-Chef Ralf | |
Dieter am Donnerstag. Neben Lackierrobotern in neuen Fabriken könnte Dürr | |
auch mit seiner Befülltechnik punkten, wenn vermehrt Batterien hergestellt | |
werden. | |
24 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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