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# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Tesla-Gangster ganz weit vorn
> Der Kavalierstart an der Ampel gilt als Ökosünde. Aber was, wenn die
> Breitreifen-Raser plötzlich vollelektrisch am Start sind?
Bild: Auftanken fürs Öko-Rasen: Tesla Model S
Das Auto an der Ampel schaukelt im Rhythmus der Bässe. Die beiden
Basecap-Typen schauen kaum über den Türrand, so tief hängen sie in ihren
Rennsitzen. Gangsterrap dröhnt aus den runtergelassenen Fenstern.
Kreuzberg normal. Dann fährt der Wagen an. Lautlos. Die 700 Meter bis zu
den Yorckbrücken schaffen die PS-Kids in gefühlten drei Sekunden. Die
anderen Fahrer überlegen noch, ob Grün ist. Mir wird klar: Der schwarze,
breite, flache, superschnelle Wagen war ein Tesla, einer dieser
Elektro-Sportwagen aus den USA. Kostet um die 80.000 Euro.
In mir erhebt sich der Mittelstandspuper. Die Insassen sahen aus, als kämen
sie aus Neukölln. Wahrscheinlich haben sie den Hauptschulabschluss
vergeigt, das Auto geklaut oder mit Gewinnen aus dem Drogenhandel
finanziert. Aber Tatsache bleibt: Die Dicke-Hosen-Jungs sind ganz weit
vorne.
Während 99,9 Prozent der Gesellschaft noch fossil unterwegs sind, haben die
Tesla-Gangster die Bedeutung der Ökomobilität erkannt. Vielleicht geht es
ihnen in erster Linie um den Wert der Karre als Ego-Booster. Trotzdem
erfolgt die Selbstbewusstseinssteigerung klimaneutral.
Wir dagegen sind zu drei Vierteln eine erdölbasierte Familie. Meine Exfrau
fährt einen Benziner-Kleinwagen, ich ebenfalls. Unser Sohn macht gerade den
Führerschein. Ich glaube nicht, dass Ökologie ein wichtiges Kriterium
seiner Fahrzeugwahl bilden wird. Nur unsere Tochter müssen wir zum
Führerschein tragen. Sie lehnt Autofahren wegen der Umweltschäden ab.
Die Tesla-Besatzung setzt genau das um, was Firmenchef Elon Musk plante.
Weil vollelektrische Fahrzeuge noch innovativ, schwer zu verkaufen und
teuer sind, ließ er Ferrari-mäßige Vorzeigegeschosse entwickeln, mit denen
Reiche ihren materiellen, aber auch ökologischen Vorsprung zeigen können.
Durch das Vorbild wird E-Mobilität attraktiv, die Mittelschicht will es
nachahmen, der Markt wächst, die Preise sinken, das Produkt setzt sich
durch.
Dass nun auch Hängehosenträger aus unseren urban ghettos als role models in
Sachen Klimaschutz auftreten, ist wohl eine unbeabsichtigte Nebenfolge der
Tesla-Strategie. In jedem Fall gibt es nicht nur Hoffnung in ökologischer
Hinsicht, sondern stellt auch soziale Hierarchien auf den Kopf.
Vielleicht sollte ich öfter die Randgebiete unser Stadt besuchen und mich
nach ökologischem, sozialem, kulturellem und ökonomischem Fortschritt
umschauen. Man hört ja, dass das Leben dort auf der Straße stattfindet,
Nachbarschaften noch funktionieren, jeder jedem hilft, aus Türkisch,
Arabisch, Deutsch und Rumänisch eine neue Weltsprache entsteht, ein
modernes Esperanto gewissermaßen, das tatsächlich gesprochen wird.
Es heißt auch, dass vermeintliche Elendssiedlungen inzwischen mit
selbsterzeugtem Ökostrom erleuchtet und beheizt werden, weil der billiger
ist als Elektrizität aus dem Netz. Vielleicht summen dort auch schon
Drohnentaxis durch die Luft, in denen kostenlos Haschisch angeboten wird –
etwas, das die Berliner Grünen einfach nicht durchsetzen.
Und man erzählt sich, dass dort nachts Autos abgefackelt werden.
Wahrscheinlich, um die alten Dreckschleudern zu zerstören und den sauberen
Ökomobilen den Weg zu bereiten. Wenn ich hingehe, dann am besten zu Fuß.
Ich will nicht als Ökosau erscheinen und dafür eins auf die Fresse kriegen.
26 Mar 2017
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Mobilität
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