# taz.de -- Gesetzentwurf zum autonomen Fahren: Das vernetzte Auto | |
> Am Freitag schafft die Bundesregierung die rechtliche Grundlage für | |
> selbstfahrende Autos. Das Sammeln von Daten sehen viele kritisch. | |
Bild: Nicht das mögliche Verkehrschaos ist das Problem, sondern die Blackbox i… | |
Berlin taz | Zeitung lesen, Kaffee trinken, E-Mails schreiben – und | |
gleichzeitig Autofahren. Die Technik soll es künftig möglich machen. Der | |
Computer fährt, der Mensch widmet sich anderen Dingen. Am Freitag berät der | |
Bundestag über die Änderungen im Straßenverkehrsgesetz und schafft damit | |
die rechtliche Grundlage für das automatisierte Fahren in Deutschland. | |
Im vernetzten Auto werden jede Menge Daten gesammelt und verarbeitet. Zum | |
Beispiel, wann Mensch oder Maschine die Kontrolle über das Fahrzeug haben, | |
wohin die Reise geht oder ob die Technik mal versagt. Problematisch ist für | |
den Gesetzgeber vor allem die Frage der Haftung, wenn ein Unfall passiert. | |
Die gesammelten Daten sollen dann helfen, den Fall zu klären. Ähnlich wie | |
die Blackbox im Flugzeug, werden im Auto elektronische Speicher | |
verpflichtend. | |
Klingt praktisch. Doch Deutschlands oberste Datenschützerin Andrea Voßhoff | |
(CDU) meldet pünktlich zur ersten Lesung der Gesetzesvorlage im Bundestag | |
Bedenken an. In Datenschutzfragen sei der Entwurf zu vage, zu ungenau und | |
schaffe rechtliche Risiken für Fahrer und Fahrerinnen, sagt sie. Welche | |
Fahrdaten werden gespeichert? Wer hat überhaupt Zugriff? Wann werden die | |
Informationen wieder gelöscht? Für Voßhoff sind diese Fragen in der | |
derzeitigen Gesetzesvorlage von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt | |
(CSU) nicht geklärt. | |
Die CDU-Politikerin ist mit ihrer Kritik nicht allein. Besonders ein Passus | |
im Entwurf stößt auf Widerstand bei Daten- und Verbraucherschützern. Auf | |
Verlangen können Behörden, die für die Überwachung des Straßenverkehrs | |
zuständig sind, die aufgezeichneten Daten einsehen. Auch sogenannte | |
berechtigte Dritte haben ein Recht auf Zugriff. Zum Beispiel, wenn | |
Geschädigte nach einem Unfall Schadenersatz fordern. | |
Das heißt, nicht nur die Polizei könnte die Aufzeichnungen bewerten und | |
speichern, sondern auch Sachverständige oder Unfallgutachter. Unklar ist, | |
welche Daten sie einsehen können. Ziel der Reise, die Höhe des Sitzes, | |
rasanter oder gemächlicher Fahrstil – auch Informationen dazu können | |
gespeichert werden. Dabei sind diese Daten nicht nötig, um einen Unfall zu | |
rekonstruieren. | |
## Komplettes Tracking aller Daten | |
Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband warnt vor dem Auto | |
als „Totaldatenschreiber“. Für die Expertin für Mobilität und Reise sind | |
die Zugriffsmöglichkeiten der Behörden – und der berechtigten Dritten – | |
viel zu weit gefasst. „Um die Fahrt zu bewerten, werden nur GPS-Datum und | |
Zeit sowie die Information, ob die Fahrfunktion ein- oder ausgeschaltet war | |
sowie eine Übergabeaufforderung vom Fahrer an das System, gebraucht“, sagt | |
Jungbluth. „Ein komplettes Tracking beim Autofahren lehnen die Menschen | |
ab.“ Sie plädiert für ein sogenanntes Trust Center, eine vertrauenswürdige | |
Stelle, die Daten sammelt und nur die Informationen an die Behörden | |
weitergibt, die auch benötigt werden. | |
Auch Versicherungen, Autobauer, Reifenhersteller liebäugeln mit der Fülle | |
an Daten aus dem vernetzten Auto. Wie viel Benzin wird verbraucht? Welche | |
Fahrweise beansprucht den Motor besonders stark? Welchen Komfort schätzen | |
Fahrer und Fahrerin? Eric Hilgendorf spricht von einem hohen ökonomischen | |
Wert dieser Daten. Da sie sich aber in einem nahezu rechtsfreien Raum | |
befänden, könnten sie von Dritten fast nach Belieben abgezogen werden, sagt | |
der Professor für Strafrecht an der Universität Würzburg. Der Halter des | |
Wagens müsse bei der Verwendung seiner Daten ein Mitspracherecht haben. | |
Das sieht auch Konstantin von Notz, Netzexperte der | |
Grünen-Bundestagsfraktion, so. Er hält nichts von einem „gläsernen | |
Autofahrer“. Die Hoheit über die Daten bleibe bei den Fahrern. Für den | |
Grünen-Politiker dient der Gesetzesentwurf in erster Linie dazu, die | |
Hersteller aus der Verantwortung zu nehmen. „Sie bekommen die | |
wirtschaftlich immer wertvoller werdenden Daten, haften müssen aber | |
andere“, sagt von Notz. So entstehe kein Vertrauen für neue Technologien. | |
## Die Datensicherheit | |
Hinzu kommt die kriminelle Anziehungskraft der Daten. Wissenschaftler | |
Hilgendorf spricht von Diebstahl, von Sabotage, sogar von | |
lebensgefährlichen Unfällen, die Hacker verursachen können, wenn sie in die | |
Systeme eindringen. Science-Fiction oder berechtigter Einwand? | |
„Die Haftung für Sabotagesicherheit dürfte inzwischen eine der wichtigsten | |
Fragen im Zusammenhang mit dem automatisierten Fahren darstellen“, sagt | |
Hilgendorf. Klare Haftungsvorgaben müssten den Herstellern einen Anreiz | |
geben, ihre Systeme so sicher wie technisch möglich und zumutbar zu machen. | |
Alexander Dobrindts Gesetzesvorlage wirft viele Fragen auf. Die | |
Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff hat deutliche Nachbesserungen beim | |
Datenschutz gefordert. Trotzdem drückt die Regierung beim automatisierten | |
Fahren aufs Tempo. Auch der Bundesrat berät am Freitag über Dobrindts | |
Vorlage. Für den 20. März ist eine weitere Anhörung zum Gesetzesentwurf im | |
Verkehrsausschuss anberaumt. Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz | |
verabschiedet werden. | |
10 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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