# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Polo mit Gerechtigkeitsturbo | |
> Merkel oder Schulz – das ist ungefähr so wie die Wahl zwischen Golf | |
> Diesel oder Polo Diesel. Es braucht aber eine politisch-kulturelle | |
> Alternative. | |
Bild: Lichtgestalt mit Turbo: Martin Schulz (SPD) | |
Soll man einen Golf Diesel oder einen Polo Diesel nehmen? Da grübeln manche | |
monatelang. In etwa der gleiche Unterschied besteht zwischen Merkel und | |
Schulz. Beziehungsweise, um genauer zu sein, zwischen den dahinter | |
stehenden Parteien Golf (Union) und Polo (SPD). Mit beiden kann man | |
ordentlich CO2 ausstoßend durch die Gegenwart brummen, aber beide haben – | |
meine Unterstellung – keine Zukunft, nicht nur sozialökologisch gesehen, | |
sondern auch was die Gestaltung einer Transformation der | |
Industriegesellschaft angeht. | |
Jedenfalls wollen nicht nur strategische Illusionisten, sondern selbst | |
altgediente politische Beobachter ernsthaft behaupten, dieser Polo „Schulz | |
Authentic Edition“ sei womöglich ganz anders und das krasse Gegenmodell zum | |
Golf „Merkel Solid Gold“. Weil: Unter der SPD-Haube verberge sich eventuell | |
ein neuartiger GTI-Motor (Gerechtigkeitsturbo-Infusion). | |
Wo soll der denn entwickelt worden sein? In den Gremien der SPD sicher | |
nicht. In den bis zum letzten Gramm CO2 verteidigten Kohlezechen | |
Nordrhein-Westfalens definitiv auch nicht. Im SPD-Wirtschaftsministerium, | |
das die Solarbranche und die Existenz der dort ehrlich und hart arbeitenden | |
Leute vernichtet hat? Wenn überhaupt, dann in Brüssel und | |
radikal-europäisch. Das wird die EU-skeptischen Linkspopulisten aber | |
freuen. | |
Die Gegenwart ist eine Mitarbeiterversammlung auf der Titanic, nach der | |
Kollision mit dem Eisberg, bei der eine All-Gender-Toilette beschlossen und | |
ein Mindestlohn in Aussicht gestellt wird, der ab 1913 in Kraft tritt. Die | |
Probleme sind so komplex, dass nicht nur fanatische Fremdenhasser diese | |
wirklichen Probleme ignorieren und ihr Denken auf eine Scheinlösung | |
reduzieren. In der autoritätsfixierten Kleinbürgerpartei SPD reden sie sich | |
seit Jahrzehnten ein, das Problem sei der jeweilige Vorsitzende. Weshalb | |
sie ihn ständig unter größtem Ächzen austauschen. | |
Das lenkt so schön ab. Sich und die Wähler. Jetzt soll die Lösung auch noch | |
darin bestehen, dass der Vizekanzlerkandidat Schulz kein Abitur hat, keine | |
Brioni-Anzüge trägt und aus einer Kleinstadt kommt. Wie verzweifelt ist das | |
denn? Mal abgesehen davon, dass man die grassierenden anti-intellektuellen | |
Ressentiments auf keinen Fall stumpf befriedigen darf, indem man Bildung | |
als Zeichen von Abgehobenheit beschreibt: Das ist alles einfach komplett | |
schnurz für die Lösung eines politischen Problems. Es steht für die | |
fatal-illusionistische Hoffnung, wir seien noch im Zeitalter der | |
Symbolpolitik. | |
## Reflexhafte Beschwörungen | |
Will sagen: Es ist schön für die SPD, wenn sie sich mit Schulz kurzfristig | |
gut fühlt. Und ja, Wahlen werden durch Habitus und Gefühle entschieden. | |
Aber die Frage für uns Medien und Intellektuelle ist, ob man Illusionismus | |
affirmativ befördert. Sich nicht zu blöd ist, Merkel als „müde“ aussehend | |
zu beschreiben. Oder Schulz gar als omnipotente superlinke Führerfigur | |
anbetet, der die menschlichen Gefühle hat, die Merkel fehlen. | |
Dieses Land braucht keine habituell-symbolische Alternative zu Merkel, | |
sondern eine politische und kulturelle Alternative, wie sie Emmanuel Macron | |
in Frankreich skizziert. Jenseits von alt-halbrechts und alt-halblinks und | |
des albernen Getues, das seien monumentale Unterschiede. Jenseits der | |
reflexhaften Beschwörung des Begriffs „soziale Gerechtigkeit“, ohne ihn | |
auch nur annähernd in einer postindustriellen Welt der Globalisierung, | |
Digitalisierung, Produktions- und Ressourcenwende politisch beschreiben zu | |
können. | |
Aber wo muss man sich verorten, wenn man nicht links oder rechts ist? | |
Früher sagte man bei den Grünen mal: Vorn. | |
Quod erit demonstrandum, Cem Özdemir. | |
11 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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