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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Sind die Grünen am Ende?
> Wenn die Umfragewerte in die Höhe schießen: Die Suggestion des Moments
> lautet, dass SPD-Kandidat Schulz alles ändert. Nein, das tut er nicht.
Bild: Partielle Blickverengung auf den Heilsbringer Schulz
Gerade erst ist es für die Grünen – in Baden-Württemberg – richtig
losgegangen als führende Volks- und Orientierungspartei. Und nun, so lese
ich, sind sie schon erledigt? Na ja. Die Suggestion des Augenblicks besteht
darin, dass ein omnipotenter Politiker namens Martin Schulz alles ändert.
So dass im Grunde alles weitergehen kann wie bisher. Nur halt „gerechter“
als mit der moralisch tieferstehenden, sparbesessenen Union. Das ist der
Last-Century-Schwarz-Weiß-Film der SPD, für den sie nun den richtigen
Hauptdarsteller zu haben glaubt, und der in den Kinos von Spiegel und Stern
mit großem Brimborium angelaufen ist.
An den Rändern der westlichen Länder wird am Umsturz der liberalen
Gesellschaften gearbeitet. Auch wenn diese Entwicklung in der
Bundesrepublik noch nicht so entwickelt ist wie in den USA, Frankreich und
Österreich: Die Suggestion, dass die gute alte SPD zusammen mit den guten
alten Gewerkschaften und mit einer nationalen
Vor-Schröder-Industriegesellschafts-Gerechtigkeit die liberale Moderne
verlängern oder gar neu definieren könne, ist doch wohl der Witz des
Jahrhunderts. Des letzten Jahrhunderts.
Man sieht jedenfalls an der Umfragenbewegung, welches Ausmaß an Bedeutung
auch im liberal-demokratischen Spektrum der Politiker erreicht hat, der
vorne dran steht und ein Band des Vertrauens mit der Gesellschaft zu
knüpfen vermag. Das ist den Grünen ja auch nicht unbekannt:
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sie in Baden-Württemberg auf
30,3 Prozent gebracht. Dadurch stieg man auch im Bund auf die 14 Prozent,
die man für Regierungsgewicht braucht. Doch auch dieses Momentum hat die
Bundespartei kleingekriegt.
Und nun auch noch Schulz. Selbst der Intelligenteste der ganzen Partei
sagte diese Woche, jetzt sei auch er „ratlos“. Das kam noch nie vor.
## Rückbau zum Zwergenpartner
Ein mutloser Rückbau zum Zwergenpartner der SPD wäre jedenfalls nach den
verlorenen Wahlkämpfen von 2005, 2009 und 2013 der Beweis, dass man niemals
mehr rauskommt aus dem Murmeltrittintag. Das nützt immer nur der SPD, die
dann mit den rot-grünen Leihstimmen bei der Union unterschlüpft.
Es ist vielleicht an der Zeit, einige Funktionäre an das demokratische
Votum der eigenen Mitglieder zu binden. Sie haben sich mit über 70 Prozent
für die Führung durch Cem Özdemir und Robert Habeck sowie Katrin
Göring-Eckardt ausgesprochen. Diese Führungsfiguren wurden gewählt, weil
sie die Grünen als zentrale und unverzichtbare Kraft der nächsten Regierung
beschrieben haben, die auf die großen Fragen der Gegenwart Antworten geben
kann, die sich mit denen der Union und der SPD messen können. Von der
Verteidigung der liberalen europäischen Gesellschaft bis zur ihrem
Sicherheitsbedürfnis. Und die den anderen voraus ist, weil sie die
sozialökologische Wende als Basis für Gerechtigkeit, Freiheit und Zukunft
beschreiben kann. Zumindest theoretisch.
Dafür braucht es aber einen Human Anchor, der das glaubhaft in der
Gesellschaft verankert. Wenn man, nur als Beispiel, einen anatolischen
Einwanderersohn hätte, der sich aus Arbeiterverhältnissen nach oben
gearbeitet hat und heute außenpolitisch durch seine furchtlose Kritik am
Autokraten Erdoğan im liberalen Europa eine Vorbildfunktion hat? Den
möchten die Leute doch als zentrale Hauptfigur neben Merkel und Schulz im
Wahlkampffilm sehen. Aber ohne Teleprompter, von dem er
Parteigremienbeschlüsse ablesen muss.
Jürgen Trittin musste an der Niederlage von 2013 schuld sein, aber dafür
hatte er vorher auch die Richtlinienkompetenz im Wahlkampf. Letzteres
sollte auch bei Cem Özdemir die Grundlage sein.
Sonst können ihn die Parteilinken am Ende auch nicht verdammen.
25 Feb 2017
## AUTOREN
Peter Unfried
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