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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Links oder liberal
> Von Politikern wie Alexander Van der Bellen zu Emmanuel Macron: Wie
> gewinnt man Mehrheiten für das offene Europa?
Bild: Er kann es schaffen: Emmanuel Macron ist Favorit für die französische P…
In einer Banlieue von Paris stand ich diese Woche an der Tür eines
Kindergartens, und das war etwas unbequem, weil Dutzende Kameraleute über
mich drüber in den Raum stürmten. Was die fünf Kinder nicht schlecht
wunderte, die da auf dem Boden saßen und vor sich hin spielten.
Ich denke nicht, dass sie den Mann kannten, der gerade den Raum betreten
hatte, aber das war Emmanuel Macron, Wahlkämpfer und derzeitiger Favorit
für das Amt des französischen Präsidenten. Etwa zur selben Zeit sprach der
sozialistische Bewerber Benoît Hamon in Marseille. Unter anderem klagte er
Macron dafür an, dass dessen Programm die justice sociale fehle, die
soziale Gerechtigkeit.
Die er wiederum vertrete. Das versteht sich ja wohl.
Bevor nun die einen nicken, andere gähnen und die Dritten höhnisch
auflachen mit Verweis auf die Politik des sozialistischen Amtsinhabers
Hollande: Das grundsätzlich Interessante an den Wahlkämpfen dieser Tage
scheint mir, dass vielen traditionellen „Linksliberalen“ jedes Verständnis
fehlt für die Asynchronität zwischen den Linien links-rechts und
liberal-antiliberal
Die großen Wahlsieger des letzten Jahres waren Winfried Kretschmann,
Alexander Van der Bellen, Donald Trump und der Brexit. Alle Wahlen wurden
auf der zweiten Linie gewonnen. Österreichs Bundespräsident Van der Bellen
ist ein strategisch herausragendes Beispiel, wie man für die offene
Gesellschaft und die EU eine Mehrheit zusammenbekommt, nachdem die Leute
das alte Links-rechts-Spiel im ersten Wahlgang rausgeschmissen haben. Das
ist auch Macrons Grundlage. „Ni-ni“ lautet sein Slogan, ni gauche, ni
droite, nicht links, nicht rechts.
Es zeigt sich zunehmend und bei allen sozialen Problemen, dass man den
autoritären Parteien und Bedürfnissen mit dem Fokus auf „sozialer
Gerechtigkeit“ nicht beikommt. Wenn die anderen Skat spielen, kannst du mit
deiner Schachdame nicht gewinnen. Die Lage ist doch so, dass man eher
Macron vorwerfen kann, sozialpolitisch „nicht links“ zu sein, als der
autoritären Marine Le Pen.
Für wen müsste dann ein Soziallinker in einem zweiten Wahlgang Macron vs.
Le Pen stimmen? Eben. Die eine Frage dieses Jahres lautet nicht: Ist das
links oder kann das weg? Sie lautet: Was hat jetzt in der Realität
Priorität?
Eine Antwort gibt der sozialökologische Intellektuelle Ralf Fücks in seinem
in dieser Woche erschienenen Buch. Darin insistiert er eben nicht nur auf
der ökologischen und emanzipatorischen Wende, damit die letzten Grünen
Stammwähler ruhig schlafen können. Er versucht sich an Antworten auf die
zentralen Fragen im Jetzt.
Das Buch heißt „Freiheit verteidigen“ (Hanser) und ist ein Plädoyer, die
Konterrevolution von rechts nicht durch eine von links zu beantworten.
First things first: Vorwärtsverteidigung dessen, was wir lieben und
brauchen. Die liberale Moderne ist nicht nach den sozialökonomischen
Rezepten der Willy-Brandt-Sozialdemokratie zu haben, sie ist globalisiert,
im Guten wie im Schlechten, damit muss man umgehen.
So schwer es den Produkten der Individualismuskultur (also uns) fällt,
gerade individuelle Freiheit braucht angesichts von Putin, Trump, IS und
wachsenden rechts- und linksautoritären Parteien starke republikanische
Institutionen; das ist an erster Stelle eine starke und verteidigungsfähige
Europäische Union. Für Fücks auch die Nato und Deutschland in einer
globalen Führungsrolle. Das mag manchem kulturell fremd sein, und darüber
muss man streiten.
Aber grundsätzlich: Wenn auch der sich für progressiv haltende Bürger seine
Progressivität sentimental am Vergangenen misst und nicht an dem, was vor
uns liegt, dann wird es wirklich dunkel in Europa.
11 Mar 2017
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Alexander Van der Bellen
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