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# taz.de -- YouTube-Serie über polnische Regierung: Im Büro des Vorsitzenden
> Die Mini-Serie „Ucho Prezesa“ nimmt den PiS-Chef Jarosław Kaczyński auf
> die Schippe. Sie bleibt dabei allerdings ein wenig zu zahm.
Bild: Ein Mann und sein Schreibtisch: Kabarettist Robert Górski als Jarosław …
Robert Górski sieht ein wenig aus wie ein Lehrer kurz vor dem Ruhestand –
dabei ist er Kabarettist. Er sitzt im Studio des Senders Nowa-TV, trägt
einen braven rot-blauen Pullover und eine Brille und redet über [1][seine
neue Serie auf YouTube: „Ucho Prezesa“] (zu Deutsch: Das Ohr des
Vorsitzenden). Die Miniserie dreht sich um den Vorsitzenden der in Polen
regierenden PiS-Partei, Jarosław Kaczyński, gespielt von Górski. Seit
Jahresanfang sind vier englisch untertitelte Episoden erschienen, die
ersten drei haben über 5 Millionen Klicks.
Das Konzept der Serie: Der Vorsitzende sitzt die meiste Zeit an seinem
Schreibtisch und empfängt Besuch. Mitarbeiter des Staatlichen Rundfunks,
den obersten Befehlshaber und den Präsidenten Polens – Andrzej Duda. Dieser
muss ein paar Tage warten, bis Kaczyńskis berühmt-berüchtigte Sekretärin
ihn in das Büro lässt. Premierministerin Beata Szydło kommt gar nicht erst
vor.
Jeder Besucher muss an der Sekretärin Frau Basia (gespielt von Iza
Dąbrowska) vorbei. Erstaunlich viel Raum nehmen die angeblichen Vorlieben
des Vorsitzenden ein. Er schaut Rodeo-Shows im Fernsehen, überzuckert
seinen Tee maßlos und kann mit Pornos nichts anfangen. Eine Klatschsendung
könnte man damit füllen.
Als Titelmusik ertönt eine rockige Abwandlung des Motivs der polnischen
Hymne („Noch ist Polen nicht verloren / solange wir leben“). Ein roter
Faden erscheint im Vorspann und wird zur Silhouette des Symbols von
Solidarność, der 1980 aus einer Streikbewegung heraus entstandenen und
berühmt gewordenen polnischen Gewerkschaft.
## Ein erzkatholischer Junggeselle
Zu Beginn der ersten Folge kommt der Vorsitzende aus seinem Urlaub zurück
und findet ein neu eingerichtetes Büro vor. Er verabscheut die neue
Einrichtung und ordnet an, alle Veränderungen rückgängig zu machen. „Den
runden Tisch gibt es nicht mehr, wir werden unseren polnischen Tisch dort
an die Wand stellen“ – damit ist die Sache für ihn erledigt. „Aber dann
kann auf der anderen Seite niemand mehr sitzen“, merkt sein Mitarbeiter an.
Kaczyński entgegnet: „Warum sollte da jemand sitzen, wenn die Wahrheit
sowieso auf unserer Seite sitzt?“
„Die Leute haben das Bedürfnis, angesichts der Situation im Land ein wenig
zu lachen“, sagt Górski in der Talkshow. Für viele seiner Gegner ist
Jarosław Kaczyński eine Witzfigur. Ein erzkatholischer Junggeselle, der
sich populistisch und rassistisch äußert. So beschuldigte er etwa
Geflüchtete, Parasiten und Bakterien ins Land zu bringen. Die Verbitterung
aufgrund des Todes seines Bruders Lech beim Flugzeugabsturz in Smoleńsk
2010 überschattet sein ganzes Wesen. Passt ihm etwas nicht, reagiert er oft
dünnhäutig.
Nicht so in Bezug auf die Serie: Dem Radio Szczecziń sagte er, es sei „gut,
dass die Leute [über die Serie] lachen, man muss ja was zu lachen haben.
Dass sie über mich lachen – tja, das habe ich mir ja selbst eingebrockt.“
Nur eines müsse unbedingt richtiggestellt werden: Seine Katze würde keine
Milch trinken, das täten nur junge Tiere.
## Kabarett der moralischen Unruhe
Die Katze des Vorsitzenden spielt eine große Rolle in der Serie. Jeder, der
den Vorsitzenden besucht, bringt etwas für das Tier mit; mal einen ganzen
Fisch, mal ein Wollknäuel oder eben frische Milch von echten Kühen.
Ausgedacht hat sich „Ucho Prezesa“ Robert Górski zusammen mit seiner
Kabarettgruppe „Kabaret Moralnego Niepokoju“, zu Deutsch etwa „Kabarett d…
moralischen Unruhe“. Die Gruppe tourt mit verschiedenen Programmen durch
Polen und Großbritannien. Dorthin sind viele Polen ausgewandert.
Ihr ganzes Potenzial schöpft die Serie nicht aus. Die [2][Demonstrationen
gegen die Absetzung des Obersten Gerichts] werden nicht erwähnt. Niemand
stellt die Macht des Vorsitzenden infrage. Die Serie eckt nicht an. Einzig
der oberste Befehlshaber der polnischen Armee wird grenzwertig als Mensch
mit Lernschwierigkeiten dargestellt, der am liebsten Bonbons isst und die
Arbeit „Kriegsminister“ Antoni Macierewicz überlässt.
Immerhin gibt es Anspielungen auf den Antisemitismus im Land, die
kommunistische Vergangenheit einiger Politiker oder den Austausch des
Personals in den staatlichen Medien durch linientreue MitarbeiterInnen.
Doch Humor sollte überspitzen, entlarven – hier werden vor allem alte
Wahrheiten ausgesprochen.
Die nächste Folge ist für den 15. Februar angekündigt.
26 Jan 2017
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/channel/UCggq3qvOrrM2u9gRL7oMOfA
[2] /Kommentar-Proteste-in-Polen/!5364786
## AUTOREN
Judyta Smykowski
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