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# taz.de -- Flugzeugabsturz von Smolensk: Nur PiS-Anhänger dürfen trauern
> Die polnische Regierung bleibt trotz Beweismangel dabei, dass das Unglück
> ein Anschlag gewesen sei. Der Absturz jährt sich zum siebten Mal.
Bild: Lech Kaczynski und seine Frau Maria waren vor sieben Jahren unter den 96 …
Warschau taz | An diesem Montag, wenn sich die Flugzeugkatastrophe von
Smolensk zum siebten Mal jährt, dürfen vor dem Präsidentenpalast in
Warschau nur Parteigänger der nationalpopulistischen Recht und
Gerechtigkeit (PiS) trauern. Seit 2010 der damalige polnische Präsident
Lech Kaczyński und weitere 95 Menschen starben, versucht die PiS das
Unglück für sich zu vereinnahmen. Sie spricht anderen Polen das Recht zur
Trauer ab und beschuldigt sogar den damaligen Regierungschef Donald Tusk
des „diplomatischen Verrats“.
In diesem Jahr beschloss das Parlament, in dem die PiS seit Oktober 2015
die absolute Mehrheit stellt, ein Exklusivdemonstrationsrecht für die
eigene Partei: Zukünftig sind an jedem 10. des Monats alle
Nicht-PiS-Demonstrationen vor dem Präsidentenpalast verboten.
Zwar wiederholt heute kein PiS-Politiker mehr offiziell die dubiosen
Verschwörungstheorien, die im Lauf der letzten Jahre Polens heutiger
Verteidigungsminister Antoni Macierewicz in Umlauf setzte, doch dafür
beschuldigt nun eine von der PiS neu eingesetzte Untersuchungskommission
die damaligen Fluglotsen in Smolensk, den Absturz der polnischen
Präsidentenmaschine bewusst herbeigeführt zu haben. Beweise dafür gibt es
keine. So wie es auch zuvor nie Beweise für Nitroglyzerin an Bord gegeben
hatte, für zwei oder drei Explosionen noch während des Fluges, für
künstlich erzeugten Nebel, elektromagnetische Felder am Boden oder Helium
im Cockpit.
Die bisherigen Untersuchungsergebnisse gehen von einer Katastrophe aus, die
durch dichten Nebel und menschliches Versagen verursacht wurde. Für einen
„Anschlag auf Polens Präsidenten“ konnten weder die Experten in Moskau noch
diejenigen in Warschau einen Beweis finden.
Doch mit einem banalen Unfall als Todesursache konnten sich weder Jaroslaw
Kaczyński, der Zwillingsbruder des verunglückten Präsidenten, noch auch
viele andere Hinterbliebene abfinden. Unerträglich schien auch die
Vorstellung, dass der damalige Präsident mit an der Katastrophe schuld sein
könnte: Aus der Blackbox, dem Sprachrekorder im Cockpit, konnte ganz klar
herausgelesen werden, dass der erste Pilot den Präsidenten um die
politische Entscheidung bat, den Ausweichflughafen in Russland oder
Weißrussland zu benennen – für den Fall, dass die Maschine in Smolensk
aufgrund des dichten Nebels nicht landen könnte. Doch der Protokollchef kam
mit der Antwort zurück, dass der Präsident keine Entscheidung getroffen
hatte.
## Viele sind die Instrumentalisierung des Unglücks leid
Kaum war die PiS an der Macht, ließ sie auf der Website des
Verteidigungsministeriums den Link zu den Sprachaufnahmen und
Untersuchungsergebnissen löschen. Hier hatte jeder selbst nachhören können,
was im Cockpit der Tupolew bis zum Absturz gesprochen wurde.
Bis heute nicht veröffentlicht wurde dagegen der Mitschnitt des Gesprächs
zwischen den Zwillingsbrüdern kurz vorm Absturz. Hatte Lech Kaczyński
seinen Bruder womöglich um Rat gefragt? Landen oder doch besser nach Minsk
oder Moskau ausweichen? Oder hatten sie sich wirklich nur über den
Gesundheitszustand der Mutter unterhalten, wie Jaroslaw Kaczyński
behauptet?
Die meisten Polen sind die Instrumentalisierung der Katastrophe zu
politischen Zwecken leid. Der Film „Smolensk“, den die PiS mit großen Pomp
ankündigte und der endlich „die Wahrheit“ zeigen sollte, erwies sich als
der Flop des Jahres und ging als einer der schlechtesten Filme der
polnischen Kinogeschichte in die Annalen ein.
Auch die Zwangsexhumierung der Opfer, sieben Jahre nach der Katastrophe und
oft gegen den Willen der Angehörigen, trägt dazu bei, dass die Stimmung
kippt. Ein Witwer empört sich im Fernsehen, dass die PiS „in den Knochen
und im Gelee, der vom Körper meiner Frau noch übrig ist, stochern will, um
daraus politisches Kapital zu schlagen“.
10 Apr 2017
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Lech Kaczyński
PiS
Polen
Kunstfreiheit
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Jarosław Kaczyński
Kino Polen
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