| # taz.de -- Jubiläum der Solidarność in Polen: Traditionspflege mit Hinderni… | |
| > Zwischen regierungsnahen und oppositionellen Kräften in Polen wird über | |
| > Erinnerungskultur gestritten. Dabei geht es auch um Kundgebungsorte. | |
| Bild: Lech Walesa in Danzig bei Protesten im Juli gegen Polens Justizreform | |
| Warschau taz | Trotzig, wenn auch mit schwerem Schritt, geht Lech Walesa, | |
| der einstige Arbeiterheld der polnischen Freiheits- und | |
| Gewerkschaftsbewegung Solidarność, zum berühmten „Tor II“ der ehemaligen | |
| Lenin-Werft in Danzig. Als junger Elektriker hatte er hier das siegreiche | |
| Ende eines zweiwöchigen Streiks verkündet: die Polnische Vereinigte | |
| Arbeiterpartei ließ unabhängige Gewerkschaften zu. | |
| Das Bild, das Walesa beim Unterschreiben des „Augustabkommens 1980“ mit | |
| einem ellenlangen Kugelschreiber zeigt, ging um die Welt. Am Donnerstag zum | |
| Jubiläum begleiten Walesa tausende Anhänger und skandieren: „Lech Walesa! | |
| Lech Walesa!“ Der 74jährige genießt die Zustimmung sichtlich, muss er sich | |
| doch seit Jahren mit übler Nachrede, Schmähungen und Prozessen | |
| herumschlagen. Angeblich soll der Friedensnobelpreisträger für die | |
| polnische Stasi gearbeitet haben. Walesa bestreitet das vehement. | |
| Die heutige Gewerkschaft Solidarność, die der PiS nahesteht, blieb dem | |
| Auftritt Walesas demonstrativ fern. Schon seit Wochen war klar, dass sie in | |
| diesem Jahr ihre zentrale Gedenkfeier im niederschlesischen Lubin abhalten | |
| wollte, gemeinsam mit Polens Präsident und zahlreichen | |
| Regierungspolitikern. Dort wollten sie an drei Oppositionelle erinnern, die | |
| 1982 von polnischen Milizionären erschossen wurden. | |
| So meldete das oppositionelle Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) | |
| seine Demonstration in Erinnerung an die Entstehung der ersten unabhängigen | |
| Gewerkschaft im damaligen Ostblock im Danziger Rathaus an. Die | |
| Demonstration wurde genehmigt. Als die Gewerkschaft Solidarność dann auch | |
| noch eine Demonstration in Danzig anmelden wollte, war der begehrte | |
| „Solidarnosc-Platz“ bereits vergeben. | |
| ## Wem gehört der Platz? | |
| Statt nun die KOD-Einladung anzunehmen, doch gemeinsam mit diesen auf dem | |
| Solidarność-Platz vor der Danziger Werft zu demonstrieren, schäumte einer | |
| der Gewerkschaftler, dass dies eine „freche Provokation“ sei. Unter den | |
| KOD-Anhängern seien „ehemalige Mitarbeiter des kommunistischen | |
| Staatsschutzes, Spitzel und Angehörige der Partei-Nomenklatura aus der | |
| Volksrepublik“, die auf keinen Fall auf dem Solidarność-Platz in Danzig | |
| demonstrieren dürften, noch dazu am „Geburtstag der Gewerkschaft“. | |
| Der KOD-Vorsitzende Krzysztof Łoziński forderte die Gewerkschafter auf, | |
| diese „beleidigenden Worte“ öffentlich zurückzunehmen. „Rund 70 Prozent | |
| aller KOD-Mitglieder sind auch Solidarność-Mitglieder der ersten Stunde. | |
| Die anderen sind zu jung. Sie konnten damals weder auf der einen noch auf | |
| der anderen Seite stehen.“ | |
| Da das Stadtamt die Genehmigung nach geltendem Recht erteilt hatte, sah sie | |
| keinen Grund, sie zurückzuziehen. Doch nun kam der PiS-Politiker und | |
| Wojewode von Pommern Dariusz Drelisz den Gewerkschaftern zu Hilfe. Er | |
| behauptete, dass es sich bei der geplanten Solidarność-Demonstration um | |
| eine jedes Jahr stattfindende Veranstaltung handle. Tatsächlich hat vor | |
| kurzem die PiS-Regierung ein neues Gesetz durchs Parlament gebracht, das | |
| „zyklischen Demonstrationen“ Vorrang gegenüber allen anderen | |
| Demonstrationen einräumt, auch gegenüber denjenigen, die zuvor rechtlich | |
| einwandfrei angemeldet waren. Zudem schützt das Gesetz „zyklische | |
| Demonstrationen“ vor Gegendemonstrationen am gleichen Ort. | |
| Mit der Qualifizierung der Solidarność-Demonstration als angeblich | |
| „zyklisch“ wurde die Genehmigung der KOD-Demonstration hinfällig. Doch die | |
| Danziger KOD-Aktivisten machten aus der Not eine Tugend und meldeten ihre | |
| Demonstration neu an – in der berühmten Arbeitsschutzhalle der Danziger | |
| Werft. Dort hatte Walesa das August-Abkommen unterzeichnet. „Unsere | |
| Einladung an die heutigen Solidarność-Mitglieder steht nach wie vor“, so | |
| Lozinski. | |
| 31 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
| ## TAGS | |
| Polen | |
| Solidarnosc | |
| PiS | |
| Polen | |
| Polen | |
| Polen | |
| Jarosław Kaczyński | |
| Schwerpunkt taz.meinland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Antideutsche Kampagne in Polen: Fakten sind nebensächlich | |
| Rechte Medien springen auf eine antideutsche Kampagne der Regierung an und | |
| fordern Reparationen. Sie zielen auch auf die polnische Opposition. | |
| Protest in Polen: Junge Generation gegen alte Parolen | |
| Immer mehr junge Menschen in Polen beteiligen sich an Protesten gegen die | |
| nationalkonservative Regierung. Was hat sich verändert? | |
| Merkels Besuch in Polen: Kampf um Freiheit nicht verlieren | |
| Polens Regierungschefin will in der Migrations- und Verteidigungpolitik eng | |
| kooperieren. Die Kanzlerin jedoch findet eher unkooperative Worte. | |
| YouTube-Serie über polnische Regierung: Im Büro des Vorsitzenden | |
| Die Mini-Serie „Ucho Prezesa“ nimmt den PiS-Chef Jarosław Kaczyński auf d… | |
| Schippe. Sie bleibt dabei allerdings ein wenig zu zahm. | |
| Polens größte Oppositionsbewegung KOD: Der Marsch der Besitzstandswahrer | |
| Die außerparlamentarische Opposition Polens konnte die Verlierer der | |
| Transformation bisher nicht integrieren. Muss sie aber, damit sie nicht | |
| scheitert. |