# taz.de -- Angela Merkel in Warschau: Freundliches Winken aus Polen | |
> Heute wird die Kanzlerin Polen besuchen. Bisher hat sie den dortigen | |
> Abbau der Demokratie nicht kommentiert. Und Polens Regierung sucht ihre | |
> Nähe. | |
Bild: Seit Monaten demonstrieren Menschen in Polen gegen den Abbau der Demokrat… | |
WARSCHAU taz | „Warschau“ steht für Dienstag auf dem Kalender von | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel. Darunter: „Treffen mit Jarosław Kaczyński, | |
dem derzeit mächtigsten Mann in Polen, außerdem mit Premier Beata Szydło, | |
Präsident Andrzej Duda und einigen Oppositionsführern.“ Dem Vernehmen nach | |
soll sich Kaczyński, der Parteivorsitzende der nationalpopulistischen | |
Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), um das Treffen mit Merkel bemüht | |
haben. Ziel soll sein, Polen nach einem Jahr innenpolitischer Tumulte | |
wieder als ernstzunehmenden EU-Partner ins Spiel zu bringen. | |
Einfach wird das nicht. Die Skepsis ist groß gegenüber den | |
Nationalpopulisten, die innerhalb weniger Monate die Gewaltenteilung in | |
Polen aufhoben, das Verfassungsgericht lähmten und die Pressefreiheit | |
erheblich einschränkten. Zudem wird Kaczyński nicht müde, immer wieder | |
kräftig gegen Deutschland und Russland auszuteilen. So diffamierte er sein | |
eigenes Land, als es noch von dem liberalkonservativen Donald Tusk regiert | |
wurde, als „russisch-deutsches Kondominium“. | |
Nun wirft er Angela Merkel schon seit Monaten vor, an den vielen | |
Flüchtlingen in Europa „schuld“ zu sein, an der kritischen | |
Berichterstattung deutscher Journalisten über das PiS-Regime und sogar an | |
der möglichen Amtsverlängerung der EU-Ratspräsidentschaft von Donald Tusk. | |
Doch der Widerstand im In- und Ausland wächst. Polens Regierungschefin und | |
Präsident genießen als Marionetten von Kaczyńskis Gnaden kaum Autorität. | |
Und auch Kaczyński selbst wird als „Herr Vorsitzender“ ohne | |
Regierungsverantwortung immer öfter Ziel von Hohn und Spott. Zwar würde | |
Polens Landbevölkerung, deren Lebensstandard sich durch die großzügig | |
bemessene Familien- und Sozialbeihilfe der PiS erheblich verbessert hat, | |
bei den nächsten Wahlen wieder für die PiS stimmen. | |
Doch wenn in den USA und dann auch in Europa Zinsen und Inflation wieder | |
steigen, könnten die Wähler unzufrieden werden und die Regierung könnte | |
durch den wachsenden Schuldendienst ihren Handlungsspielraum einbüßen. Wenn | |
dann noch die EU das Budget umschichten sollte und Polen nicht mehr größter | |
Nettoempfänger von EU-Beihilfen wäre, könnte die Situation für Polens | |
aktuelle Regierung denkbar schwierig werden. | |
## Bleibt nur noch Deutschland übrig? | |
Auf den Bündnispartner USA ist seit der Wahl des Republikaners Donald Trump | |
kein Verlass mehr. Die Briten scheiden demnächst aus der EU aus. Mit den | |
Franzosen hat es sich Polen durch die kurzfristig stornierte Bestellung von | |
Armeetransporthubschraubern in Milliardenhöhe erst einmal verscherzt. Die | |
PiS-Regierung hat durch den massiven Demokratieabbau im Innern und ihr | |
berserkerhaftes Auftreten nach außen hin ihre Glaubwürdigkeit als | |
verlässlicher Partner verloren. Die Europäische Kommission initiierte schon | |
vor einem Jahr ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen. | |
Kaczyński lachte zwar darüber, doch nach dem Brexit wird Polens Regierung | |
in der EU nur noch auf Victor Orbáns Ungarn und ein paar | |
Gelegenheitsverbündete zählen können. Die rechtspopulistische Fraktion der | |
„Europäischen Konservativen und Reformer“ im Europäischen Parlament wird | |
nach dem Ausscheiden der britischen Tories in die Marginalität abrutschen. | |
So sind seit einigen Wochen wieder ganz andere Töne aus der engeren | |
Umgebung Kaczyńskis zu hören. Von „enger Zusammenarbeit zwischen | |
Deutschland und Polen“ ist da die Rede, sogar von einer „deutsch-polnischen | |
Führungsrolle in der zukünftigen EU“. Außenminister Witold Waszczykowski | |
erklärte im Staatsfernsehen, dass die deutsche Bundeskanzlerin bei ihrem | |
Besuch in Warschau davon überzeugt werden soll, dass „das Leben in der EU | |
geregelt“ werden müsse. „Wir wollen, dass die EU fortbesteht, und hier | |
haben wir viele Ideen“, sagt Waszczykowski. | |
Wieder andere bauen auf die „Realpolitik der Kanzlerin“, die anders als der | |
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz den Demokratieabbau bislang nicht offen | |
kritisierte. Positiv gewertet wird von Kaczyński-Getreuen auch, dass Merkel | |
in der Flüchtlingspolitik angeblich zurückrudere. Wenn nun in Frankreich | |
Marine Le Pen die Wahlen gewänne und Frankreich als nächstes aus der EU | |
austräte, bleibe Deutschland nur noch Polen als Partner in der EU. | |
7 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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