# taz.de -- Satire in Polen: Bis das Lachen im Halse stecken bleibt | |
> Der aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen verdrängte Robert Górski | |
> feiert mit der Politsatire „Das Ohr des Vorsitzenden“ ein großes | |
> Comeback. | |
Bild: Katzenliebhaber im schwarzen Beerdigungsanzug: Jarosław Kaczyński, gesp… | |
Warschau taz | Wenn der Kabarettist Robert Górski die Schultern streckt und | |
dann für einen Moment in typischer Napoleonpose dasteht, lacht schon halb | |
Polen. Denn nicht nur die Hand auf dem sicher gut gefüllten und warmen | |
Bauch unter der Anzugsjacke wirkt lächerlich; vielmehr erkennen Millionen | |
Polen in Napoleon-Górski sofort den derzeit mächtigsten Mann Polens: | |
Jarosław Kaczyński. | |
An diesem dicklich-kleinen Katzenliebhaber im immer gleichen schwarzen | |
Beerdigungsanzug scheiden sich Polens Geister. Die einen verehren den | |
Vorsitzenden der nationalpopulistischen Regierungspartei „Recht und | |
Gerechtigkeit“ (PiS) als „genialen Strategen“, die anderen entsetzt seine | |
Vision eines diktatorisch regierten Unrechtsregimes, in dem kurzer Prozess | |
gemacht wird mit angeblichen „Verrätern“ oder „Polen der übelsten Sorte… | |
Anfang September, nach der Sommerpause des Parlaments, startete die zweite | |
Staffel der Internet-Satireserie „Ucho Prezesa“ – „Das Ohr des | |
Vorsitzenden“. | |
„Ich will, dass sich in der Serie auch normale Staatsbürger wiederfinden, | |
die keine Nachrichten mehr sehen können, ohne vor Wut fast einen Schuh in | |
die Glotze zu schmeißen“, sagt Robert Górski, Erfinder, Regisseur und | |
Hauptdarsteller der Politsatire. Nachdem die PiS im November 2015 die | |
Regierung übernahm und als Erstes das öffentlich-rechtliche Fernsehen (TVP) | |
in einen Parteipropagandasender verwandelte, waren Górski und sein | |
populäres „Kabarett der moralischen Sorge“ dort nicht mehr wohlgelitten und | |
mussten mit Videofilmen ins Internet ausweichen. Dass Górski dort | |
Traumquoten erreichen würde, hatte niemand erwartet – er selbst am | |
wenigsten. | |
Der Serie folgen heute Millionen Polen über ihre Smartphones. Immer wieder | |
lacht in Bussen und Bahnen jemand laut auf und weist dann die anderen auf | |
einen guten Sketch im „Ohr des Vorsitzenden“ hin. Die erste Folge der Serie | |
klickten knapp zehn Millionen Menschen an. | |
Sehr beliebt ist die Folge mit Angela Merkel: Die deutsche Bundeskanzlerin | |
bietet Kaczyński hinter seinem Schreibtisch auf Sächsisch und ganz | |
pragmatisch „Frieden“ an. Trotz Dolmetscherin gelingt es den beiden nicht, | |
sich zu verständigen. So reiht sich Missverständnis an Missverständnis, bis | |
einem am Ende das Lachen im Halse stecken bleibt. Denn: Ist es in der | |
Realität nicht genauso? | |
## Zunehmende Brutalisierung der Alltagssprache | |
Aber auch die Polen selbst haben Mühe, stets auf dem neuesten Stand der | |
Politsprache zu bleiben. Wer heute den Regierenden zuhört, könnte meinen, | |
in Polen tobe ein Bürgerkrieg mit „Putschisten“ und „Verrätern“, die | |
angeblich einen „Anschlag auf die demokratisch gewählte Regierung“ planten. | |
Kaczyński höchstpersönlich dachte sich die „Polen übelster Sorte“ aus, | |
machte die polnische „Verräterfresse“ salonfähig und holte auch die | |
„deutschen Kriegsreparationen“, die angeblich nie bezahlt worden seien, | |
wieder aus der Mottenkiste. | |
Polens Innenminister diffamiert zehntausende Demonstranten gegen den | |
Rückbau des Rechtsstaats als „Spaziergänger in Picknicklaune“ und | |
wiederholt auch gern die Worte Kaczyńskis über die Flüchtlinge, die | |
angeblich „Parasiten und tödliche Krankheiten“ einschleppen würden. | |
Auch die „polnische Gabel“ hat einen Bedeutungswandel erfahren. Die Polen, | |
so belehrte Polens Vizeverteidigungsminister die erstaunten TVP-Zuschauer, | |
hätten nämlich den Franzosen das Essen mit der Gabel beigebracht. Ergo, so | |
die Logik des Ministers, sollten diese sich nicht so aufregen über das | |
gescheiterte Hubschraubergeschäft in zweistelliger Milliardenhöhe, das | |
Polen mal eben so nach einem Jahr Verhandlungen hatte platzen lassen. | |
„Als Satiriker freue ich mich über so scharfe Politikerworte, die beim | |
Publikum einen hohen Wiedererkennungswert haben“, sagt Górski. „Natürlich | |
werden diese auch in der Serie vorkommen.“ Aber als Staatsbürger mache er | |
sich große Sorgen über die zunehmende Brutalisierung der Alltagssprache in | |
Polen. In der neuen Staffel soll der Vorsitzende zunächst wieder in seinem | |
nun schon bekannten Parteibüro Regierungspolitiker empfangen und hin und | |
wieder einen Blick auf den Globus werfen, der Polen nach dem „guten Wandel“ | |
zeigt – als Großreich ohne Nachbarn und umgeben von den Weltmeeren. | |
Polens Präsident, der bislang meist Monologe im Vorzimmer des | |
Parteivorsitzenden führte, wird in der ersten Folge der neuen Staffel von | |
Kaczyńskis Sekretärin heftig beweint. Denn zum ersten Mal seit vielen | |
Monaten versucht er nicht, die Klinke niederzudrücken und dem Vorsitzenden | |
etwas ins Ohr zu flüstern. Er ist nicht da. „Wir haben eine | |
außergewöhnliche Saure-Gurken-Zeit hinter uns“, sagt Górski. „Das greifen | |
wir in der neuen Staffel auf. Der Präsident hat sich geändert, nur der | |
Vorsitzende ist so geblieben, wie er war.“ | |
Am gespanntesten sind die Fans der Politserie allerdings auf die Szenen | |
außerhalb des Büros: auf die „Spaziergänger in Picknicklaune“, die | |
„Anschläge auf die demokratisch gewählte Regierung“ verüben. Im polnisch… | |
Parlament wiederum „putscht“ immer mal wieder die „totale Opposition“. … | |
zu Hause bekommt Kaczyński ungeheure Wutanfälle und schlägt alles kurz und | |
klein, was ihm in die Finger kommt. | |
26 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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