# taz.de -- Analyse Trump-Interview in der „Bild“: Aufs Maul geschaut | |
> Was und wie denkt Trump wirklich? Und vor allem: Was wird er tun? Die taz | |
> über Passagen des „Bild“-Interviews. | |
Bild: Was meint er bloß? | |
Auf die Frage an Donald Trump, ob er – so wie Obama es einmal formuliert | |
hatte – Merkel wählen würde, wenn er könnte, räumt der President-elect mit | |
der Hoffnung auf gedeihliche Zusammenarbeit erst einmal gründlich auf. | |
Es sei nicht nur ein „Fehler“, den Angela Merkel seiner Meinung nach in der | |
Flüchtlingsfrage gemacht hat. Nein, es sei ein „äußerst katastrophaler | |
Fehler“. Kleiner hat er es nicht. Dass es sich bei „all diesen Illegalen“ | |
großenteils um Menschen mit dem Schutzstatus der UN-Flüchtlingskonvention | |
handelt, entzieht sich wohl ebenfalls seiner Kenntnis. | |
Man kann Trumps Wortwahl egal finden. Sie ist es aber nicht. Das – gute | |
oder mäßige oder katastrophale – persönliche Verhältnis zwischen | |
Staatschefs kann über Krieg oder Frieden entscheiden, über Dialog oder | |
Streit zwischen den Völkern. Man denke nur an Helmut Kohl und François | |
Mitterrand auf der einen, Fidel Castro und Ronald Reagan auf der anderen | |
Seite. Die wichtigste Regierungschefin innerhalb der EU öffentlich zu | |
maßregeln gibt den Takt für Trumps Regierungszeit vor. | |
Die Geschmähte selbst reagierte wie … wie Angela Merkel. Egal ob Horst | |
Seehofer, Pegida-Schreihälse oder eben Donald Trump – jedem erteilt sie die | |
gleiche beharrliche Abfuhr. Gefragt, was sie zu den Äußerungen des | |
künftigen US-Präsidenten meine, sagt die Kanzlerin am Montag, sie bevorzuge | |
es, zwischen dem Terrorthema und dem Flüchtlingsthema deutlich zu | |
unterscheiden. Viele Syrer seien ja nicht nur vor dem Bürgerkrieg geflohen, | |
sondern auch vor Terrorismus in ihrem Land. | |
„Meine Position zu den transatlantischen Fragen sind bekannt“, fuhr sie | |
fort. Trump habe nun seinerseits noch mal seine Positionen dargelegt. „Und | |
dann werden wir, wenn er im Amt ist […] natürlich mit der amerikanischen | |
Regierung zusammenarbeiten und dann schauen, welche Art von Übereinkommen | |
wir erzielen können.“ | |
Mit einer Sache hatte Trump übrigens auch recht. Auf die oben genannte | |
Frage sagte er, er wisse ja nicht, „gegen wen sie antritt“. Tja, das weiß | |
noch nicht mal Angela Merkel so genau. | |
Anja Maier | |
*** | |
Diesen Satz Donald Trumps hört man in Brüssel äußerst ungern. Bisher | |
vermeiden es die EU-Politiker, über die Ursachen des Brexit und eine | |
möglicherweise vorhandene Mitschuld Deutschlands am britischen „No“ zu | |
sprechen. Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärte denn auch knapp, er | |
habe das Interview „mit Interesse gelesen“. Was wohl so viel bedeuten soll | |
wie: „Alles Bullshit.“ | |
Allerdings trifft Trump einen wunden Punkt. Über die Übermacht Deutschlands | |
in Europa haben sich schon viele beklagt. „Jetzt wird in Europa Deutsch | |
gesprochen“, triumphierte CDU-Fraktionschef Volker Kauder 2011. Nach dem | |
harten deutschen Vorgehen bei der Schuldenkrise in Griechenland 2015 | |
häuften sich Klagen über deutsche Dominanz. Sogar aus Frankreich und | |
Italien kam Kritik. | |
Fakt ist aber, dass die EU neben Großbritannien immer noch 27 Mitglieder | |
hat. Bei allem Ärger über deutsche Alleingänge – etwa in der Energie- oder | |
Flüchtlingspolitik – stehen sie weiter zur Europäischen Union. Auch für | |
Berlin ist die Union keineswegs „Mittel zum Zweck“, sondern ein | |
Selbstzweck: Schließlich wurde sie gegründet, um Lehren aus der deutschen | |
Aggression im Zweiten Weltkrieg zu ziehen und den Frieden zu sichern. | |
In London macht man zwar heute noch Witze über die „Krauts“. Auf die Idee, | |
den EU-Austritt mit deutscher Dominanz zu begründen, sind aber nicht einmal | |
die Brexiteers gekommen. Trump liegt in diesem Punkt falsch. Richtig ist | |
allerdings, dass die deutsche Flüchtlingspolitik im Brexit-Wahlkampf eine | |
wichtige Rolle spielte. Die EU-Gegner haben sie intensiv ausgeschlachtet. | |
Kanzlerin Angela Merkel wurde für eine „Invasion“ von Migranten | |
verantwortlich gemacht – obwohl sich Großbritannien überhaupt nicht an der | |
EU-Asylpolitik beteiligt. Doch diese Art von Fake News zeitigte Wirkung. | |
Premier David Cameron beschwerte sich nach dem verlorenen Referendum, dass | |
es ihm die deutsche Politik nicht leicht gemacht habe, für die EU zu | |
kämpfen. Doch schon kurz nach dem Brexit wollte darüber niemand mehr offen | |
sprechen. | |
Eric Bonse | |
*** | |
Donald Trump drohte in den vergangenen Wochen immer wieder via Twitter der | |
Autoindustrie. Er griff bereits Ford, Toyota und General Motors wegen | |
geplanter Investitionen in Mexiko an. Jetzt trifft es auch BMW. Grundlage | |
der Trump’schen Kritik ist unter anderem seine Beobachtung, dass auf der | |
5th Avenue in New York jeder einen Mercedes-Benz vor der Tür habe. „Wie | |
viele Chevrolets sehen Sie in Deutschland?“, fragt er. Allerdings taugt der | |
Vergleich wenig: Chevrolet gehört ebenso wie Opel zu General Motors. Der | |
Konzern verkauft keine Chevrolets in Deutschland, um sich nicht selbst | |
Konkurrenz zu machen. | |
Ein Beispiel, das zeigt, wie wenig Trump über die Autoindustrie weiß. Auch | |
deshalb hinterlässt seine Attacke auf BMW tiefe Verunsicherung in der | |
Branche, die gerade Milliarden in Mexiko investiert. VW-Tochter Audi hat im | |
Herbst ein Werk in San José Chiapa in Betrieb genommen. Daimler und | |
Renault-Nissan haben ein neues, gemeinsames Werk in Aguascalientes. BMW hat | |
mit dem Bau einer großen Fabrik im mexikanischen San Luis Potosí gerade | |
begonnen. | |
Doch abgesehen davon produzieren deutsche Hersteller in den USA bereits – | |
und investieren Milliarden. 850.000 Fahrzeuge stellten sie dort 2016 her, | |
viermal so viele wie noch 2009. Laut dem Branchenverband VDA arbeiten rund | |
33.000 Mitarbeiter in den Werken deutscher Autobauer in den USA – BMW hat | |
in Spartanburg in South Carolina sogar sein weltweit größtes Werk. | |
Trump zürnt trotzdem. Wie schnell könnte er die Zölle einführen? Er müsste | |
dazu das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) aufkündigen. Ob er | |
das ohne Zustimmung des Kongresses kann, das ist umstritten. Josef Braml, | |
US-Handelsexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, | |
empfiehlt den deutschen Autobauern, nicht so schnell klein beizugeben: „VW | |
und BMW haben bereits viele Arbeitsplätze in den USA geschaffen. Das können | |
Sie auch mal deutlich machen“, sagte er der taz. Wegen Trumps | |
Wirtschaftsnationalismus könnten viele ausländische Firmen in den USA Geld | |
verlieren. | |
Ingo Arzt | |
*** | |
Donald Trump zweifelt an der Nato – in Brüssel und in Berlin kam seine | |
Aussage überhaupt nicht gut an. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte | |
nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die | |
Bündnispartner hätten das Statement „mit Besorgnis aufgenommen“. Ein | |
Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte, die Bedeutung der Nato sei | |
in den letzten Jahren nicht gesunken, sondern gestiegen. | |
Hält Trump die Nato tatsächlich für obsolet im Sinne von überflüssig? Das | |
Oxford Dictionary umschreibt den englischen Begriff „obsolete“ unter | |
anderem mit „out of date“, was im Deutschen wiederum so viel wie „veralte… | |
bedeutet – oder, sehr viel freier übersetzt: „reformbedürftig“. So | |
übersetzt, klingt Trumps Aussage schon weniger widersprüchlich. | |
Der Vorwurf, viele Nato-Staaten zahlten zu wenig, ist nicht neu. Auch | |
Vertreter der bisherigen US-Regierung verlangten von den Europäern immer | |
wieder, mehr Geld in ihre Armeen zu stecken. Die Forderung geht auf eine | |
unverbindliche Nato-Vereinbarung aus dem Jahr 2002 zurück. Danach soll | |
jedes Mitgliedsland perspektivisch 2 Prozent des jeweiligen | |
Bruttoinlandsprodukts in seinen Verteidigungsetat stecken. Bisher erfüllen | |
nur fünf Länder dieses Ziel: Vorneweg die USA mit 3,61 Prozent, außerdem | |
Griechenland, Großbritannien, Estland und Polen. Deutschland liegt mit 1,19 | |
Prozent auf Platz 16. | |
Gewagter ist die Behauptung, die Nato habe sich bisher nicht um den | |
Terrorismus gekümmert. In der Geschichte der Allianz wurde der Bündnisfall | |
bisher einmal ausgelöst – nach den Terroranschlägen vom 11. September. | |
Folge war der Angriff auf die Taliban und auf al-Qaida in Afghanistan und | |
anderen Ländern. Am Krieg gegen den IS beteiligt sich die Nato dagegen nur | |
am Rande. | |
Tobias Schulze | |
16 Jan 2017 | |
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