# taz.de -- Widerstand gegen Trump: Ausflippen! Jetzt! | |
> Jeder US-Bürger kann etwas gegen Donald Trumps Weg in den administrativen | |
> Terror tun. Und sei es, sich krankschreiben zu lassen. | |
Bild: Bei diesem Anblick kann man schon mal ausflippen | |
NEW YORK taz | Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Donald Trump als | |
amtierender Präsident polizeistaatliche Maßnahmen ergreifen wird: | |
demokratische Institutionen und Rechtsstaatlichkeit aushöhlen, | |
Vetternwirtschaft und Selbstbereicherung betreiben, Rache an politischen | |
Gegnern nehmen und Minderheiten zu Sündenböcken machen. Selbst wenn man | |
annimmt, dass die Wahrscheinlichkeit dafür relativ gering ist, ist sie hoch | |
genug, um jeden vernünftigen Bürger ausflippen zu lassen. | |
Ja, ausflippen! Überreagieren! Angesichts dessen, was Donald Trump bislang | |
angestellt hat, ist es besonnen und angemessen, jetzt überzureagieren. „Ich | |
hoffe, wir werden angenehm überrascht sein“ ist eine fatale Haltung. Darauf | |
können wir nicht mehr bauen. Im Gegenteil. Wir müssen alles versuchen, um | |
Trumps Weg in den administrativen Terror zu verhindern. | |
Selbst wenn man annimmt, dass Trumps Amtszeit nicht außergewöhnlich | |
katastrophal wird, sondern nur eine weitere zerstörerische | |
Legislaturperiode der Republikanischen Partei, die ihre Seele an den | |
Nihilismus verkauft hat: Selbst dann gilt es, alle davon zu überzeugen, | |
dass man handeln muss. | |
Präsident Obama sollte nicht weiter von einem „reibungslosen Übergang“ | |
sprechen, sondern den Übergang zu Trump so holprig wie möglich und so rau | |
wie Sandpapier gestalten. Die Clintons sollten ihre Zusage, an der | |
Inauguration teilzunehmen, zurückziehen. | |
Das Capitol sollte die Bühne für die Inauguration nicht bauen. Der | |
Partyservice sollte kein Essen liefern. Der Oberste Richter sollte nicht | |
auftauchen, um den Amtseid abzunehmen. Keine Bibel sollte bereitgestellt | |
werden. Soll Trump doch auf das schwören, was er gerade zur Hand hat: eine | |
Ausgabe von „Trump. Die Kunst des Erfolges“. | |
## Alles absagen | |
Nehmen wir uns ein Beispiel an den Hollywoodschauspielern und Comedians, | |
die sich in Twitter-Schlachten mit Trump stürzen. Nehmen wir uns ein | |
Beispiel an dem Instagram-Künstler Richard Prince, der Ivanka Trump für | |
36.000 Dollar ein Bild verkauft hatte – und am Donnerstag das Geld | |
zurückgegeben hat. Er sagte, das Bild sei doch nicht von ihm, sie besitze | |
also eine Fälschung. Nehmen wir uns ein Beispiel an den Demonstranten, die | |
im Kongress „No Trump! No KKK! No fascist USA“ rufen und abgeführt werden. | |
Abgeführt zu werden droht nicht nur den Demonstranten. Es droht uns allen. | |
Jeder Bürger wird potenzielles Opfer der Polizei, der Verleumdung, der | |
Isolierung, der Ungerechtigkeit. Denn Donald Trump hat bald Zugriff auf die | |
Staatsgewalt. Bisher waren wir vor der Willkür der Präsidenten geschützt, | |
da die meisten sich an politische und rechtliche Normen hielten und sich in | |
ihrer Gewaltausübung durch Parteiräson, Verfassung und wahltaktische | |
Überlegungen beschränken ließen. | |
Mit Donald Trump übertragen wir jemandem, der diese Gepflogenheiten offen | |
verspottet, die Führung von Behörden, die in Sachen tödlicher Gewalt und | |
brutaler Unterdrückung äußerst gut sind: FBI, Geheimdienste, Einwanderungs- | |
und Steuerbehörden. | |
Eine polizeistaatliche Bedrohung Amerikas ist ein wenig ungewohnt. Bislang | |
verursachten US-amerikanische Präsidenten das allergrößte Unheil im | |
Ausland. Rassistische Diskriminierung von Schwarzen und Migranten wurde | |
bislang nicht vom Präsidenten initiiert. Das erledigten die lokalen | |
Polizeikräfte und die weiße Vorherrschaft in Gemeinden und auf | |
bundesstaatlicher Ebene. | |
Trump jedoch hat seine Wahlkampagne so offen rassistisch geführt, dass er | |
schon jetzt in einer Reihe mit Ronald Reagan und Richard Nixon steht, den | |
Ausnahmepräsidenten, die polizeiliche Gewalt und Rassismus tatsächlich | |
selber veranlasst und befeuert haben. | |
Eine weitere ungewohnte Bedrohung ist die, dass fast jedes zukünftige | |
Ministerium einen Vorgesetzten haben wird, der die Aufgabe seines Amtes | |
komplett infrage stellt: Der kommende Justizminister, der für Gerechtigkeit | |
und Gleichberechtigung sorgen soll, ist ein Rassist. Der Außenminister, der | |
amerikanische Interessen im Ausland vertreten soll, wird künftig der Boss | |
eines Ölkonzerns sein, der damit Karriere machte, private Interessen vor | |
die der USA zu stellen. | |
Erziehungsminister wird ein Gegner staatlich geförderter Bildung. | |
Arbeitsminister wird der Leiter einer Fast-Food-Kette, der gegen | |
Mindestlohn und Arbeitsschutzgesetze ist. Der Pentagon-Chef wird ein | |
ehemaliger General, was möglicherweise illegal ist, weil es gegen das | |
Prinzip ziviler Kontrolle des Militärs verstößt. Die absurdeste aller | |
Nominierungen jedoch ist die Ernennung eines Impfgegners zum Leiter der | |
Impfkommission der Regierung. | |
## Autorität abgegeben | |
Der größte Wahnsinn aber besteht darin, dass sich die Vereinigten Staaten | |
von Amerika ihre Autorität von einer fremden Macht haben stehlen lassen. | |
Nicht weil Russland Wahlmaschinen gehackt hätte. Sondern weil Russland in | |
die private Korrespondenz der Demokraten eingedrungen ist und sie zur | |
Veröffentlichung gebracht hat. | |
Die Wahl 2016 muss wegen dieses Vorgehens als unrechtmäßig angesehen | |
werden. Das heißt nicht, dass man Hillary Clinton als Siegerin ansehen | |
muss. Es heißt nur, dass wir einen Präsidenten haben werden, dessen Wahl | |
zweifelhaft ist. | |
Obama tat nichts, als ihn seine Geheimdienste über das russische Vorgehen | |
informierten. Dabei war eigentlich klar, was er hätte tun müssen: die Wahl | |
für manipuliert erklären und von vorne anfangen. Aber darauf war niemand | |
vorbereitet. So etwas überhaupt zu denken ist zu beängstigend. | |
Trump tut das. Er bestreitet, dass die Wahl unabhängig war. Er erklärt die | |
Stimmen für Hillary Clinton, die in absoluten Zahlen gewonnen hat, für | |
illegal. Schon vor der Wahl hatte er erklärt, dass er das Wahlergebnis | |
nicht anerkennen werde, sollte er verlieren. Und niemand ist aufgestanden | |
und hat gesagt: „Das war’s. Das ist disqualifizierend. Es reicht.“ | |
## Ein Kind unter Kindsköpfen | |
Ich fühle mich in diesen Tagen wie ein Kind unter Kindsköpfen. Die | |
politische Landschaft der USA, die jegliche Würde verloren hat, ist | |
jugendlich und senil zugleich. Auf Politiker, Juristen, Autoritäten | |
guckend, warte ich auf eine Mutter oder einen Vater, auf irgendjemanden, | |
der endlich sagt: „Schluss jetzt.“ Aber das sagt niemand. Das Gefühl, dass | |
verantwortliche Erwachsene und politische Bürger wissen, was zu tun ist, | |
ist verpufft. | |
Können wir noch irgendwas tun? Ja. Neben den wenigen Leuten, die offizielle | |
oder legale Gegenmittel in Reichweite haben, sind es einzig und allein die | |
Bürger, die die tägliche Praxis des Zurückweisens schaffen müssen, so | |
schnell wie möglich und so konsequent wie möglich. Wie das gehen soll? | |
Einfach nicht da sein, sich krankmelden, dem Chef-Pussy-Grabber keine | |
Packung Kaugummi verkaufen. | |
Das interessiert Donald Trump nicht? Das ist egal. Es geht um das Signal. | |
Um das Signal, dass es immer noch möglich ist, Nein zu sagen. Es geht | |
darum, dass sich die Bürger gegenseitig versichern, dass es möglich ist, | |
rebellisch zu sein. | |
Im Namen meines Landes möchte ich mich bei den Bürgern Deutschlands | |
entschuldigen, auch wenn ihnen das nichts bedeutet. Eine große Bürde wird | |
ihnen auferlegt werden, da die USA gerade in einen unglaublichen Strudel | |
von Dummheit und Zeitverschwendung geraten sind. Ich hoffe, es wird nur das | |
sein. Ich hoffe, es wird nur die gewöhnliche Misere einer schlechten | |
Regierung sein: die Bereicherung der Reichen, die Verelendung der Armen, | |
die Zerstörung der Umwelt. Das könnten wir weitere vier Jahre überleben. | |
Aber es kann auch schlimmer kommen. Mit der Aufnahme der syrischen | |
Flüchtlinge hat sich Deutschland als würdevollste unter den modernen | |
Nationen erwiesen. Ich hoffe, es ist darauf vorbereitet, auch Flüchtlinge | |
aus den USA aufzunehmen. | |
Aus dem Englischen von Doris Akrap | |
15 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Mark Greif | |
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