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# taz.de -- Womens March gegen Trump: Kopf hoch
> Trump hat den USA zu einer neuen Frauenbewegung verholfen. Nun
> demonstrieren sie in Washington – und auf der ganzen Welt.
Bild: Trump nennt Clinton „nasty woman“, jetzt bekommt er nasty woman
Am Abend des 8. November 2016, als Donald Trump gerade die
Präsidentschaftswahl gewonnen hat, setzt sich Teresa Shook, eine
pensionierte Anwältin aus Hawaii, an den Computer und schreibt eine
Nachricht auf Facebook: „Ich glaube, wir sollten demonstrieren.“ Sie
erstellt ein Ereignis, lädt 40 FreundInnen ein und geht schlafen. Als sie
aufwacht, haben 10.000 Menschen angeklickt, dass sie an der Demonstration
teilnehmen würden.
Zeitgleich hat am anderen Ende des Landes, in New York, die Modedesignerin
Bob Bland ebenfalls zu einer Demonstration aufgerufen – und erhält
innerhalb weniger Stunden 3.000 Zusagen. Die beiden Frauen tun sich über
den Kontinent hinweg zusammen – und initiieren den „Women’s March on
Washington“, einen Tag nach Donald Trumps Vereidigung als Präsident. Auf
der ganzen Welt sind Solidaritätskundgebungen geplant.
„Ich war schockiert, dass ein Mann mit derartigen Ressentiments eine Wahl
gewinnen konnte“, sagt Teresa Shook. „Ich fand, dass wir der Welt zeigen
mussten, dass wir anders sind.“ Bob Bland sagt: „Wir hatten nicht damit
gerechnet, dass sich unsere Idee so schnell verbreiten würde“ – obwohl sie
einige Monate zuvor eine ähnliche Erfahrung gemacht hatte. Nachdem Trump
Hillary Clinton eine „nasty woman“, eine scheußliche Frau, genannt hatte,
rief Bland nastywoman.co ins Leben und verkaufte innerhalb von zwei Tagen
über tausend T-Shirts mit diesem Aufdruck.
Shook und Bland erkannten bald, dass der Erfolg ihres Projekts von der
Einbeziehung von Minderheiten abhing. So holten sie sich die Unterstützung
von erfahrenen Aktivistinnen wie Linda Sarsour oder Tamika Mallory.
## Die Wut verwandeln
Linda Sarsour ist Muslimin und Direktorin der Arab American Association of
New York – eine Organisation, die sich für die arabische Community
einsetzt. „Ich bin im Schatten des 11. September aufgewachsen“, sagt sie.
„Ich habe gelernt, dass aus Schlechtem etwas Gutes entstehen kann.“ Sie
hatte eigentlich keine Zeit, um die Demonstration mitzuorganisieren. „Aber
ich bin so wütend und ich möchte diese Wut in etwas Produktives
verwandeln.“ Frauen müssten jetzt die Führung übernehmen, sagt sie. „Es
gibt nur einem Mann, dem ich folge, und das ist mein geliebter Prophet
Mohammed. Ich bin niemals einem Mann gefolgt und habe es auch jetzt nicht
vor. Deshalb: Tragt euren Kopf hocherhoben – die Augen auf dem Weg vor
euch, die Füße in Bewegung.“
Tamika Mallory, eine schwarze Bürgerrechtsaktivistin, die sich in New York
gegen die Verwendung von Schusswaffen engagiert, ist ebenfalls Mitglied des
Demonstrationskomitees. „Frauen sind das Zentrum der Welt“, sagt sie, „we…
wir die ganze Gemeinschaft auf unserem Rücken tragen. Wir demonstrieren
nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Gemeinschaft. Dieser
Marsch will niemanden ausschließen.“ Mallory, Sarsour, Shook und Bland
wollen dem Mann entgegentreten, der im Wahlkampf einen Behinderten
nachäffte, der Frauen beleidigte, Muslime beschimpfte und überhaupt allen
Menschen den Respekt versagte, die nicht so waren wie er.
Die Initiatorinnen bekannten ihre Solidarität mit Transfrauen,
Indianerinnen, Behinderten, Kindern und Männern und definierten ihre
Veranstaltung überraschend nicht als anti Trump sondern als pro Frau.
In allen Großstädten Amerikas wurden Schwesternmärsche ausgerufen, die ohne
die skandalumwehte Figur Trumps wohl kaum so viele Teilnehmerinnen
mobilisiert hätten. Trump hat also zumindest eine gute Sache erreicht: die
Frauenbewegung der USA zu einen.
## Frau sein ist nicht genug
Doch der Furor über den Sieg eines sexistischen, rassistischen Kleptokraten
konnte allein nicht alle Unstimmigkeiten unter den Demonstrantinnen
ausbügeln. Wie bereits bei der „Prozession der Suffragetten“ im Jahr 1913,
die einen Tag vor der Amtseinführung von Woodrow Wilson für das Wahlrecht
von Frauen am Weißen Haus vorbeischritten, kam es zu Auseinandersetzungen
zwischen afroamerikanischen und weißen Frauen. Frauen, die Minderheiten
angehören, fühlen sich nicht nur von weißen Wählerinnen betrogen, die zu 53
Prozent für Trump stimmten, sie verlangen auch von politisch
Gleichgesinnten Respekt für ihr härteres Los.
Seit die Rassentheoretikerin Kimberlé Williams Crenshaw 1989 den Begriff
der Intersektionalität prägte, der jeder Identitätskomponente – Ethnie,
Geschlecht, Klasse, Nationalität, Religion – einen Einfluss auf die Person
zuschreibt, bestehen Minoritäten auf der Einmaligkeit ihrer Situation. Eine
einzelne Gemeinsamkeit mit anderen ebenso komplexen Individuen aus
unterschiedlichen Gesellschaftsschichten kann den Graben radikal anderer
Erfahrungswelten nicht überbrücken: Weiblichkeit allein ist ein zu
schwaches Bindeglied. Schwarze Feministinnen verlangen dementsprechend von
ihren weißen Mitstreiterinnen, dass sie sich ihrer Vorteile bewusst sein
und das Zuhören lernen müssen – „check your privilege“, lautet das
Schlagwort, auf das nicht alle weißen Frauen verständnisvoll reagieren.
Die amerikanische Presse zitierte weiße Frauen, die ihre Teilnahme an der
Massenkundgebung zurückgezogen haben – sie fühlten sich nicht willkommen.
Intersektionalität hat auch Spannungen zwischen Feministinnen alter Schule
und Transfrauen geweckt: Nie können Letztere in den Augen der
„authentischen“ Frauen die Privilegien der männlichen Kindheit abschüttel…
Die Organisatorinnen des Frauenmarsches setzten sich deshalb mit einer
dreiseitigen Erklärung dafür ein, dass derartige Hierarchien des Leidens in
den Hintergrund treten. Wie eine aktualisierte Freiheitsurkunde liest sich
das Dokument, das nicht nur ein Pantheon für weibliche Kämpferinnen
errichtet, sondern auch für Menschenrechte ganz allgemein eintritt.
## Feministische Forderungen sind diverser geworden
Im Unterschied zu den feministischen Forderungen der ersten und zweiten
Phase, bei denen es um das Wahlrecht und die Selbstbestimmung über den
eigenen Körper ging, dreht sich das jetzige Programm um sexuelle Gewalt,
Alleinerziehende, Krankenversorgung, Polizeigewalt, Einwanderungs- und
Flüchtlingspolitik.
Die meisten Feministinnen der sechziger Jahre hatten als Kämpferinnen gegen
den Vietnamkrieg begonnen, wurden aber von ihren männlichen Gefährten in
marginale Rollen abgedrängt und konzentrierten sich dann auf die Befreiung
der Frau. Mit Vizepräsident Michael Pence, der sich im Wahlkampf für die
Abschaffung der legalen Abtreibung einsetzte, ist der medizinisch
geschützte Schwangerschaftsabbruch ein akutes Thema.
Nach heftigen Debatten wurden Pro-Life-Organisationen, die sich selbst als
feministisch definieren, nicht als offizielle Partner des Marsches
akzeptiert. Trotz des Pressewirbels um diesen Streit ist das eigentliche
Thema die Erweiterung des feministischen Mandats auf ein breites Spektrum
politischer und gesellschaftlicher Anliegen: Nur so fühlt sich eine
Generation angesprochen, für die Hillary das weiße Establishment
repräsentierte – ihre Ambition, die gläserne Decke zu zerschmettern, gilt
diesen jungen Frauen angesichts der immer schärferen Klassengegensätze als
ein hohles Symbol.
Die feministische New Yorker Filmemacherin Su Friedrich sieht es anders:
„Die Art und Weise, wie Hillary während des Wahlkampfes behandelt wurde,
hat uns wachgerüttelt. Für viele in diesem Land ist eine Frau an der Macht
noch immer undenkbar. Der Marsch in Washington ist ein sehr nötiges
Wiederaufleben unserer alten Kämpfe und der Einsicht in die Fragilität
unserer politischen und ökonomischen Zustände.“
## Geplant wie ein Krieg
In der Kunstwelt hat sich ein Wiederaufflammen des Feminismus schon seit
einer Weile bemerkbar gemacht – in Galerien und Museen an der Ost- und
Westküste werden rebellische Künstlerinnen der Vergangenheit und Gegenwart
gefeiert. Für die Pulitzer-Preisträgerin Tina Rosenberg spielt Kreativität
eine wichtige Rolle im politischen Widerstand. Die schwarze
Bürgerrechtsbewegung liefert laut Rosenberg noch immer das beste Modell:
gewaltlos, aber geplant wie ein Krieg, mit großem Risiko und viel Geduld.
Noch nie hat ein amerikanischer Präsident mit einer Zustimmungsrate von nur
43 Prozent sein Amt angetreten, und als Faustregel braucht ein Diktator
mindestens ein Drittel der Bevölkerung, um an der Macht zu bleiben. So tut
der neue Feminismus gut daran, sich an allen Fronten Verbündete zu
schaffen.
Das Wetter soll gut werden am Samstag in Washington. Es werden
Hunderttausende erwartet.
20 Jan 2017
## AUTOREN
Claudia Steinberg
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