# taz.de -- Trumps konfrontativer Politikstil: Der die Kluft vergrößert | |
> Donald Trump bleibt auch als Präsident der Demagogie des Wahlkampfs treu. | |
> Seine aggressive Haltung produziert Gegenreaktionen. | |
Bild: Trump will Amerika groß machen. Einen wird er das Land sicherlich nicht | |
Am Tag vor seiner Amtseinführung als 45. Präsident der USA [1][tweetete | |
Donald Trump einen Satz], den der ultrarechte evangelikalische Prediger | |
Franklin Graham zuvor ebenfalls auf Twitter gepostet hatte: „Nicht erst | |
Donald Trump hat dieses Land gespalten. Die Spaltung der USA fand schon | |
lange vorher statt.“ | |
Indem er diese Worte teilte, lenkte Trump ganz bewusst die Aufmerksamkeit | |
auf die Spaltung in den politischen, kulturellen und ethnischen Lagern. Und | |
das im Moment der Inauguration, in dem traditionell der Zusammenhalt der | |
Nation beschworen wird. Zuvor hatte er sich ungewöhnlich zurückhaltend | |
gegeben und seine zentrale Rolle als Aufwiegler im Wahlkampf, als jemand, | |
der Ressentiments gegen Einwanderer, Afroamerikaner und Frauen nicht nur | |
schürt, sondern auch noch als gültig erklärt, heruntergespielt. | |
Gewöhnlich dienen feierliche Amtseinführungen neuer US-Präsidenten dazu, | |
die Gemüter zu beruhigen. Die ätzende Rhetorik des Wahlkampfs soll damit in | |
Vergessenheit geraten, alle Aufmerksamkeit richtet sich auf die friedliche | |
Amtsübergabe. Ungeachtet der eigenen ideologischen und politischen | |
Überzeugungen, wünschen alle gemeinsam dem neuen Präsidenten viel Erfolg | |
für dessen Amtszeit. | |
Nicht so in diesem Jahr. Anstatt die Gemeinsamkeiten zu betonen, die dieses | |
Land einen, sahen wir an diesem Wochenende in Washington ein Amerika, das | |
so gespalten ist, wie seit 1861 nicht mehr. Seinerzeit lösten sich die | |
Südstaaten, die die Sklaverei befürworteten, aus der Union und entfachten | |
damit den US-Bürgerkrieg, der bis 1865 dauerte. | |
## Gespalten wie zu Bürgerkriegszeiten | |
2017 boykottierte ein Drittel der demokratischen Fraktion im | |
Repräsentantenhaus die feierliche Amtseinführung – eine ungewöhnlich | |
deutliche Brüskierung. Zu diesem Boykott kam es, nachdem der Abgeordnete | |
John Lewis – ein legendärer Bürgerrechtler, der in den sechziger Jahren | |
Seite an Seite mit Martin Luther King für die Gleichberechtigung der | |
Schwarzen gekämpft hat – ankündigte, den Feierlichkeiten aus Protest | |
fernzubleiben. Seine Begründung: „Ich erkenne diesen designierten | |
Präsidenten nicht als legitim an. (…) Ich bin überzeugt, dass die Russen | |
diesen Mann ins Amt gehievt haben.“ | |
Via Twitter feuerte Trump auf gewohnte Art zurück: „Alles haltloses Gerede | |
– der hat doch nichts vorzuweisen.“ Das brachte viele empörte demokratische | |
Kongressabgeordnete dazu, sich Lewis anzuschließen. | |
Trotzdem nahm die Mehrheit der Demokraten an der Amtseinführung teil, | |
inklusive aller demokratischen Senatoren und dem scheidenden Präsidenten. | |
Die Abgeordnete Gwen Moore sagte trotzig: „Wenn Trump mich sieht, wird er | |
meine Ablehnung spüren.“ US-Senatoren stehen gemeinhin für größere und | |
ideologisch vielschichtigere Wahlkreise als Mitglieder des | |
Repräsentantenhauses. Und, wie die Washington Post anmerkte, bewerben sich | |
mehr Senatoren als Angehörige des Repräsentantenhauses um das Amt des | |
Präsidenten – was die Rückeroberung der zu Trump übergewechselten Wähler | |
für sie umso wichtiger macht. | |
## Jede Menge Falschinformationen | |
Entsprechend vage fiel beispielsweise der Kommentar von Senator Cory Booker | |
– ein möglicher Präsidentschaftskandidat – aus: „Ich nehme aus Respekt | |
gegenüber unseren staatlichen Institutionen an der Amtseinführung teil. | |
Aber sowie der Eid abgelegt ist, werden wir mit der Oppositionsarbeit | |
beginnen …“ | |
All jene, die hofften, dass Trump die Feierlichkeiten nutzen würde, um das | |
Land wieder zu versöhnen, wurden bitter enttäuscht. Der Präsident zeichnete | |
ein absurd schwarzes Bild von Amerika und schmückte es mit jeder Menge | |
Falschinformationen. | |
Die Kolumne „FactCheck“ der Washington Post [2][hat die Rede | |
auseinandergenommen] und entlarvte die Behauptung, dass die politische | |
Elite auf Kosten des ganzen Landes ihre Reichtümer angehäuft hätte, als | |
genauso falsch wie die, dass das Land unter rasant steigender Kriminalität | |
zu leiden hätte. De facto ist die Kriminalitätsrate auf einem historischen | |
Tiefstand. Der frühere Redenschreiber James Fallows [3][analysierte die | |
Rede für The Atlantic]. Sein Fazit: „Jede Menge Zorn und | |
Weltuntergangsstimmung, kaum konstruktive Lösungsvorschläge.“ | |
## Die größte Demo der US-Geschichte | |
Wenn man bedenkt, was Trump alles getan hat, um die Spaltung der USA zu | |
forcieren, überrascht es kaum, dass seine Amtseinführung Massenproteste | |
hervorgerufen hat. Aber [4][der „Women’s March on Washington“ und die | |
gleichzeitig stattfindenden Protestmärsche in allen Großstädten] sind | |
zusammengenommen die größte Demonstration, die das Land je gesehen hat. | |
Geschätzte 500.000 Menschen verstopften allein die Straßen der | |
US-Hauptstadt. Bei den Aktionen, die in allen Bundesstaaten stattfanden, | |
haben insgesamt mehr als 2 Millionen Leute teilgenommen. | |
Dass Frauenrechte – symbolisiert durch die handgestrickten rosa | |
„Pussyhats“, die männliche wie weibliche Demonstranten trugen, das zentrale | |
Thema der Proteste sind, wirft ein Schlaglicht auf die kulturelle Kluft, | |
die Donald Trump noch vertieft hat. Er hat ja nicht nur verhindert, dass | |
erstmalig eine Frau ins Weiße Haus einzieht. Er tat es, nachdem er damit | |
geprahlt hatte, Frauen ohne Gegenwehr an den Genitalien rumfummeln zu | |
können; nachdem er sich geschmacklos über Hillary Clintons Aussehen | |
ausgelassen und sich darüber hinaus auch noch beschwert hatte, „dass Frauen | |
es besser haben als wir“. | |
Frauen mit Collegeabschluss und schwarze Frauen waren entsetzt und liefen | |
scharenweise zu Hillary Clinton über. Weiße Frauen ohne Collegeabschluss | |
aber neigten trotz allem dazu, Trump zu unterstützen. Feministen bezeichnen | |
dieses Verhalten als „verinnerlichten Sexismus“. Ein Foto, das im Wahlkampf | |
weiter Verbreitung fand, zeigt eine Trump-Anhängerin, die eigenhändig auf | |
ihr T-Shirt „Trump kann meine … antatschen“ geschrieben hat. | |
FeministInnen reagieren darauf mit einem neuen Sinn für Dringlichkeit. | |
Gloria Steinem, seit Jahrzehnten Symbolfigur der US-amerikanischen | |
Frauenbewegung, sagte auf der Demonstration in Washington: „Das ist die | |
gute Seite an diesem Gräuel. Solch einen massiven demokratischen Willen | |
habe ich seit Jahren nicht mehr gespürt.“ | |
Feministische Forderungen sind vielen Trump-Gefolgsleuten aber nach wie vor | |
ein Dorn im Auge. Michael Flynn Jr., Sohn von Trumps nationalem | |
Sicherheitsberater und kurzzeitiges Mitglied in Trumps Beraterstab, | |
verhöhnte die DemonstrantInnen auf Twitter: „Frauen sind doch schon | |
gleichberechtigt … Was wollt ihr denn noch? Kostenlose Mani- und Pediküre?“ | |
## Nur 40 Prozent Zustimmung | |
DemonstrantInnen wie BoykotteurInnen sind keine Randerscheinung: Mehreren | |
Umfragen zufolge ist die allgemeine Zustimmung für Trump die niedrigste, | |
die es jemals für einen US-Präsidenten zum Amtsantritt gab. In der jüngsten | |
CNN-Umfrage stellten sich nur noch 40 Prozent der Befragten hinter Trump. | |
Als CNN vor 16 Jahren, zur Amtseinführung von George W. Bush, dieselbe | |
Frage stellte, erhielt dieser 61 Prozent Zustimmung – und das zu einer | |
Zeit, als die Aufregung darum noch nicht verklungen war, dass das | |
konservative Oberste Gericht Bush zum Sieg verholfen hat, weil es eine | |
Neuauszählung der Stimmen in Florida blockiert hatte. | |
Wie Bush hat auch Trump nicht die Mehrheit der Stimmen erhalten. Er konnte | |
nur aufgrund des eigenartigen US-Wahlsystems gewinnen. Dieses System soll | |
Wählerstimmen in Teilstaaten mit geringerer Bevölkerungsdichte mehr Gewicht | |
verleihen. Doch anders als Bush – oder sonst ein Präsident in der | |
Geschichte der USA – verbrachte Trump die Zeit zwischen seiner Wahl und der | |
Amtseinführung fast ausschließlich damit, gegen Kritiker zu hetzen. | |
So nannte er den Vorsitzenden der Opposition im Senat einen „Oberclown“. | |
Genauso regte er sich über die Comedy-Show „Saturday Night Live“ auf, in | |
der der Schauspieler Alec Baldwin ihn imitierte und gekonnt durch den Kakao | |
zog. Trump beschimpfte einen lokalen Gewerkschaftsvorsitzenden, nachdem der | |
Trump der Lüge bezichtigt hatte. | |
## Er bleibt der Demagogie treu | |
Egal, ob Trump das rücksichtslose Verhalten eines emotional verkümmerten | |
politischen Neulings oder die berechnende Kälte eines machiavellistischen | |
Gebieters an den Tag legt – die Auswirkung auf die amerikanische Politik | |
bleibt dieselbe. Trump will regieren, in dem er die gesellschaftliche Kluft | |
weiter vergrößert, anstatt sie zu überwinden. Eine merkwürdige Entscheidung | |
für einen Präsidenten, dessen Wahlsieg äußerst knapp ausfiel. | |
Es war aber gerade die Politik der Spaltung, die ihm die Gefolgschaft von | |
WählerInnen sicherte, die ähnlich negativ wie er über Multikulturalismus | |
und gesellschaftlichen Wandel denken. Trump bleibt der Demagogie treu, die | |
ihn ins Weiße Haus gebracht hat. | |
Dass diese aggressive Haltung eine Gegenreaktion produzieren würde, war | |
klar. Überraschend ist nur, dass sich der Widerstand der BürgerInnen | |
bereits am Tag eins seiner Präsidentschaft gezeigt hat. Diese | |
Massenproteste sollen der Welt zeigen: Trump wird zwar US-Präsident. Aber | |
er spricht nicht für alle AmerikanerInnen. | |
Aus dem Amerikanischen von Sylvia Prahl | |
23 Jan 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/822064153426857984 | |
[2] https://www.washingtonpost.com/news/fact-checker/wp/2017/01/20/fact-checkin… | |
[3] https://www.theatlantic.com/politics/archive/2017/01/american-carnage-the-t… | |
[4] /Womens-March-gegen-Donald-Trump/!5376777 | |
## AUTOREN | |
Bill Scher | |
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