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# taz.de -- Proteste gegen den Donald Trump: Jetzt kommen die „Nasty Women“
> Sie kämpfen mit Katzenohren und guten Argumenten: Es sind häufig Frauen,
> die in den USA das Wort gegen den neuen Präsidenten führen.
Bild: Auf geht's!
New York taz | „Wir sollten jetzt alle am Flughafen sein.“ Um 9.20 Uhr am
vergangenen Samstag schrieb Jacki Esposito auf ihrer Facebook-Seite diesen
Satz. Am Abend zuvor hatte sie lange mit Freunden über das Einreiseverbot
für Menschen aus sieben Ländern diskutiert, das der neue Präsident gerade
per Dekret erlassen hatte. Auch wenn noch nicht alle Einzelheiten klar
waren, spürten sie deutlich die Dramatik. „Wir waren sehr, sehr
aufgebracht“, sagt die 40-jährige New Yorkerin.
Eineinhalb Stunden nach ihrem Facebook-Post stieg sie mit drei anderen
Frauen aus dem Auto und begann einen langen Protesttag am Flughafen John F.
Kennedy. Schon zur Mittagszeit war sie von mehreren Hundert Demonstranten
umgeben. Sie skandierten: „Kein Hass, keine Angst. Flüchtlinge sind hier
willkommen.“ Manche hielten Blätter aus Notizblöcken oder Pappen hoch, auf
die sie in aller Eile mit Bleistift und Kuli Slogans geschrieben hatten:
„Legale Visa – lasst sie rein!“ oder: „Die Tore bleiben offen!“
17 Minuten nachdem Esposito ihre Anregung online gestellt hatte, kam die
erste Reaktion. „Kann ich helfen?“, fragte Molly Sandley. Die beiden Frauen
hatten sich 2007 in Barack Obamas erstem Wahlkampf kennengelernt. Seither
hatte sich Esposito auf ihre Arbeit als Einwanderungsanwältin konzentriert
und Sandley war erst Mutter und dann eine politische „Organizer“ geworden.
An diesem Samstagmorgen leitete Sandley die Aufforderung weiter an ihre
Gruppe von 25.000 Trump-Gegnern. Von dort verbreitete sie sich in
Windeseile in den sozialen Netzwerken.
Bis zum Abend schwoll die Demonstration in JFK auf mehrere Tausend Menschen
an, in Dutzenden anderen Flughäfen quer durch die USA fanden ähnliche
Proteste statt. In New York saßen die ersten zwölf Opfer des Dekrets nur
wenige Meter von den Demonstranten entfernt in Handschellen im
Abschiebezentrum von Terminal 4. Unter ihnen waren zwei Iraker, die als
Übersetzer für die US-Armee gearbeitet hatten, bevor sie Flüchtlingsstatus
in den USA bekamen, und eine junge Sudanesin, die an der Universität
Stanford an einer anthropologischen Doktorarbeit schreibt.
Die Fernsehsender unterbrachen ihr Programm und berichteten live. Der New
Yorker Gouverneur Andrew Cuomo zwang die Verkehrsbetriebe, ihr
vorübergehendes Transportverbot für Demonstranten aufzuheben. Und
Menschenrechtsanwälte strengten Eilverfahren vor mehreren Gerichten an.
Gemeinsam sorgten sie dafür, dass Teile des Dekrets noch am selben Abend
ausgesetzt wurden und mehrere Abschiebekandidaten die Flughäfen als freie
Menschen verlassen konnten. „Wir waren positiv schockiert“, beschreibt die
44-jährige Sandley ihren Erfolg.
## Drei Millionen auf der Straße
Zum zweiten Mal binnen einer Woche waren Frauen die Initiatorinnen und
Chefinnen historischer Mobilisierungen. Am 21. Januar hatten vier andere
Frauen aus New York die größten Demonstrationen der US-Geschichte
organisiert. Drei Millionen Menschen, überwiegend Frauen, waren auf die
Straße gegangen. Viele bezeichneten sich als „Nasty Woman“ – garstige Fr…
–, wie der neue Präsident die unterlegene Hillary Clinton genannt hatte.
Hunderttausende trugen rosa Strickmützen mit Katzenohren, als Anspielung
auf Trumps Prahlerei, er könne jede „Pussy grabschen“.
Für viele war es die allererste Demonstration ihres Lebens. Für andere war
es eine Gelegenheit, endlich die Themen ins Zentrum der öffentlichen
Debatte zu bringten, an denen sie seit Jahren arbeiten. „Die
Einwanderungspolitik liegt schon sehr lange im Argen“, sagt Jacki Esposito
und verweist auf das Register für Männer aus bestimmten arabischen Ländern,
das schon George W. Bush im Jahr 2002 eingeführt hat und das Barack Obama
zwar im Jahr 2011 ausgesetzt, aber erst im letzten Monat seiner Amtszeit
offiziell abgeschafft hat.
Die Mobilisierung der Frauen hat viele Antriebskräfte. Eine zentrale ist
die Wut auf Donald Trump – den „ignoranten, unqualifizierten und
sexistischen Präsidenten“, wie die linke Feministin Liza Featherstone ihn
nennt. Aber da ist auch die Enttäuschung darüber, dass Clinton, die wie
selbstverständlich als nächste Präsidentin der USA galt, es nicht geschafft
hat.
Hinzu kommt eine Haltung, die sich erst in den letzten Jahren entwickelt
hat. Die Vorstellung von Geschlechtergleichheit hat sich verändert und
sogar den Weg in renitente internationale Organisationen wie die Weltbank
gefunden. Frauen waren auch in den Bewegungen für Bürgerrechte, gegen den
Vietnamkrieg und gegen andere Kriege aktiv, aber blieben meist im
Schatten. Erst in den Obama-Jahren eroberten sie Spitzenpositionen in
politischen Organisationen. Oder gründete ganz neue Strukturen. So schufen
drei junge Frauen die Gruppe „Black Lives Matter“, die heute eine zentrale
Rolle bei den Protesten gegen Polizeigewalt spielt
## Der sexistische Präsident
Der 70-jährige Multimilliardär Trump, der sein Erbe durch Immobilien- und
Kasinospekulationen, Reality-Shows und Miss-Küren vermehrt hat und für
seinen Sexismus berüchtigt ist, hat die Mobilisierung beschleunigt. Er
benutzt Worte wie „Schlampen“, „Schweine“ und „wunderbare Ärsche“ …
Frauen, und er wird in mehr als einem Dutzend Fällen wegen sexueller
Übergriffe beschuldigt.
„Sein Leben und seine Worte sorgen für Angst und Ekel“, sagt Jacki
Esposito, „er ist unser schlimmster Albtraum.“ Aber als Feministin versteht
sie sich nicht. Sie nennt sich eine „Humanistin“. Sie sagt: „Mir geht es …
Fairness und darum, das Richtige zu tun. Ich bin dagegen, Sündenböcke zu
suchen.“
Die Frauenbewegung gegen den neuen Präsidenten ist seit vergangenem Herbst
immer stärker geworden. Bereits wenige Stunden nach seinem Wahlsieg
kündigten entsetzte Frauen auf Facebook an, dass sie seinen Amtsantritt
nicht kommentarlos hinnehmen würden. In den Wochen der transition stellte
Trump ein Kabinett aus mehrheitlich weißen Männern zusammen. Jetzt arbeitet
er daran, die Errungenschaften zu kippen, für die Mütter und Großmütter der
heutigen Aktivistinnen gekämpft haben – darunter das Recht auf
Schwangerschaftsabbruch, öffentlich finanzierte Familienplanungszentren und
die Erstattung der Kosten für Verhütungsmittel durch die
Krankenversicherung.
Inzwischen hat er auch das Frauenbüro im Weißen Haus abgeschafft. Zudem hat
er Hilfsorganisationen in aller Welt einen Maulkorb angelegt: Wer auch nur
über Schwangerschaftsabbruch informiert, bekommt fortan keine Subventionen
mehr aus den USA.
## Die ersten 100 Tage
Nach dem Erfolg der Großdemonstrationen vom 21. Januar ist die Gruppe
„Women’s March“ zur zentralen Organisation der Opposition geworden. [1][A…
ihrer Website] hat sie einen Plan für die ersten 100 Tage der neuen Ära
vorgelegt, nach dem alle 10 Tage neue Aktionen anstehen. Bis zum 12.
Februar finden eher beschauliche Treffen in Privatwohnungen statt, bei
denen die Teilnehmer Ideen sammeln, Postkarten an Kongressabgeordnete
schreiben, um sie zu drängen, Trumps Minister zu verhindern, und
Petitionen und die nächsten Schritte organisieren.
Daneben erstarken auch alle anderen oppositionellen Gruppen.
Menschenrechtsorganisation bekommen so viele Spenden wie seit Jahrzehnten
nicht. Sozialistische Organisationen feiern fröhliche Urständ. Und auch
Frauengruppen profitieren von dem neuen Aufwind.
„Organizer“ wie Sandley denken bereits zwei und vier Jahre in die Zukunft �…
an die nächsten Kongress- und Präsidentschaftswahlen – und organisieren
Trainings für die künftigen Kandidatinnen auf allen Ebenen: von den
Kommunen, über die Countys und Bundesstaaten bis hin zu nationalen Wahlen.
Dabei will Sandley von den Republikanern lernen, die mit einer
Graswurzeltaktik gearbeitet haben, während die Demokratische Partei die
Basis lange vernachlässigte.
Am Protesttag auf dem Flughafen hat Espositos am liebsten einen Slogan
gerufen, der eine Drohung an den neuen Präsidenten war: „Wenn du eine Mauer
baust, reißen wir sie ein.“ Die Mobilisierungen haben ihr ein neues Gefühl
von Stärke gegeben. „Unsere Trauer ist vorbei“, sagt sie. „Wir haben jet…
die Möglichkeit, das Hässliche offenzulegen und eine neue Politik zu
entwickeln. Wir können unser Land verändern.“
3 Feb 2017
## LINKS
[1] https://www.womensmarch.com
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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