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# taz.de -- Harvey Weinstein und die US-Demokraten: „Jeder in Hollywood wusst…
> Es war ein offenes Geheimnis, dass Produzent Weinstein Frauen sexuell
> belästigt hat. Jetzt positionieren sich die Demokraten, die er einst
> unterstützte.
Bild: Zahlte Geld für das Schweigen: Harvey Weinstein
New York taz | Fünf Tage hat es gedauert, bis auch die Schwergewichte in
Hollywood und in der Demokratischen Partei ihr Schweigen über den
Filmproduzenten Harvey Weinstein brachen. Erst nachdem drei Frauen über
Vergewaltigungen und fast ein Dutzend Frauen gegenüber Journalisten von
sexuellen Belästigungen berichtet hatten, und nachdem die Weinstein Company
ihren unhaltbar gewordenen Co-Gründer entlassen hatte, nannte am Dienstag
Barack Obama Weinsteins Verhalten „inakzeptabel“. Und Hillary Clinton
schrieb, sie sei „schockiert und bestürzt“.
Am selben Tag berichteten auch die Filmstars Gwyneth Paltrow und Angelina
Jolie, von dem Produzenten begrabscht worden zu sein. Und die Gattin des
Filmproduzenten gab ihre Trennung bekannt. Auch einige Hollywoodstars, die
viel mit Weinstein zusammen gearbeitet haben, darunter Meryl Streep, George
Clooney und Ben Affleck, gingen öffentlich auf Distanz.
Weinstein war jahrzehntelang einer der mächtigsten Männer in der
Filmindustrie in New York und Hollywood. Er produzierte erfolgreiche Filme
wie „Sex, Lies and Videotapes“, „Pulp Fiction“ und „The King’s Spee…
holte Dutzende von Oscar-Nominierungen ein und entschied über Aufstieg und
Fall von Generationen von SchauspielerInnen. Zugleich hatte er einen
direkten Draht zur Spitze der Demokratischen Partei.
Im zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf verteidigte er „Hillary“ in
zahlreichen Talkshows. Geleakte E-Mails der Demokratischen Partei zeigen,
dass Weinstein den Mitarbeitern von Clinton immer wieder Ratschläge für die
Kampagne gegen Bernie Sanders schickte. Er spendete Clinton mehrere
Hunderttausend Dollar. Und er organisierte „Fundraising-Events“ mit
Hollywood-Stars für Clinton. Weinsteins Unterstützung für die Demokratin
reicht weit zurück. Als Clinton im Jahr 2000 erstmals im Bundesstaat New
York für den Senat kandidierte, stellte Weinstein seinen PR-Fachmann
monatelang frei, damit er „die Stimmen der orthodoxen jüdischen Community“
für sie holte. Der Filmproduzent unterstützte auch Obamas Kampagnen
großzügig. Im vergangenen Jahr machte die ältere Obama-Tochter Malia ein
Praktikum bei ihm.
Als Clinton ihre letzte Präsidentschaftskampagne begann, waren die
sexuellen Übergriffe des Filmproduzenten sowohl in Hollywood als auch in
New York, wo die Weinstein Company ihren Sitz hat, ein offenes Geheimnis.
„Jeder in Hollywood wusste es“, sagt die französische Schauspielerin Emma
de Caunea. Mehrere Frauen, die Weinsteins Opfer waren, hatten finanzielle
Abfindungen verbunden mit Schweigeverpflichtungen bekommen. Wenn
Journalisten Enthüllungen über Weinstein planten, wurden sie mit lukrativen
Buch- und Beraterverträgen ruhiggestellt. „Es war verblüffend, wie viele
Schreiber auf den Miramax Gehaltslisten waren“, sagt die Journalistin Tina
Brown, die in den 90er-Jahren für die Weinstein-Brüder Harvey und Bob das
„Talk-Magazine“ gründete und betreute: „Viele haben versucht, darüber zu
schreiben. Aber ihre Geschichten wurden immer gekillt“, sagt Brown.
## Abfindungen, Drohungen, Schweigen
Clinton hat ihren Wahlkampf als Frauenrechtlerin bestritten. Sollte sie
Zweifel an den Gerüchten über ihren Geldgeber gehabt haben, hätte sie zwei
Informationen aus dem Vorjahr berücksichtigen können. In 2015
veröffentlichte die Weinstein-Mitarbeiterin Lauren O'Connor einen Bericht,
in dem sie präzise den sexuellen Missbrauch durch ihn beschrieb und
zugleich das Machtgefälle deutlich machte: „Ich bin eine 28-jährige Frau,
die versucht, ihre Karriere zu organisieren. Harvey Weinstein ist ein
64-jähriger weltberühmter Mann. Die Machtbalance ist 0 für mich und 10 für
ihn.“
Nach einer Abfindung zog O'Conner ihre Klage zurück. Im selben Jahr
erstattete die Italienerin Ambra Battilana, ein Model, Anzeige wegen
Weinsteins Grabschereien. Bevor Battilana zu einem neuen Treffen mit
Weinstein ging, wurde sie von der Polizei mit Aufnahmegeräten verkabelt.
Auf den Aufzeichnungen ist zu hören, wie Weinstein die 22-Jährige drängte,
ihm beim Duschen zuzuschauen. „Ich bin ein berühmter Mann“, sagte er und
drohte ihr, nie wieder etwas für sie zu tun, falls sie nicht mitmache.
Trotz der schockierenden Szene stellte die New Yorker Justiz das Verfahren
ein. Es hätte einen Serien-Grabscher und Vergewaltiger stoppen können.
Jetzt rückte eine [1][Recherche der New York Times] Weinsteins Übergriffe
in den Fokus der Aufmerksamkeit. Sie stützte sich unter anderem auf
unveröffentlichte Berichte der Schauspielerinnen Ashley Judd und Rrose
McGowan, die beide Opfer von Weinstein waren. Am Dienstag folgte der
[2][New Yorker]. Das Magazin hatte in den zurückliegenden Jahren mehrfach
vergeblich versucht, Weinstein-Opfer zu Interviews zu bewegen. Doch keines
war bereit, dieses Risiko einzugehen. Schwierig war auch die Platzierung
der Recherche. Der Filmemacher Ronan Farrow hatte sie ursprünglich dem
TV-Sender NBC angeboten, für den er gewöhnlich arbeitet. Doch der lehnte
ab. Erst danach schrieb Farrow seine Geschichte für den New Yorker auf.
## Mehrere ähnliche Fälle
Zunächst reagierte Weinstein so großmäulig wie üblich. Er bestritt alles
und drohte der New York Times mit einer ruinösen Verleumdungsklage. Die
Entschädigung wollte er „Frauengruppen“ spenden. Seither ist er so schnell
und tief gestürzt, dass sich viele beeilen, auf Distanz zu ihm zu gehen.
Unter anderem verurteilte auch Disney-Chef Bob Iger das Verhalten von
Weinstein. Doch in den Jahren, in denen Weinstein im Inneren der
Disney-Company arbeitete, ging niemand den anhalten Gerüchten über sein
Verhalten nach.
Der Demokrat Weinstein ist nicht der einzige Prominente aus dem
Showbusiness, dessen Übergriffe jahrelang ungestört stattfinden konnten und
der dann zu Fall kam. Erst vor wenigen Monaten ist der Entertainer [3][Bill
Cosby] aufgrund von Enthüllungen über sexuelle Gewalt zu Fall gekommen. Der
rechte TV-Sender Fox musste gleich mehrere Männer – u.a den langjährigen
Geschäftsführer Roger Aisles und der Star-Moderator Bill O'Reilly –
entlassen, die der Sender zuvor gegen ähnliche Vorwürfe geschützt hatte.
Doch während sich im Showgeschäft das Klima allmählich ändert, gibt es in
der Politik weiterhin falsche Toleranz gegenüber sexuellen Übergriffen. So
brüstete sich Donald Trump mit [4][„Pussy-Grabschereien“] und damit, dass
er als Promi „jede“ haben könne. Bisher schadete ihm das nicht.
11 Oct 2017
## LINKS
[1] https://www.nytimes.com/2017/10/05/us/harvey-weinstein-harassment-allegatio…
[2] https://www.newyorker.com/news/news-desk/from-aggressive-overtures-to-sexua…
[3] /Umgang-mit-Vergewaltigungsvorwuerfen/!5262067
[4] /Kommentar-Trumps-Skandal-Video/!5346784
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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