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# taz.de -- Missbrauchsvorwürfe gegen Weinstein: Der Domino-Effekt
> Hollywood-Produzent Harvey Weinstein soll jahrelang Frauen sexuell
> belästigt und missbraucht haben. Dass er nun entlassen wurde, ist ein
> Meilenstein.
Bild: Bill Cosby, Bill O’Reilly, Harvey Weinstein: alle wie Dominosteine von …
Die Details, die da gerade ans Licht kommen, weil es einige Frauen endlich
wagen, davon zu erzählen, [1][was ihnen mit US-Filmproduzent Harvey
Weinstein widerfahren ist], mögen schrecklich sein. Dass nun ein
Filmbusiness-Tycoon wie Harvey Weinstein wegen seines offenbar zutiefst
misogynen Verhaltens gefeuert wird, ist aber eine fette Party wert. Denn
was da geschieht, ist ein Dominoeffekt. Und der ist – einmal in Gang
gesetzt – bekanntlich nur schwer aufzuhalten.
Mit Bill Cosby fing es an. Nachdem immer mehr Frauen öffentlich davon
berichteten, dass ihnen der US-Schauspieler Betäubungsmittel verabreicht
hatte, um sie anschließend zu vergewaltigen, nahm seine Karriere ein jähes
Ende – und es kam im Juni 2017 endlich zu einem ersten ernstzunehmenden
Prozess. Anfang des Jahres dann wurde Fox News-Moderator Bill O’Reilly
gefeuert, als bekannt wurde, dass er Frauen, die ihm vorwarfen, sie sexuell
belästigt zu haben, Schweigegelder in Millionenhöhe gezahlt hatte, um eine
Anzeige zu verhindern. Und nun also Weinstein.
Sowohl in der [2][New York Times] als auch im [3][New Yorker] werfen drei
Frauen Weinstein vor, von ihm vergewaltigt worden zu sein. Ein Dutzend
weitere berichten von sexuellen Übergriffen. Und mehrere Angestellte seiner
Filmproduktionsgesellschaft sagen, sie hätten von alldem gewusst, seien
teilweise sogar als „Lockvögel“ involviert gewesen, hätten aber aus Angst
vor Konsequenzen und Scham mitgemacht, geschwiegen oder weggesehen.
Dass Weinstein nun von seiner Produktionsfirma entlassen wurde, ist ein
Meilenstein. Denn damit kehrt sich etwas Entscheidendes um: Es sind nicht
mehr die wenigen, die den Mut aufbringen, auch gegen Widerstände für sich
einzustehen und mutmaßlich erlebte Gewalt zur Anzeige zu bringen, die mit
dem Ende ihrer Karriere rechnen müssen. Die Konsequenzen trägt nun (auch)
derjenige, der seine schier unantastbare Macht und Monopolstellung im
Filmbusiness missbraucht.
Laut den Berichten der beiden US-Medien hatte Weinsteins Masche System:
Eine junge Schauspielerin zu Beginn ihrer Karriere weiß um den Einfluss,
den Weinstein in einer Branche, in der es auf gute Kontakte ankommt, hat.
Ein Meeting wird anberaumt. Nachts statt tagsüber. Auf dem Zimmer statt in
der Lobby des Hotels. Zum Teil ist anfangs eine Mitarbeiterin dabei, die
dann geht. Weinstein, der Karriereförderung verspricht – und dann plötzlich
im Bademantel im Zimmer steht. Viele Aussagen sind deckungsgleich. Immer
mit dabei der Satz: Ich hatte Angst, dass er mich/meine Karriere/mein Leben
zerstört, wenn ich nicht mitmache/wenn ich darüber spreche.
Das Beispiel von Ambra Battilana Gutierrez, einer der wenigen Frauen, die
Weinsteins Übergriff zur Anzeige brachte und ihm mit einem versteckten
Mikrofon gegenübertrat, offenbart außerdem wie selbstverständlich dieses
Verhalten für Weinstein ist. „I am used to that“ antwortet er, als sie ihn
fragt, warum er ihr tags zuvor an die Brust gefasst habe, und erinnert
damit stark an Trumps „grab’em by the pussy“-Talk: „And when you’re a…
they let you do it.“
## Unterlassene Hilfeleistung
All das wird sich ändern, wenn immer mehr Frauen erleben, dass man eben
doch etwas bewirken kann. Um aber tatsächlich einen Ausweg aus der tief
verankerten Rape Culture zu finden, wird mehr nötig sein als nur diese
erfreulichen Einzelfälle.
Wie wäre es beispielsweise damit, wenn künftig nicht nur mutmaßliche Täter
mit einem Strafprozess rechnen müssten, sondern auch all diejenigen, die
dieses System passiv oder aktiv gestützt und aufrechterhalten haben? Wegen
unterlassener Hilfeleistung beispielsweise oder wegen Mittäterschaft? Kommt
man mit dieser äußerst toxischen Form des Komplizentums ungestraft davon,
fällt die Entscheidung, feige und opportunistisch zu sein, womöglich
leicht. Und das sollte sie nicht.
Und es bedarf Alternativen. Denn es ist deren Monopolstellung, die Männer
wie Harvey Weinstein so mächtig machen. Wer schlicht keine andere
Möglichkeit hat, Karriere zu machen, wird sich noch schwerer tun, über
Gewalterfahrungen zu sprechen, als jemand, der „nur“ mit Scham und
Schuldgefühlen zu kämpfen hat. Die Forderung, Machtpositionen mit Frauen zu
besetzen, die dann (hoffentlich) Räume und Strukturen etablieren, die nicht
auf sexualisierter Gewalt basieren, ist also nicht nur feministisch,
sondern auch ein praktischer Schutz gegen die Weinsteins dieser Welt.
Bis dahin kann man nur hoffen, dass immer mehr Frauen (und Männer), die
sexualisierte Gewalt erlebt haben, den Mut finden, ihre Geschichte zu
erzählen. Wie wäre es beispielsweise mit den Frauen, über die Donald Trump
in seinem „locker room talk“ sprach? Ladys, wo seid ihr? Auf dass
irgendwann auch das letzte Dominosteinchen fällt.
11 Oct 2017
## LINKS
[1] /Harvey-Weinstein-und-die-US-Demokraten/!5454182/
[2] https://www.nytimes.com/2017/10/05/us/harvey-weinstein-harassment-allegatio…
[3] https://www.newyorker.com/news/news-desk/from-aggressive-overtures-to-sexua…
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
Harvey Weinstein
Sexuelle Übergriffe
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