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# taz.de -- Debatte Sexismus in Hollywood: The show must not go on
> Harvey Weinstein, Marlon Brando? Ihre Filme sehe ich mir nicht mehr an.
> So habe ich in der Hand, welches Menschenbild ich unterstütze.
Bild: Harvey Weinstein: Kann man einen Film von seinen Entstehungsbedingungen t…
Wenn mir ein Film gefällt, ist meine Leidenschaft kompromisslos. Ich war
schon gleichzeitig in Natalie Portman, Mila Kunis und Vincent Cassel
verliebt. Als „LaLaLand“ herauskam, war ich so oft im Kino, dass ich am
Ende allein gehen musste, weil von meinen Freundinnen und Freunden niemand
mehr bereit war, mich zu begleiten. Ich liebe Filme. Jetzt muss sich etwas
ändern. Die Zeit der Kompromisslosigkeit ist vorbei.
Harvey Weinstein, der als ausführender Produzent an vielen meiner
Lieblingsfilme mitwirkte, [1][hat Frauen sexuell missbraucht]. „August:
Osage County“, „The Cider House Rules“, „Der Englische Patient“. Habe…
mich bei diesen Filmen gefragt, wer die Menschen hinter der Industrie sind?
Wie Castingentscheidungen getroffen werden? Ich habe es nicht, und ich
schäme mich dafür. Die Verdinglichung der Frau, über die ich sonst lese,
schreibe, gegen die ich mich stemme, hat jetzt den Ort erreicht, an dem ich
die Füße hochlege, meinen Kopf frei bekommen will, mich abkapsele von der
Welt da draußen: meine Couch.
Natürlich gibt es dieses Problem nicht erst seit ein paar Tagen, siehe
Roman Polanski, siehe Woody Allen, siehe Klaus Kinski. Und jeder, der
glaubt, die Hollywood-Industrie (oder eine andere große Filmindustrie) sei
eine ethisch korrekte, sittlich einwandfreie „Traumfabrik“, der ist naiv.
Aber spätestens jetzt ist der Moment gekommen, auch privat auf ein Problem
zu reagieren, das wir bisher toleriert haben.
Wir leben in einer Zeit, in der wir uns entscheiden können, ob wir Fleisch
essen, in der wir bewusst mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren anstatt mit dem
Auto, welche Kleidung wir kaufen. Warum fällt es uns so schwer, moralische
Entscheidungen auch auf unseren kulturellen Konsum zu übertragen?
## Fernseher an, Gehirn aus
Gibt es nicht viel schwerwiegendere Probleme auf der Welt, als
Diskriminierung in der Kulturindustrie? Natürlich. Aber wir alle, die wir
Zeitungen wie die taz lesen und das Glück haben, in Deutschland
aufgewachsen zu sein, müssen uns nicht fragen, wo die nächste Mahlzeit
herkommt. Oder ob wir verhaftet werden, wenn wir frei unsere Meinung
äußern. Wir sind privilegiert, weil wir uns am Sonntagabend entscheiden
dürfen, welchen Film wir ansehen. Aber das heißt auch: Fernseher an, Gehirn
aus –, das geht mit dem Wissen, das wir haben, nicht.
Letztes Jahr wurde ein Video veröffentlicht, in dem Bernardo Bertolucci,
Regisseur von „Der letzte Tango in Paris“, äußerte, dass er und Marlon
Brando die junge Schauspielerin Maria Schneider [2][mit der
Vergewaltigungsszene in „Der letzte Tango in Paris“ überrumpelten]. Ich
werde in Zukunft auf Filme mit Marlon Brando verzichten. Das ist zwar
schade. Aber es ist nichts, was mich ein Leben lang verfolgen wird, wie die
Schauspielerin Maria Schneider, die sich nach dieser Szene vergewaltigt
fühlte.
Ich möchte die Frau achten, die für eine Szene um der „glaubwürdigen
Emotionen“ willen manipuliert und benutzt wurde, und ihre Menschenrechte
würdigen. Zugegebenermaßen in einem sehr privaten Rahmen. Aber immerhin
ignoriere ich nicht bewusst, was ihr angetan wurde. Ich will nicht die
Kunst eines Mannes unterstützen, der Frauen wie minderwertige Objekte
behandelt und dabei von der Hollywood-Industrie geschützt wird.
Seit letzter Woche bedeutet dieser Vorsatz, dass ich auch auf Filme der
Weinstein-Company verzichten muss, wenn ich konsequent sein will. Werde ich
das tun? Und ist Verzicht überhaupt die logische Folge? Nicht unbedingt.
Denn dann würde ich auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Films
dafür mit verurteilen, dass ihr Chef ein Schwein ist. Dann müsste ich wohl
in eine Hütte im Perlacher Forst ziehen, mir ein Gewand aus Blättern
schneidern und mich von Grashalmen ernähren.
Erst dann würde ich wirklich moralisch einwandfrei handeln. Aber das wird
nicht passieren, denn ich hänge an den Bequemlichkeiten des 21.
Jahrhunderts. Das ist auch nicht schlimm. Was viel wichtiger ist: Das Eis
des Schweigens in einer angeblich modernen Welt, in der Frauen nach wie vor
objektifiziert werden, hat Risse bekommen. Es ist unser aller Aufgabe,
dafür zu sorgen, dass es bricht.
## Verbrechen ausblenden
Der Begriff „Kunstgenuss“ hat in der Hollywoodindustrie eine neue Bedeutung
bekommen. Werke wie die der Weinstein-Company, von Roman Polanski oder Bill
Cosby kann nur genießen, wer Verbrechen um des Kunstwerks willen
ausblendet. Selbstverständlich steht es jedem frei, Künstlerinnen und
Künstler von deren Werk zu trennen. Aber ist das nicht eher bequem als
reflektiert?
Es kann nicht sein, dass wir uns über Missbrauch empören, in unserem
Kulturkonsum aber bekannte Tatsachen über Künstler zugunsten ihrer
Kunstwerke ausblenden. Wir können uns nicht mit den Adjektiven
„feministisch“ und „humanitär“ schmücken und uns abends „Der letzte…
in Paris“ ansehen, weil es eben „ein Klassiker“ ist. Die Diskussion darü…
müssen wir annehmen und immer wieder führen, auch wenn wir anderen damit
auf die Nerven gehen. Denn wer aufstöhnt und davon nichts wissen will, hat
das Ausmaß des Problems nicht verstanden.
Für die Betroffenen verjährt Vergewaltigung nicht, genauso wenig, wie
sexuelle Belästigung je verjährt, weil die psychischen Folgen, die durch
diese Taten entstehen, nicht nach ein paar Jahren vergessen sind.
Es geht hier nicht um veganen Apfelkuchen oder Mülltrennung. Es geht nicht
nur um das theoretische Frauenbild in unserer Gesellschaft. Sondern auch
ganz praktisch darum, was für ein Leben diese Gesellschaft Frauen
zugesteht. Wenn wir über Darsteller, über das Drehbuch und den Schnitt
eines Films reden, dann reden wir bitte in Zukunft auch über das
Menschenbild dahinter. Damit der Fall Harvey Weinstein kein Skandal bleibt,
der nach zehn Tagen wieder abflaut. Sondern damit, dass er zu einer Chance
wird, im gesellschaftlichen Bewusstsein etwas zu ändern. Auch in der Kultur
haben wir, die Konsumentinnen und Konsumenten in der Hand, was wir kaufen.
Welche Menschen wir damit unterstützen.
23 Oct 2017
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## AUTOREN
Theresa Hein
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