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# taz.de -- Musikerin Y’Akoto über Hautfarben und Akzeptanz: „Rassismus is…
> Y’Akoto ist in Ghana aufgewachsen und kam mit elf Jahren nach
> Deutschland. Die Musikerin spricht über ihre Erfahrungen mit Rassismus.
Bild: Hat von ihrem Vater gelernt, sich mit Intellekt zu wehren: Y’Akoto
taz: Hallo Y’Akoto, wie gehen Sie damit um, dass die politische Devise
derzeit Abschottung ist?
Y'Akoto: Als Künstlerin beobachte ich, als schwarze Frau spüre ich. Meine
Wahrnehmung ist, dass die Welt immer wieder von globalem Chaos erschüttert
worden ist. Es gibt Entwicklung und Rückschritte und derzeit befinden wir
uns in einer Phase des Rückschritts.
2015 und 2016 engagierten sich viele Menschen, um Geflüchtete willkommen zu
heißen und jetzt gibt es Donald Trump in den USA, Marine Le Pen in
Frankreich oder eine erstarkende AfD in Deutschland. Meinen Sie das mit
Rückschritt?
Es ist mir peinlich, was passiert, weil wir uns zurückbewegen, statt nach
vorne. Als Künstlerin will ich aber Anlass zu Hoffnung geben und deshalb
schreibe ich Textzeilen wie „No time to fake it, we can make it.“ Wir sind
hier und uns kann man nicht einfach abräumen. Das ist unser Planet und wir
können und wollen nicht auf dem Mond leben.
Wie haben Sie es erlebt, als 2015 etwa in den Hamburger Messehallen
Geflüchtete untergebracht und versorgt wurden, wie Kleiderkammern aufgebaut
und wie geholfen wurde?
Das habe ich nicht nur hier, sondern auch woanders in Europa erlebt.
Dadurch, dass ich Afrikanerin oder besser eine fusionierte Persönlichkeit
mit zwei Kulturen bin, nehme ich das wahr und habe das auch in meiner Musik
immer wieder thematisiert. 2014 in „Moody Blues“ habe ich darüber in
„Mother and Son“ geschrieben. 2014 begann die sogenannte Flüchtlingskrise
und es gibt auf jedem Album von mir ein oder auch mehrere Stücke dazu –
über die letzten Gedanken eines Bootsflüchtlings, der droht zu ertrinken
etwa. Aber ich habe im Laufe der Zeit auch gemerkt, dass die ganze
Empathie, die ich da abverlange, auch lähmen kann.
Eine Erkenntnis aus dem Jahr 2015?
Ja, denn da konnte man sehen, wie diese Menschen, die alles verloren haben,
hier angekommen sind. Für mich war dann die Frage, was wir mit der Empathie
tun. Lassen wir zu, dass sie uns lähmt, wandeln wir sie um in Akzeptanz und
tun etwas dafür, dass sich die Welt ändert? Dafür müssen wir mehr
miteinander kommunizieren, um uns besser zu verstehen. Das sind heute die
Fragen, die mich interessieren.
Die aber öffentlich selten gestellt werden.
Das wundert mich nicht. Viele behaupten, dass das etwas mit Bildung zu tun
hat, aber das glaube ich nicht, denn es gibt hochgebildete Rassisten. Ich
bin überzeugt, dass Rassismus eine Wahrnehmungsstörung ist. Es ist eine
Störung, wenn Leute glauben, ihr System, ihre Hautfarbe, ihre Art zu leben
sei besser als andere und dass ihr Wohlstand nur ihnen gehöre. Das ist eine
mentale Störung, denn das Leben ist eben nicht so.
Wie ist es denn?
Man lernt schon im Kindergarten, dass man teilen muss. Dass man sich auch
mal prügeln, aber anschließend wieder gemeinsam am Tisch sitzen und
Kartoffelbrei essen muss. Als Künstlerin will ich Leute auf Konzerten
zusammenbringen, sie auf begrenztem Raum für eine begrenzte Zeit dazu
zwingen, etwas gemeinsam zu erleben. Das ist es, was mich immer an Musik
gereizt hat, denn auf Konzerten fällt dieses Besser-sein, diese Erhabenheit
in aller Regel weg.
Welche Rolle spielt da Ihr Vater?
Es gibt keinen Menschen, der mir die Welt besser erklärt als mein Vater. Er
ist ein afrikanischer Intellektueller, der mich dazu erzogen hat,
eigenständig zu denken und auch eigensinnig zu sein. Als ich dann mit elf
Jahren nach Deutschland kam und erste rassistische Erfahrungen machte –
Kinder können sehr brutal sein – hat er mir immer erklärt, dass ich mich
mit meinem Intellekt wehren soll, mich nicht in die Defensive drängen
lassen soll. Das ist eine wichtige Eigenschaft. Zudem habe ich früh gelernt
zu argumentieren. Dazu hat er mich in Debattierclubs geschickt. Hier in
Hamburg hat er dann sehr darauf geachtet, dass ich mein Englisch nicht
verliere. Er hat mir aufgetragen, jede Woche ein englisches Buch zu lesen.
Und waren Sie eine folgsame Tochter?
Ich respektiere meinen Vater und ich wollte immer beide Perspektiven
mitbekommen – nicht als schwarzer Mensch mit der europäischen Perspektive
aufwachsen, sondern auch mit der schwarzen Perspektive. Aus dieser
Perspektive ist mein Vater extrem wichtig und darum geht es auch in meiner
Arbeit.
Inwiefern?
Ich will die Geschichte eines bi-kulturellen Menschen erzählen, die nicht
auf Ländern und Grenzen basiert, sondern auf Internationalität. Die
Herausforderung ist: Wir müssen zusammenrücken und eine gemeinsame Sprachen
sprechen.
Musik für Weltbürger also?
Ja, und der Weltbürger unterscheidet sich elementar vom sogenannten
globalen Menschen.
Welche Rolle spielt Ihr Vater denn im Tonstudio?
Wenn ich nicht weiter weiß, kommt er ins Spiel. Nicht nur bei der Musik,
sondern auch bei den Texten, denn er ist ein Wortkünstler. Er hat mir früh
beigebracht, schwierigen Wörtern auf den Grund zu gehen, sie zu verstehen,
auf sie zu reimen und das Spiel spielen wir auch heute noch. Gerade ist er
in Hamburg, pendelt aber genau so wie ich zwischen Tema und Hamburg, wobei
ich auch gern in Lomé, Dakar und Accra unterwegs bin.
Sie sind in der Hafenstadt Tema in der Nähe von Ghanas Hauptstadt Accra
aufgewachsen und haben in Hamburg Ihre Karriere als Musikerin begonnen. War
es schwer, hier einen Fuß ins Musikbusiness zu bekommen?
Was ich ätzend finde, ist, dass die Infrastruktur für Musiker in Hamburg
schlecht ist. Als ich damals nach der Schule in den Bunker in Hamm fuhr, um
dort zu proben, war das noch finanzierbar. Heute kann man so was nicht mehr
bezahlen. Hamburg ist extrem teuer und bei der Genossenschaft, wo ich meine
Wohnung habe, gibt es keine Angebote für Künstler. In Hamburg ist vieles
auf Gewerbe ausgerichtet, aber nichts auf Kunst. Künstler haben kein
Standing, werden gern rausgedrängt.
Wie haben Sie es trotzdem geschafft?
Um einen Fuß in die Tür des Musikbusiness zu bekommen, habe ich habe viel
gearbeitet, habe Geduld und Disziplin investiert und ich arbeite im Team.
Man kann nicht alles allein machen.
Hat Ihr Tanzpädagogik-Studium Ihnen bei der Karriereplanung geholfen?
Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, Dinge zu Ende zu machen. Das gilt
für mein Schulabschluss, aber auch für die Ausbildung. Die Tanzpädagogik
hilft mir, mich zu ordnen, sie sorgt für die Klarheit im Kopf und an der
Haltung der Menschen lässt sich viel ablesen. Das ist ein interessanter
psychologischer Aspekt, denn warum kommt jemand in einem Raum und wird
registriert und warum eben nicht? Das sind Aspekte, die mich immer
interessiert haben und da liefert die Tanzpädagogik Antworten.
Wie wichtig ist es Ihnen, die Songs selbst zu schreiben?
Als Künstlerin kommen für mich andere Songs nur schwer infrage. Die Basis
meiner Stücke sind persönliche Erfahrungen und die kann ich auf der Bühne
auch ausdrücken – das gelingt mir mit fremden Stücken nicht. Ich würde auch
keinen Vortrag halten, den ich nicht selbst geschrieben habe. Das war schon
als Kind so und daran hat sich nichts geändert.
Ihr drittes Album „Mermaid Blues“ ist also zu 100 Prozent Y’Akoto?
Ja, aber es hat sehr wohl Vorschläge der Plattenfirma gegeben, Cover zu
singen und mit Hit-Produzenten zu arbeiten. Bei der Arbeit haben wir aber
schnell herausgefunden, dass ich den richtigen Impuls brauche, um die Songs
zu singen. Wenn mir ein Song nicht entspricht, kann ich ihn nicht gut
vortragen und so habe ich bei der Auswahl der Stücke zu „Mermaid Blues“
gesiebt.
Wieso taucht das Wort „Blues“ in jedem Ihrer Albumtitel auf?
Dieses Wort ist eine Hommage an schwarze Musik und schwarze Kultur. Ich
beziehe mich auf die angeblich elf Millionen ermordeten Sklaven, ich
glaube, es sind deutlich mehr, auf ihre Kultur, ihren Freiheitskampf, ohne
den ich hier nicht sitzen würde. Es sind viele Menschen in diesem
Freiheitskampf gestorben, ohne die ich heute hier kein Interview geben
könnte und daher tragen alle meine drei Alben in ihrem Titel das Wort
„Blues“.
Ihr drittes Album klingt aber noch hintergründiger, noch bluesiger als die
Vorgänger.
Es ist mein sinnlichstes Album und offenbart andere Facetten meiner
Persönlichkeit. In Stücken wie „Reception“ geht es um die Selbsterhaltung
der Menschheit und um Fragen wie: Wie stellen wir uns dem globalen Chaos?
Wie empfänglich sind wir für Veränderung? Textzeilen wie „Global Chaos but
we stay tough. No time to fake it, we can make it“ stehen dafür.
Wie wichtig ist Ihnen, das letzte Wort bei der Auswahl der Stücke zu haben?
Ich definiere mich nicht als Sängerin, sondern als Künstlerin. Ich mache
Musik für Menschen und dazu gehört es auch, Entscheidungen zu treffen und
dafür die Verantwortung zu übernehmen – auch wenn es schiefgeht.
Wie entstehen Ihre Texte?
Manchmal sind das lange Prozesse, manchmal fließt es mir zu. Es vergehen
manchmal Tage, an denen ich nach einem Wort suche, manchmal beginnt dann
alles mit einem Satz und die Frage ist, wie erreiche ich, dass es knallt,
dass die Message ankommt? So schreibe ich Songs. Dabei muss man aber auch
auf dem Teppich bleiben, nicht zu abstrakt werden – das ist die eine Hälfte
der Kunst des Textens, die andere ist Virtuosität.
Und dann entstehen Textzeilen wie „We are Loosers, but we are brave“? Eine
schöne Zeile aus „We walk the Line“ vom Neuen Album.
Ist es nicht so? Wir verlieren ständig die Orientierung, aber nicht den Mut
weiterzumachen.
20 Feb 2017
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Musik
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Donald Trump
Abschottung
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Schwerpunkt Rassismus
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