# taz.de -- Kommentar Terror und Flüchtlinge: Wende ohne Ende | |
> Eine verschärfte Flüchtlingspolitik hat den Anschlag in Berlin nicht | |
> verhindert. Wer nun noch mehr Härte fordert, bestätigt das Kalkül des IS. | |
Bild: Fordert schon wieder eine striktere Flüchtlingspolitik: CSU-Chef Horst S… | |
Der Verdacht, dass es sich bei dem Sattelschlepper-Anschlag auf den | |
Berliner Weihnachtsmarkt um ein geplantes Attentat im Sinne des IS | |
gehandelt hat, scheint sich zu bestätigen. Doch Rechtspopulisten wie die | |
AfD wussten von Anfang an, noch ohne die Details abzuwarten, wen sie | |
eigentlich für den Anschlag verantwortlich machen wollen: Angela Merkel und | |
ihre angeblich zu großzügige Flüchtlingspolitik des letzten Jahres. | |
Auch CSU-Chef Horst Seehofer [1][schlug sofort in die gleiche Kerbe], er | |
forderte vollmundig eine Wende in der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik. | |
Nur: diese Wende hat es längst gegeben. Die traurige Wahrheit ist, dass all | |
die Verschärfungen des letzten Jahres den Anschlag nicht verhindert haben. | |
Und im konkreten Fall stellt sich vielmehr die Frage, wie die Behörden den | |
geduldeten Tunesier Anis A., den sie bereits als „Gefährder“ mit IS-Bezug | |
eingestuft hatten, so aus den Augen verlieren konnten. | |
Es ist verführerisch, jetzt nach angeblichen Lücken im Asylrecht zu suchen, | |
die einem Attentäter wie Anis A. in die Hände gespielt haben könnten. Warum | |
konnte er nicht schneller abgeschoben werden, bevor er den Anschlag beging, | |
wie konnte er untertauchen? Die Gefahr dabei ist, durch übereilte | |
Forderungen jetzt alle Asylbewerber für diese Tat in Sippenhaft zu nehmen. | |
Dabei haben die Anschläge er Vergangenheit gezeigt, dass der IS für | |
Attentate in Europa keineswegs auf Flüchtlinge angewiesen ist. Der IS setzt | |
aber gerne auf solche Täter, weil er die westlichen Gesellschaften | |
verunsichern will, und weil ihm die deutsche „Willkommenskultur“ des | |
vergangenen Jahres ohnehin ein Dorn im Auge war. | |
Denn es ist erklärtes Ziel des IS, die Polarisierung zwischen Muslimen und | |
dem Westen zu verschärfen und „die Grauzone zu eliminieren“, wie er es | |
ausdrückt. Das ist auch eine Erklärung dafür, warum der mutmaßliche Täter | |
seinen Ausweis am Tatort hinterlassen hat: als ein Bekenntnis zur Tat. Denn | |
je mehr Misstrauen Flüchtlingen und Muslimen in westlichen Gesellschaften | |
entgegengebracht wird, so das Kalkül des IS, umso mehr kann er hoffen, dass | |
sich einzelne Flüchtlinge und Muslime radikalisieren und für seine Zwecke | |
einspannen lassen. | |
Insofern betreiben die AfD und Horst Seehofer das Geschäft des IS, wenn sie | |
dem Generalverdacht gegen Muslime und Flüchtlinge das Wort reden. Liberale | |
und Linke müssen sich allerdings auch eingestehen, dass es angesichts der | |
Flüchtlingsbewegung des letzten Jahre nicht immer leicht ist, humanitäre | |
und sicherheitspolitische Erwägungen in Einklang zu bringen. Das geht nur | |
mit einer internationalen Zusammenarbeit, die auch den Interessen etwa der | |
Herkunftsländer Rechnung trägt. Denn warum sollen diese potentielle | |
Terroristen zurück nehmen, die sich erst in Europa radikalisiert haben? | |
Humanität und Sicherheit müssen aber auch kein Gegensatz sein, wie CSU und | |
AfD suggerieren: Gerade eine geordnete Aufnahme von Flüchtlingen, etwa über | |
Kontingente aus der Türkei oder Jordanien, würde eine ausgiebige | |
Sicherheitsüberprüfung erlauben und dazu beitragen, wirklich Bedürftigen zu | |
helfen. | |
Lesen Sie auch: Daniél Kretschmar und Jan Feddersen [2][zum Sinn und Unsinn | |
von Überwachung], Bettina Gaus über [3][Gelassenheit als einzig wirksame | |
Gegenwehr], Grünen-Politiker Konstantin von Notz im Interview [4][über die | |
Instrumentalisierung des Anschlags] | |
22 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] /CDU-und-CSU-zum-Anschlag-in-Berlin/!5366914 | |
[2] /Sicherheit-nach-Berliner-Anschlag/!5369341 | |
[3] /Kommentar-Anschlag-in-Berlin/!5365212 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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