# taz.de -- CDU und CSU zum Anschlag in Berlin: Dirty Horst hat das Wort | |
> Seehofer fordert die „Neujustierung“ der Zuwanderungs- und | |
> Sicherheitspolitik. Prompt tritt der Konflikt zwischen CDU und CSU offen | |
> zutage. | |
Bild: Hat wieder Ärger mit Dirty Harry… äh, Horst | |
BERLIN/MÜNCHEN taz | Die Toten vom Berliner Breitscheidplatz waren noch | |
nicht alle identifiziert, da wusste Horst Seehofer schon, was man ihnen | |
schuldig sei: „… dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und | |
Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren.“ Gerade mal 14 Stunden | |
waren seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt vergangen, als der | |
bayerische Ministerpräsident seine Forderung am Rande eines Fototermins vor | |
der Kabinettssitzung hinausposaunte. | |
Nach einer Sondersitzung des Kabinetts „zur Sicherheits- und | |
Flüchtlingspolitik“ hieß es am Dienstagabend in einer Pressemitteilung: | |
„Unzweifelhaft wird der seit September 2015 stark angestiegene | |
Flüchtlingszustrom, der zeitweise zu einem weitgehenden Kontrollverlust an | |
den deutschen Grenzen geführt hat, von Terroristen missbraucht und zur | |
Einreise nach Deutschland genutzt.“ | |
Bayerns Staatsregierung habe darauf frühzeitig hingewiesen und Vorschläge | |
zur Verbesserung der Sicherheitslage gemacht, die „leider nur teilweise von | |
der Bundesregierung bzw. dem Bundesgesetzgeber aufgenommen und umgesetzt | |
worden“ seien. Nun werde der Freistaat noch weitergehende Vorschläge | |
erarbeiten. Dazu sei eine Gruppe eingesetzt worden, der drei Minister sowie | |
je zwei Abgeordnete aus Landtag und Bundestag angehörten. | |
Mit der politischen Instrumentalisierung des Attentats widersetzt sich | |
Seehofer allen Appellen auch in der eigenen Partei, die davor gewarnt | |
hatten, die Parolen der Rechtspopulisten zu übernehmen. So hatten etwa | |
gemäßigtere Christsoziale wie der Europapolitiker Manfred Weber oder Gerda | |
Hasselfeldt, die Landesgruppenchefin im Bundestag, stets einen etwas | |
besonneneren Ton angeschlagen. Aber Horst Seehofer widerspricht auch Horst | |
Seehofer. | |
Vor gut einem Jahr nämlich hatte sein Finanzminister und Erzfeind Markus | |
Söder, damals noch ein eifriger Twitterer, nach den Anschlägen in Paris per | |
Kurznachrichtendienst verkündet: [1][„#ParisAttacks ändert alles. Wir | |
dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen.“] Umgehend | |
wurde er dafür von seinem Parteichef zur Ordnung gerufen. Man dürfe auf | |
keinen Fall die Themen Flüchtlinge und Terrorismus vermengen, so Seehofer. | |
Diese Ansage scheint nun nicht mehr zu gelten. | |
## Einfache Antworten | |
Es sind nichts anderes als die einfachen Antworten, die Seehofer und seine | |
Adjutanten in der Stunde des Schreckens nun zu geben versuchen – also das, | |
was auch die CSU der noch rechteren Konkurrenz stets vorwirft. So springt | |
dem Ministerpräsidenten am Mittwoch auch sein Generalsekretär brav zur | |
Seite. Die Worte seines Chefs hätten „nichts mit Pietätlosigkeit zu tun“, | |
sagt Andreas Scheuer im ZDF. „Wir brauchen jetzt, und das erwartet das | |
Staatsvolk, eine starke Staatsgewalt.“ Man müsse nun „Sicherheit und | |
Zuwanderung in Verbindung bringen“. | |
Auch Joachim Herrmann fordert eine Überprüfung der Flüchtlingspolitik. Bei | |
den Attentaten von Ansbach und Würzburg seien die Täter „im Rahmen des | |
Flüchtlingsstroms“ nach Deutschland gekommen, so der bayerische | |
Innenminister. „Die Risiken sind offenkundig, und davor dürfen wir doch | |
auch am Ende diesen Jahres nicht die Augen verschließen.“ | |
Für seine Verhältnisse zurückhaltend äußert sich dagegen ausgerechnet der | |
damals so gescholtene Söder. Er beschränkt sich in seinem Appell fürs Erste | |
auf die Sicherheitsfrage: „Der Staat muss seine Handlungshoheit | |
zurückbekommen“, sagt er, „und nicht nur die Kontrolle über seine Grenzen, | |
sondern auch über die Straßen und Plätze des Landes.“ Auf den Straßen und | |
Plätzen des Landes Bayern herrscht indes normaler Alltag. Auch die | |
bayerischen Christkindlmärkte werden gut besucht. | |
## Schieflage innerhalb der Union | |
Dass der Konflikt zwischen CDU und CSU so offen zutage tritt, zeigt | |
deutlich die Schieflage innerhalb der Union. Zum einen sind da Seehofer und | |
Saarlands wahlkämpfender Innenminister Klaus Bouillon. Ersterer unterläuft | |
Merkels Versuche der Analyse und der Steuerung nach Lust und Laune. | |
Letzterer würde deutsche Innenstädte am liebsten zu Wehranlagen hochrüsten. | |
Jene, die noch auf dem CDU-Parteitag vor zwei Wochen beim Thema | |
Flüchtlingspolitik gegen Merkel aufmüpfig waren sind jetzt ganz still. | |
Carsten Linnemann von der Mittelstandsvereinigung oder Präsidiumsmitglied | |
Jens Spahn lassen Seehofer den Bad Cop geben. | |
Auf der anderen Seite sind da Merkels Leute. Die stellvertretende | |
CDU-Vorsitzende Julia Klöckner gibt dem CSU-Chef öffentlich eins mit. Sie, | |
die seit Langem ein Burkaverbot fordert, sagt nun: „Selbst eine Obergrenze | |
gewährleistet doch nicht, dass nur Heilige unter den Flüchtlingen wären.“ | |
Im selben Atemzug nennt sie mit Seehofer auch den Namen des AfD-Politikers | |
Marcus Pretzell, der der Kanzlerin unmittelbare Verantwortung für die Toten | |
vom Breitscheidplatz unterstellt hat. „Wer Angela Merkel persönlich die | |
Schuld für den Anschlag gibt, sie ‚ihre Toten‘ nennt, ist geschmack- und | |
respektlos. Ich habe den Eindruck, die AfD hat nur darauf gewartet, dass | |
etwas in Deutschland passiert, um perfide Kapital daraus zu schlagen.“ | |
## Gesetze „Stück für Stück anpassen“ | |
Auch der baden-württembergische CDU-Innenminister Thomas Strobl warnt vor | |
voreiligen Schlüssen und unzulässigen Schuldzuweisungen. Die Debatte über | |
einen Tatverdächtigen, der sich dann nicht als Täter entpuppt habe, sei | |
nicht „besonders klug“ gewesen, sagt Strobl. Man solle doch die | |
Ermittlungsbehörden ihre Arbeit machen lassen und erst dann eine | |
„faktenbasierte Diskussion“ führen. Strobl regt dennoch an, die Gesetze der | |
aktuellen Bedrohungslage weiterhin „Stück für Stück anzupassen“. Dies | |
betreffe etwa das Internet, „da müssen wir Schritt halten“. | |
Und dann kommt da noch ganz unverhofft Unterstützung für Merkel aus der | |
Opposition. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im | |
Bundestag, findet den Streit zwischen CDU und CSU nicht nur pietätlos, | |
sondern „brandgefährlich“. CSU-Parteichef Seehofer, Innenminister Herrmann | |
und CSU-Generalsekretär Scheuer reihten sich mit ihren Verdächtigungen | |
aller Geflüchteten und ihren „unsinnigen Scharfmacher-Forderungen nahtlos | |
in eine Front mit den Hetzern der AfD ein“. | |
Nur einer hält sich am Mittwoch im politischen Berlin zurück. Angela | |
Merkels Sprecher Steffen Seibert antwortet in der Regierungspressekonferenz | |
auf die Frage nach dem Zwist seiner Chefin mit Seehofer, er „spreche nicht | |
über Vorstöße aus den Parteien“. Die Flüchtlingspolitik der Bundesregieru… | |
sei gemeinsam beschlossene Sache. Das ist dann im Ton schon wieder so | |
diplomatisch, dass Horst Seehofer es geflissentlich überhören dürfte. | |
22 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/markus_soeder/status/665508235894464512?lang=de | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
Dominik Baur | |
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