| # taz.de -- Sicherheit nach Berliner Anschlag: Brauchen wir mehr Überwachung? | |
| > Ist der Schutz von Bürgern nur konsequent in einer Demokratie – oder | |
| > meint Sicherheit eigentlich Angst? Ein Pro & Contra. | |
| Bild: Trauer in Berlin nach dem Anschlag vom 19. Dezember | |
| JA | |
| Reiche brauchen keine Polizei, sie sind auf die öffentliche Organisation | |
| von Sicherheit und Ordnung nicht angewiesen. Nötigenfalls können sie das | |
| mit ihren Mitteln selbst regeln. Sie leben in Gated Communities, sie haben | |
| Security-Personal, sie wissen, wie man das eigene Leben schützen kann. In | |
| einem demokratisch-rechtsstaatlichen Land ist Polizei für die Schwächeren | |
| da. Deshalb sollte Innenpolitik, die auch die Angelegenheiten der Polizei | |
| abdeckt, besser ein politisches Betätigungsfeld auch für Linke und Grüne | |
| sein.“ | |
| Gerade die Freunde einer offenen Gesellschaft müssen sich einsetzen für ein | |
| öffentliches Leben, das gesichert ist. Etwa mit Kameras, vor allem aber | |
| durch Personaleinsatz auf der Straße. Bürger und Bürgerinnen, die sich | |
| nicht sicher fühlen, verlassen die Öffentlichkeit und verzichten damit auf | |
| einen wesentlichen Bestandteil des gesellschaftlichen Austauschs und der | |
| persönlichen Freiheit. Die traditionelle Aversion von Linken und Grünen | |
| gegen Law and Order ist ein Fehler – nicht des Law-and-Order-Konzepts, | |
| sondern der Linken und Grünen. | |
| Das Schlagwort Law and Order meint: Verantwortliches Handeln gegen die | |
| Verwahrlosung von öffentlichen Plätzen; gegen einschüchternden Krawall, | |
| gegen mögliche Gewalt überhaupt. Gesetz und Ordnung meint auch: | |
| Verantwortung übernehmen für die Wünsche von Menschen, die sich schlicht | |
| und ergreifend vor Nachstellungen welcher Art auch immer fürchten. Das | |
| betrifft, siehe Köln während der Silvesternacht, nicht allein Frauen, | |
| sondern auch sich schwächer fühlende Männer und Angehörige von | |
| Minderheiten. | |
| Die Einhaltung von Gesetzen, die den öffentlichen Raum schützen, ist | |
| übrigens mit das Erste, was Flüchtlinge von Deutschland erwarten, wenn sie | |
| als potenziell neue deutsche Bürger*innen einwandern. Linke und Grüne | |
| müssen das lernen – bei Strafe des weiteren Bedeutungsverlusts. | |
| von Jan Feddersen | |
| *** | |
| NEIN | |
| Sicherheit ist der Totschläger jeder Diskussion, denn wer Sicherheit sagt, | |
| meint Angst. Angst aber ist das Geschäft der Rassisten und Autoritären. | |
| Dabei kann Angst gute Gründe haben. Angst schützt uns vor Dummheiten und | |
| Gefahren, genauso wie sie uns in die Arme derselben treiben kann. Ängste | |
| nun wirklich ernst zu nehmen, hieße, darüber zu reden, welche uns | |
| umtreiben, ob sie gute Gründe haben und wie wir mit ihnen umgehen können, | |
| ohne sie irrational zu verstärken. | |
| Mehr Überwachung zu fordern, ob nun im öffentlichen Raum oder auf dem | |
| eigenen Mobiltelefon, gibt der Angst und damit denen, die sie gerade nicht | |
| verringern wollen, Macht. Will Politik Gesellschaft verbessern, muss sie | |
| selbstverständlich auf Ängste antworten und Sicherheit vermitteln, aber | |
| auch ehrlich anerkennen, dass es keinen hundertprozentigen Schutz vor | |
| Verbrechen und Terror gibt – auch nicht mit Überwachungskameras und | |
| Vorratsdatenspeicherung. Wer diese trotzdem fordert, erzeugt den | |
| gegenteiligen Eindruck, im Zweifelsfall wider besseres Wissen. | |
| Angst wird gesteigert, als Schlagzeile, als Wahlprogramm, als | |
| Talkshow-Sprechblase. Am Anfang steht die Angst um die eigene Sicherheit, | |
| dann kommt die Angst vor anderen Menschen, am Ende der Hass auf sie. Wer | |
| davon profitiert, lässt sich leicht ausrechnen. Linke Bewegungen und | |
| Parteien wohl eher nicht. Im Gegenteil: Bei ihrem unredlichen Versuch, | |
| kurzfristig etwas von der Angstdividende abzugreifen, erhöhen sie wie ein | |
| schlechter Glücksspieler den Einsatz, den sie am Ende nur verlieren können. | |
| Was bleiben wird, ist ein Sicherheitsapparat, der zwar keinen absoluten | |
| Schutz vor Terror bieten, dafür aber ins Privatleben seiner BürgerInnen | |
| schauen und darin eingreifen kann. Figuren wie Trump dürfen sich bedanken, | |
| wenn ihnen ihre Wahlsiege die Schlüssel nicht nur zum Regierungssitz, | |
| sondern zu den Wohnzimmern potenzieller Opponenten gleich mitliefern. | |
| von Daniél Kretschmar | |
| 21 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniél Kretschmar | |
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