# taz.de -- Nach Anschlag in Berlin: Die Suche geht weiter | |
> Seit Mittwochabend fahnden die Ermittler europaweit öffentlich nach dem | |
> Verdächtigen Anis Amri, einem Tunesier. Vieles ist noch unklar. | |
Bild: In einer Asylbewerberunterkunft in Emmerich (Nordrhein-Westfalen) war Ani… | |
BERLIN taz | Nach dem LKW-Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner | |
Gedächtniskirche fahnden die Ermittler seit Mittwochabend europaweit | |
öffentlich nach einem Verdächtigen. Gesucht wird der 24-jährige Anis Amri, | |
der aus Tunesien stammt. Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt bitten | |
die Bevölkerung in ihrem Aufruf um Mithilfe und setzen 100.000 Euro | |
Belohnung aus. Sie warnen aber auch: „Er könnte gewalttätig und bewaffnet | |
sein!“ Das Schreiben wurde auch auf Arabisch, Dari, Farsi und Urdu | |
veröffentlicht. | |
Die Ermittler waren durch eine Geldbörse auf Anis Amris Spur gekommen, die | |
sie im Führerhaus des Sattelschleppers gefunden hatten. Darin steckten | |
seine Duldungspapiere. Der Tunesier, den die Sicherheitsbehörden seit | |
Monaten kennen, ist nun dringend tatverdächtig. | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière warnte am Mittwoch aber auch: „Er | |
ist nicht zwingend der Täter.“ De Maizière ist vorsichtig, nachdem die | |
Behörden zuerst einen pakistanischen Flüchtling verhaftet hatten, der | |
offensichtlich unschuldig ist. Bei dem Anschlag wurden zwölf Menschen | |
getötet, fast 50 verletzt, zum Teil lebensbedrohlich. | |
Gemeldet war der gesuchte Tunesier in einer Asylbewerberunterkunft in | |
Nordrhein-Westfalen, in Emmerich bei Kleve. Nach Angaben von | |
NRW-Innenminister Ralf Jäger war er 2015 über Freiburg nach Deutschland | |
eingereist und verwendete mehrere Identitäten. Seit Februar hielt er sich | |
vor allem in Berlin auf. | |
Dort wurde Anis Amri nach Hinweisen von Bundesbehörden von März bis | |
September dieses Jahres überwacht, wie die Berliner | |
Generalstaatsanwaltschaft mitteilte. Der Hintergrund: Informationen, nach | |
denen Anis Amri einen Einbruch plane, um Geld für den Kauf automatischer | |
Waffen zu beschaffen – „möglicherweise, um damit später mit noch zu | |
gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen“. | |
Die Observierung und Überwachung der Kommunikation sei sogar verlängert | |
worden, habe aber keine Hinweise auf ein staatsschutzrelevantes Delikt | |
erbracht, erklärte die oberste Berliner Ermittlungsbehörde. Es habe | |
lediglich Hinweise gegeben, dass Anis Amri als Drogendealer tätig und an | |
einer körperlichen Auseinandersetzung beteiligt gewesen sein könnte. | |
Deshalb sei die Überwachung im September beendet worden. | |
## Umfeld des Salafistenpredigers Abu Walaa | |
Laut Jäger war Anis A. mehrfach Thema beim gemeinsamen Terrorabwehrzentrum, | |
zuletzt im November 2016. Anis Amri war den Behörden als radikaler Salafist | |
bekannt und als Gefährder eingestuft. Wie die taz aus Sicherheitskreisen | |
erfuhr, soll er zum Umfeld des Salafistenpredigers Abu Walaa gehören. | |
Dieser heißt offiziell Ahmad Abdulaziz A. und gilt als einer der | |
wichtigsten IS-Unterstützer in Deutschland. | |
Die Polizei hatte Abu Walaa und vier weitere Männer Anfang November | |
festgenommen, sie sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Laut | |
Bundesanwaltschaft sollen sie ein salafistisch-dschihadistisches Netzwerk | |
bilden. Ihr Ziel: vor allem junge Menschen zu radikalisieren und zum | |
„Islamischen Staat“ (IS) in Syrien zu vermitteln. | |
Abu Walaa stammt aus dem Irak und lebt seit etwa 15 Jahren in Deutschland, | |
zuletzt in der Nähe von Krefeld. Regelmäßig tritt er bei salafistischen | |
Veranstaltungen als Prediger auf, im Internet veröffentlichte er Videos, | |
auf denen sein Gesicht nie zu sehen ist. Laut Bundesanwaltschaft soll sich | |
Abu Walaa offen zum IS bekennen und Ausreisen organisiert haben. Er stand | |
bislang nicht in Verdacht, Anschläge geplant zu haben. | |
Anis Amri wurde bereits im Juni als Asylbewerber abgelehnt, danach sollte | |
er abgeschoben werden. Er saß sogar einen Tag lang in Abschiebehaft, wie | |
CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer am Mittwoch berichtete. Anis Amri konnte | |
aber nicht abgeschoben werden, weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte. | |
Tunesien habe lange Zeit bestritten, so NRW-Innenminister Jäger, dass es | |
sich um seinen Staatsbürger handele. Die für die Abschiebung notwendigen | |
tunesischen Ersatzpapiere seien erst an diesem Mittwoch bei den deutschen | |
Behörden eingetroffen, sagte der Minister. | |
## Fingerabdrücke könnten helfen | |
Deutsche, aber auch italienische Medien und die New York Times berichten | |
weitere Details, die bislang nicht offiziell bestätigt sind. So soll laut | |
der italienischen Nachrichtenagentur Ansa Anis Amri 2011 als Flüchtling | |
nach Italien gekommen sein und dort mehrere Straftaten begangen haben. | |
Deshalb soll er inhaftiert gewesen sein. Im Frühjahr 2015 wurde Anis Amri | |
laut Ansa entlassen, konnte wegen Problemen mit den tunesischen Behörden | |
aber nicht ausgewiesen werden. Er sei dann nach Deutschland weitergereist. | |
Den italienischen Behörden liegen nach Information der Welt Fingerabdrücke | |
von Anis Amri vor. Sie könnten dabei helfen, offene Fragen zum Tathergang | |
in Berlin zu klären. So ließe sich durch Vergleiche mit Fingerabdrücken am | |
Lkw und Tatort möglicherweise eindeutig feststellen, ob Anis Amri am Steuer | |
des Sattelschleppers saß. Bislang ist das nicht erwiesen. | |
Unklar ist auch, ob der IS wirklich hinter dem Anschlag steht. Er hat den | |
Angriff für sich reklamiert, dabei allerdings keinerlei Täterwissen | |
offenbart. Auch ein Bekennervideo oder entsprechende Bilder vom Täter | |
selbst wurden bislang nicht veröffentlicht. | |
Nach einem Bericht der New York Times soll Anis Amri sich im Internet über | |
den Bau von Sprengsätzen informiert und direkten Kontakt zum IS gehabt | |
haben. Das berichtet die US-amerikanische Zeitung mit Berufung auf Aussagen | |
nicht näher genannter US-amerikanischer Offizieller vom Mittwochabend. | |
Unklar blieb zunächst, auf welchen Zeitraum sich diese Angaben beziehen. | |
Dem Bericht zufolge stand Anis Amri mindestens einmal über den | |
Messengerdienst Telegram in Kontakt zum IS. Sein Name habe zudem auf der | |
Flugverbots-Liste der USA gestanden. | |
Unterdessen haben Polizisten am Donnerstagmorgen eine Flüchtlingsunterkunft | |
im nordrhein-westfälischen Emmerich durchsucht. Anis Amri soll in einer | |
dortigen Unterkunft gemeldet sein. Über das Ergebnis der Durchsuchung wurde | |
zunächst nichts bekannt. Bereits am Mittwoch hatten Polizisten in der Nähe | |
Position bezogen. Ein Sprecher der Polizei wollte sich zu der | |
Durchsuchungsaktion nicht näher äußern und verwies auf den | |
Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen leitet. Aus Karlsruhe war | |
zunächst keine Stellungnahme zu bekommen. (mit dpa) | |
Lesen Sie auch: [1][Inken Bartels über die Flüchtlingspolitik in Tunesien.] | |
22 Dec 2016 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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