# taz.de -- Der Begriff „Gefährder“: Sprachliche Aufrüstung | |
> „Gefährder“ ist ein Neusprech-Neologismus von Innenministern. De facto | |
> handelt es sich aber um Unschuldige. | |
Bild: Gefährder der Unschuldsvermutung? Innenminister Thomas de Maizière (CDU) | |
Der Verdächtige Anis Amir wird derzeit von der Polizei gesucht. Schon zuvor | |
war er den Sicherheitsbehörden als „Gefährder“ bekannt, das | |
Bundeskriminalamt kennt insgesamt über 500 solcher „Gefährder“. Nun ist d… | |
Empörung groß: Warum wurde gegen Anis Amir und andere „Gefährder“ nichts | |
unternommen? | |
„Gefahr“ (drohendes Unheil) geht auf das mittelhochdeutsche „vāre“ | |
(Nachstellung, Hinterlist) zurück. Der Begriff „Gefährder“ wurde 2004 von | |
der AG Kripo eingeführt. | |
Bekannt wurde er 2007 durch den ehemaligen Innenminister Wolfgang Schäuble, | |
der gegenüber dem Spiegel vorschlug, „Gefährder“ wie Kombattanten nach dem | |
Kriegsrecht zu behandeln und zu internieren, auch die Verhängung eines | |
Kommunikationsverbotes per Internet und Handy sei für „Gefährder“ denkbar. | |
Eine offizielle Definition von „Gefährder“ gibt es nicht, der ehemalige | |
Innenminister Hans-Peter Friedrich bezeichnete „Gefährder“ als „Personen, | |
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie erhebliche | |
Straftaten begehen könnten“. | |
Im juristischen Sinn hat der Begriff jedoch keinerlei Bedeutung, denn gegen | |
einen „Gefährder“ liegen keine konkreten Hinweise vor, die für eine Ankla… | |
ausreichen. Es handelt sich also nicht einmal um Verdächtige, kurz gesagt: | |
Es geht um Unschuldige. | |
„Gefährder“ ist ein Neusprech-Neologismus von Innenministern, die gerne | |
eines unserer wichtigsten rechtsstaatlichen Prinzipien unterhöhlen würden: | |
Die Unschuldsvermutung. | |
Der Begriff soll es möglich machen, Menschen, die nichts Strafbares getan | |
haben, wie Kriminelle zu behandeln, und ist damit Teil einer sprachlichen | |
Aufrüstung, die von Medienschaffenden nicht undifferenziert nachgeplappert | |
werden sollte. | |
22 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Erik Wenk | |
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