# taz.de -- Interview mit Angstforscherin: „Die Angst ist eine Schreckreaktio… | |
> Wieso sind wir besorgt? Die Psychologin Babette Renneberg von der Freien | |
> Universität erklärt Emotionen nach einem Anschlag | |
Bild: Trauer auf dem Berliner Breitscheidplatz | |
taz: Frau Renneberg, am Mittwochmorgen hat Michael Müller gesagt: „Man muss | |
keine Angst haben.“ Was hat er damit gemeint? | |
Babette Renneberg: Die Botschaft, die ich darin sehe, ist, dass auch wenn | |
der Anschlag natürlich eine entsetzliche Tat war, die Berliner Bürger im | |
Alltag jetzt nicht mehr Angst haben müssen als vorher. Das ist allerdings | |
schwer für viele Leute. Jetzt Angst zu haben, ist eine ganz natürliche | |
Reaktion. Sie ist im Verhalten durch Vermeidung gekennzeichnet. Ziel der | |
Aussage ist: Die Leute sollen nicht mehr vermeiden als vorher. | |
Kann es sein, dass eine solche Aussage Angst überhaupt erst hervorruft? | |
Nein, ich glaube nicht, dass die Aussage Angst hervorrufen kann. Das macht | |
die entsetzliche Tat. Müller versucht mit diesem Satz, die Leute zu | |
beruhigen. Aber auch wenn alle in Bereitschaft sind, die Polizei, die | |
Bundespolizei: Man kann nicht hundertprozentig garantieren, dass nichts | |
passiert. Diese Sicherheit ist nicht herstellbar. Damit müssen wir schon | |
lernen, zu leben. | |
Wie unterscheidet sich denn richtige Angst von Sorge oder Verunsicherung? | |
Sorge, das sind Gedanken, die in die Zukunft gerichtet sind, man fragt | |
sich, wie es weitergeht. Angst ist dagegen eine Emotion, die ich in diesem | |
Moment empfinde. Ich spüre Angst körperlich, durch Zittern beispielsweise. | |
Verunsicherung ist eine Erschütterung in unserem Sicherheitsempfinden, vor | |
allem wenn etwas nah an uns passiert. | |
Gibt es einen Unterschied zwischen der diffusen Angst vor Anschlägen und | |
der Angst nach einem ganz konkreten Ereignis? | |
Ja. Das Erste ist eine Erwartungsangst, man macht sich Sorgen um die | |
Zukunft. Diese Sorgen können auch positiv sein, Lösungen hervorrufen. Aber | |
sie können auch negativ sein, eine Angst verstärken. Die Angst direkt nach | |
einem Anschlag ist eine Schreckreaktion, man weiß, hier ist etwas passiert, | |
man muss sich in Sicherheit bringen. Der Prozess, der dann einsetzt, ist | |
eine Art Bewertungsprozess. Man überlegt: Was heißt das für mich? | |
Auch wenn man selber weder persönlich betroffen, noch Zeuge ist: Wie soll | |
man damit umgehen, wenn man nach einem solchen Ereignis plötzlich Angst | |
hat, vor die Tür zu gehen, anfängt Menschenmengen zu meiden? | |
Wichtig ist es, mit anderen offen darüber zu sprechen, sich selbst zu | |
fragen, will ich das, will ich, dass die Angst so stark wird, will ich den | |
Menschen, die solche Taten begehen, so viel Macht über mein Alltagsleben | |
geben? Wenn eine Person nach einem solchen Anschlag tatsächlich eine | |
richtige Angststörung entwickelt, dann kann allerdings nicht allein dieses | |
Ereignis der Auslöser gewesen sein. Da spielen dann noch andere Faktoren | |
eine Rolle, wie die persönliche Lebensgeschichte. | |
Wieso haben wir denn grundsätzlich mehr Angst, wenn Ereignisse wie der | |
Anschlag in unserer Nähe passieren? | |
Ganz knapp formuliert: Angst hat evolutionsbiologisch die Funktion, unser | |
Überleben zu sichern. Wenn etwas in unserer Nähe passiert, bedroht das das | |
eigene Leben natürlich viel stärker, als etwas, das weit weg passiert. | |
Deshalb ist auch unsere Angst größer. | |
22 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Leonie Schlick | |
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