Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flüchtlingspolitik der CSU: Seehofer chartert nach
> Der CSU-Chef hat seine Positionen zur Flüchtlingspolitik in eine „Charta“
> gegossen. Der Titel provoziert, der Inhalt ist eher zahm.
Bild: Ein Mann weiß Bescheid: Horst Seehofer
München taz | Horst Seehofer redet eigentlich gern und viel mit
Journalisten. Vergangene Woche bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe
in Kloster Seeon etwa war das so. Doch am Dienstag nach der
Ministerratssitzung überlässt er es seinem Staatskanzleichef Marcel Huber,
den Journalisten das neue Papier Seehofers zu erläutern. Papier? Der
Ministerpräsident bezeichnet den Maßnahmenkatalog, den er persönlich
ersonnen hat, lieber als Charta. Hier wird vorgegeben, wohin das Land in
der Zuwanderungspolitik hinsteuern sollte. Titel der Charta: „Damit
Deutschland Deutschland bleibt“.
„Der phasenweise Kontrollverlust im vergangenen Jahr hat uns zahlreiche
Probleme beschert“, leitet Huber ein. „Terroristen haben diese Unschärfe
ausgenutzt, dieser Zustand darf nicht anhalten.“
Die Details des Katalogs sind im Vorfeld schon bekannt geworden, wirklich
neu oder überraschend sind sie nicht. Huber stellt sie am
Dienstagnachmittag in der Staatskanzlei vor: Nach einem allgemeinen
Bekenntnis zur Humanität schutzbedürftiger Flüchtlinge gegenüber geht es da
etwa um die Einschränkung des Familiennachzugs und der Grundsicherung für
Migranten im Alter.
Natürlich taucht auch die Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen im Jahr auf.
Sie soll Eingang finden in eine gesamteuropäische Regelung: „Die Aufnahme
muss im Wege eines geordneten Verfahrens nach Quoten erfolgen, die für eine
faire und solidarische Lastenverteilung in der EU sorgen und die Grenzen
der Aufnahmefähigkeit eines Staates nicht überschreiten.“ Seehofer
unterstreicht in seiner Charta auch die Wichtigkeit von
Drittstaatenregelungen, diese dürften aber nicht an „sachfremde Themen“ wie
EU-Beitritt oder Visa-Freiheit gekoppelt werden.
## „Steuerung“ statt „Begrenzung“
Die Forderungen in ihrer Gesamtheit sind nicht neu, zwei Punkte akzentuiert
Seehofer jedoch stärker als bisher: So läuft das übliche Bekenntnis zur
Bekämpfung der Fluchtursachen nicht nur als Allgemeinplatz nebenher,
sondern Seehofer schließt sich ausdrücklich der Forderung von Parteifreund
und Entwicklungsminister Gerd Müller nach einem „Afrikapakt“ der EU an, er
fordert eine „neue und verantwortungsbewusste Entwicklungspolitik“. Müller
warnte vor wenigen Tagen vor einem massiven Immigrationsdruck und fordert
mehr Investitionen auf dem Kontinent.
Außerdem legt Seehofer diesmal einen Schwerpunkt auf die „dritte Säule“ d…
Zuwanderung, den Zuzug von gewünschten Fachkräften. Von einem
Zuwanderungsgesetz möchte der Ministerpräsident natürlich nicht sprechen,
aber im Papier taucht nun die Vokabel „Einwanderungssteuerungsgesetz“ statt
dem „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“ auf. Man kann es als Tür zu einem
Einwanderungsgesetz verstehen, die er gegenüber der Koalition in Berlin
aufmacht.
Der Termin für die Veröffentlichung der Seehofer-Charta mutet etwas seltsam
an. Schließlich hatte gerade erst die CSU-Landesgruppe – größtenteils in
Anwesenheit des Parteichefs – über die Themen Flüchtlinge und Sicherheit
diskutiert und so manches Papier verabschiedet. Auch sonst hatten sich
Seehofer und seine Partei in der Vergangenheit nicht damit zurückgehalten,
ihre Forderungen in der Zuwanderungspolitik klar zu formulieren. „Horst
Seehofer droht und droht und droht und beschließt ein Papier nach dem
anderen“, konstatiert die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch und
vermeint darin eine gewisse „Ohnmacht“ der CSU zu erkennen.
Aus der Staatskanzlei freilich ist zu hören, dass das Seehofer-Papier nicht
mal eben über die Weihnachtsfeiertage runtergeschrieben worden sei, sondern
dass der Ministerpräsident monatelang daran gearbeitet habe.
## WhatsApp wird nicht überwacht
Flankiert wird die „Charta“ von einem Maßnahmenkatalog zur konkreten
Ausgestaltung der Sicherheitspolitik. Ihn stellten am Dienstag
Innenminister Joachim Herrmann und sein Kollege aus dem Justizressort,
Winfried Bausback, vor.
So fordert Herrmann vor allem einen besseren Grenzschutz. Nach seinem
Willen sollten an den Grenzen zu Italien oder auch Griechenland wieder
Kontrollen eingeführt werden, weil diese ihrer Verpflichtung zum Austausch
von Kriminalitätsdaten nicht nachkommen. Sowohl der Mörder von Freiburg als
auch der Attentäter von Berlin waren in Griechenland beziehungsweise
Italien als straffällig registriert gewesen, aber die dortigen Behörden
hatten diese Daten nicht nach Deutschland übermittelt.
Besonderen Druck will der Justizminister in Berlin bei der
Aufenthaltsüberwachung extremistische Gefährder mit Hilfe von Fußfesseln
machen. Außerdem fordert er, dass bei Strafverfahren DNA-Spuren stärker als
bisher ausgewertet werden. Dazu drängt er auf eine erweiterte
Verbindungsdatenspeicherung. Die jetzige Gesetzeslage nimmt die Email-,
WhatsApp- oder Skype-Kommunikation aus. Auf einem Stand „analoger Zeiten“
sei man da, kritisiert er. „Aber wenn wieder ein Anschlag stattfindet und
nachher stellt sich raus, dass sich Attentäter per WhatsApp verabredet
haben – wer will das verantworten?“
Seit dem Anschlag in Berlin sind das Bedrohungsgefühl und die
Verunsicherung auch in Bayern groß wie nie – und das in einem Jahr, in dem
die CSU nichts so sehr fürchtet wie ein Wahldebakel. Mit dem Papier will
Seehofer seinen Wählern zeigen, dass er vorhat, die Lage wieder in Griff zu
kriegen.
11 Jan 2017
## AUTOREN
margarete moulin
Dominik Baur
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Horst Seehofer
CSU
Flüchtlinge
CSU
Sicherheitsgefühl
CSU
Obergrenze
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
## ARTIKEL ZUM THEMA
CSU-Chef will schärfere Grenzkontrollen: Seehofer pocht auf Obergrenze
Der CSU-Chef Horst Seehofer bleibt bei seiner harten Linie, die
Grenzkontrollen zu Österreich beizubehalten. Und droht sogar mit einer
drastischen Maßnahme.
Politischer Aschermittwoch der CSU: In Passau bleibt die Basis brav
Horst Seehofer ruft „Bits, Bytes, Bayern“ und „Seid stolz auf eure Union�…
und erntet Applaus. Die Fans genießen Bier, Blasmusik und Parolen.
Kommentar Ordnungsdienst in München: Sicher ist sicher!
Ein CSU-Stadtrat will, dass in München bald ein bewaffneter
Sicherheitsdienst patrouilliert – in der sichersten Großstadt Deutschlands.
Die CSU vor der Bundestagswahl: Merken Sie sich diesen Mann
Die CSU spekuliert über ihren kommenden Spitzenkandidaten. Innenminister
Herrmann könnte Parteichef Seehofer ablösen.
Streit in der Union um die Obergrenze: „Atmender Deckel“ ist „Totgeburt“
Sowohl Angela Merkel als auch Horst Seehofer haben einen Vorschlag aus den
eigenen Reihen abgelehnt. Die Obergrenze sollte jährlich neu berechnet
werden.
BKA-Statistik 2016: 921 Anschläge auf Asylunterkünfte
Das Bundeskriminalamt hat Zahlen zu Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte
veröffentlicht. Sie liegen leicht unter denen des Vorjahres, könnten aber
noch steigen.
Berlin nach dem Anschlag: Politik auf Verdacht
Nach dem falschen Verdacht fürchten Flüchtlinge aus Belutschistan,
diffamiert zu werden. Unterdessen ringen Politiker um die Deutungshoheit.
Kommentar Terror und Flüchtlinge: Wende ohne Ende
Eine verschärfte Flüchtlingspolitik hat den Anschlag in Berlin nicht
verhindert. Wer nun noch mehr Härte fordert, bestätigt das Kalkül des IS.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.