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# taz.de -- Entlassung am Polnischen Institut: Warschaus Arm greift nach Berlin
> Polen will „nihilistische“ Experimente beenden und schasst die Leiterin
> des Polnischen Instituts in Berlin. Ein Zufall? Ein Schreiben lässt tief
> blicken.
Bild: Wie ein Wolfshund wacht Warschau über die heimische Kultur, die im Ausla…
Berlin taz | Mit diesem Wirbel hat Warschau wohl nicht gerechnet. Seit vor
zwei Wochen die Leiterin des Polnischen Instituts in Berlin, Katarzyna
Wielga-Skolimowska, [1][fristlos gefeuert] wurde, hagelt es [2][Proteste].
Das Jüdische Museum in Berlin zeigt sich „bestürzt“ und „irritiert“. …
einem Brief an den polnischen Botschafter in Berlin, Andrzej Przyłębski,
und Polens Außenminister Witold Waszczykowski protestierten unter anderem
der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der
Gründungsintendant des Centrum Judaicum.
Sie alle wissen, um was es geht. Der „gute Wandel“ in Polen, in dessen
Namen die nationalkonservative Regierung den polnischen Staat umbaut und
nationale statt universelle Werte propagiert, hat nun auch Deutschland
erreicht. Und nicht nur Deutschland. Auch in New York und Neu-Delhi wurden
in diesen Tagen die Leiter der Polnischen Institute, vergleichbar mit den
deutschen Goethe-Instituten, abberufen. In Wien wurde eine Gesprächsreihe
mit dem renommierten Polenkenner und Publizisten Martin Pollack abgesagt,
nachdem er sich kritisch über die PiS-Regierung geäußert hatte.
Offiziell kommentiert das Außenministerium in Warschau die Fälle nicht.
Doch der taz liegt [3][eine Stellungnahme] vor, die der seit Juli
amtierende polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przyłębski, für das
Warschauer Außenministerium [4][verfasst hat]. Es zeigt ganz unverhohlen,
wie sich die PiS die polnische Kulturpolitik im Ausland vorstellt.
## Deutschland soll kein Mediator sein
In dem Gutachten heißt es: „Die blinde Nachahmung nihilistischer und
hedonistischer Trends ist ein zivilisatorischer Irrweg.“ Dem müsse sich
Polen entgegenstellen, „auch durch die im Polnischen Institut
repräsentierte Kultur“. In seinem Gutachten verdeutlicht der polnische
Botschafter auch, was darunter zu verstehen sei. „Wichtig ist (…), solche
Gäste aus dem Land einzuladen, die die Lage in Polen richtig verstehen und
in der Lage sind, in überzeugender Art und Weise darüber zu sprechen.“
Namentlich nennt Przyłębski konservative Publizisten wie Jarosław Marek
Rymkiewicz, den selbst die FAZ als „Wutschriftsteller“ und „Galionsfigur
der polnischen Rechten“ bezeichnet, sowie Bronisław Wildstein, in der
ersten PiS-Regierung Chef des staatlichen Fernsehens TVP.
Dass der Berliner Fall einen solchen Wirbel verursachte, hat noch einen
anderen Grund. In seinem Brief nach Warschau schrieb Przyłębski auch, das
Polnische Institut möge es „mit der Hervorhebung des polnisch-jüdischen
Dialogs nicht (…) übertreiben“, vor allem nicht in Deutschland, „das nic…
die Rolle eines Mediators einnehmen sollte“. Wichtig sei hingegen der
polnisch-litauische und der polnisch-ukrainische Dialog.
Dieses Zitat löste eine wahre Lawine der Empörung aus. Die israelische
Ha’aretz berichtete, Zeitungen in ganz Europa griffen das Thema auf – und
erinnerten daran, dass die geschasste Institutsleiterin beim Festival „Film
Polska“ 2014 den Film „Ida“ gezeigt hatte, der ein Jahr später den Oscar
als bester ausländischer Film bekam. Der Film handelt von einer jungen
Frau, die in den sechziger Jahren erfährt, dass sie Jüdin ist und ihre
Eltern von polnischen Nachbarn ermordet wurden.
## In Polen machten Medien aus der Sache eine „Causa taz“
Polens Botschafter hingegen lud für Anfang November zur Berliner Premiere
des Propagandafilms „Smolensk“ ein. Allerdings wollte kein Berliner Kino
den Film zeigen, der behauptet, der Absturz der polnischen
Präsidentenmaschine 2010 sei kein Unfall, sondern ein russischer Terrorakt
gewesen. Die Botschaft musste die Premiere schließlich absagen.
Inzwischen haben sich regierungsnahe Medien in Polen zu Wort gemeldet und
aus der Sache eine „Causa taz“ gemacht. Auf dem rechten Portal wpolityce.pl
schreibt jener Bronisław Wildstein, den der Botschafter auch gerne als Gast
im Berliner Polnischen Institut sähe, von einer „üblen Lüge“,
„Unterstellung“ und „Manipulation“. Kurz darauf assistierte der rechte
Publizist Piotr Cywiński: „Lieber Bronisław, es ist nicht wert, sich mit
dieser Scheiße zu beschäftigen, das ist für die Zeitung nur eine
Nobilitierung.“ Am Montag hatte der Botschafter die taz zu einem
persönlichem Gespräch gebeten. Dabei erklärte er, dass er die Gründe für
die Entlassung von Wielga-Skolimowska nicht kenne. Zu seinem Gutachten sagt
er: „Meine Beurteilung war insgesamt positiv.“
Andrzej Przyłębski geht es darum, den Eindruck zu widerlegen, er sei ein
Antisemit. Zu dem umstrittenen Passus in seinem Gutachten sagt er: „Wenn es
um die Suggestionen geht, ich hätte das Engagement für die Förderung des
polnisch-jüdischen Dialogs kritisiert, dann hat nichts dergleichen
stattgefunden. Ich dachte lediglich, dass man das Programm des Instituts
durch andere Formen des interkulturellen Dialogs ergänzen sollte.“ Damit
sich die Leserinnen und Leser selbst ein Bild davon machen können, hat sich
die taz entschlossen, das Gutachten zu veröffentlichen.
An seiner Entschlossenheit, auch in Berlin den „guten Wandel“ in Polen in
den Vordergrund zu rücken, lässt Andrzej Przyłębski keinen Zweifel: „Im
Westen versucht man, zu viele Dinge zu vereinheitlichen. Es lohnt, die
Unterschiede zu zeigen und sich nicht immer dem Mainstream anzuschließen.“
Das hätte auch von der AfD stammen können. Und tatsächlich fordert der
Botschafter, die AfD und selbst Pegida nicht zu verdammen – und sie „als
ernsthafte Stimme eines Teils der deutschen Gesellschaft“ ernst zu nehmen.
14 Dec 2016
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## AUTOREN
Uwe Rada
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